Tschüs, Eule!
Morgen setzt die Eule zu ihrem letzten Flug an. Timo Beermann schnürt anlässlich seines Abschiedsspiels noch einmal die Schuhe an der Bremer Brücke, eine Ehre, die bislang nur drei Lila-Weißen vor ihm zuteil wurde.
Das letzte Abschiedsspiel für einen VfL-Spieler liegt bereits über 16 Jahre zurück. Der gefeierte Mann damals: Rekordspieler Joe Enochs, der im Sommer 2008 seine Fußballschuhe an den Nagel gehangen hatte und zu dem Zeitpunkt die, damals noch existente, zweite Mannschaft des VfL trainierte.
Im Tor der Joe-Enochs-Allstars stand ein langjähriger Weggefährte des US- Amerikaners: Uwe Brunn, Zweiter hinter Enochs in der Liste der lila-weißen Rekordspieler und der einzige Torwart in der Vereinsgeschichte, der ein Abschiedsspiel in seiner Vita stehen hat. 2003 zog er sich ein letztes Mal die Torwarthandschuhe über und durfte dabei einiges an Fußballprominenz an der Bremer Brücke begrüßen: neben Uli Stein und Jörg Neun gab sich auch Weltmeister Uwe Bein beim letzten Auftritt des Elfmeterhelden von 2000 die Ehre.
Nicht weniger prominent liest sich die Liste der Spieler, die beim allerersten vom VfL organisierten Abschiedsspiel, dem von Klaus-Willi „Atze“ Baumanns, im September 1980 aufliefen. Neben den Kremers-Zwillingen und Horst-Dieter Höttges waren auch Wolfgang Overath und Uwe Seeler in Osnabrück erschienen, um dem Publikumsliebling der 70er-Jahre die Ehre zu erweisen.
Was alle drei verbindet, ist die Tatsache, dass sie auch nach der Karriere als Fußballer im Verein aktiv waren. Joe Enochs wurde später von der zweiten Mannschaft zum Cheftrainer des Profiteams befördert und ist heute, nach einigen Jahren in Zwickau und Regensburg, als Direktor Fußball nach Osnabrück zurückgekehrt. Uwe Brunn war in der Zeit von Hermann Queckenstedt für drei Jahre Präsidiumsmitglied und „Atze“ Baumanns war unter anderem Co-Trainer bei jenem Aufstieg 2000, der Uwe Brunn in Osnabrück zur Legende werden ließ.
Wie passt Timo Beermann in diese Reihe? Dass er dem Verein in Zukunft in anderer Position erhalten bleibt, erscheint nicht unwahrscheinlich. Dass er einen hohen Stellenwert bei den Fans besaß und besitzt ist unbestritten. Bei der Anzahl der Spiele für den VfL kann er in dieser illustren Runde jedoch nicht mithalten. In der Liste der Rekordspieler, die Enochs und Brunn anführen und in der „Atze“ Baumanns immerhin auf Platz 8 zu finden ist, muss man bis Platz 46 blättern um den Namen Beermann zu erblicken. Mit 167 Einsätzen hat er genauso viele Pflichtspiele wie Philipp Kühn und sogar vier weniger als Marcos Álvarez auf der Habenseite. Ist das nicht etwas wenig? Also warum ausgerechnet Eule?
Timo Beermann hat in seiner Karriere nur für zwei Vereine gespielt, den VfL Osnabrück und den 1. FC Heidenheim. Er hatte schon in der Jugend das VfL-Trikot an und auf dem Weg zum Profi 62 Spiele für die Zweitvertretung gemacht. Er ist den langen Weg gegangen, hat sich durchgesetzt und ist im Alter von 20 Jahren zu seinem Profidebüt gekommen. Aus heutiger Sicht erscheint einem das fast schon spät. Nachdem er über zwei Jahre lang immer mehr zur Stammkraft reifte, verpasste es der VfL sich rechtzeitig und ausreichend um ihn zu bemühen und Beermann wechselte an die Brenz nach Heidenheim, wo er sechs Jahre lang unter Frank Schmidt in der 2. Liga spielte.
Und was macht Eule mit 29 Jahren und nach 106 Zweitligaspielen für Heidenheim? Er denkt an seinen Heimatverein. Er kommt zurück und in der Zwischenzeit haben weder er noch der VfL sich großartig verändert. Eule ist immer noch eine Bank in der Innenverteidigung und der VfL ist das Stigma der Fahrstuhlmannschaft auch noch nicht los geworden. Timo Beermann steigt in seiner zweiten Amtszeit beim VfL einmal auf und zweimal ab.
Und trotzdem: Reicht das für ein Abschiedsspiel? Reicht das um in die Riege der ganz Großen aufzurücken? Ist die Geschichte des verlorenen Sohnes, der zurückgekehrt ist, genug?
Das vielleicht nicht, aber es gibt darüber hinaus noch weitere Punkte, die seinen Stellenwert in Stadt und Verein begründen. Eule hat sich in Osnabrück nie etwas zuschulden kommen lassen. Im Gegenteil, er war und ist ein Musterprofi, ein Vorbild für Jüngere, einer an dem sich andere hochziehen können. Einer, der nie dem großen Geld hinterher gerannt ist. Einer, der auf dem Platz stets seinen Job erledigte und das mit 100%. Einer, der sich nie vor der Verantwortung gedrückt hat. Einer, dem es wirklich am Herzen lag wie es dem VfL ergeht. Und das ist so viel mehr wert als die Anzahl von Spielen oder irgendwelche Listen. Eule war auch oft verletzt, na und? Dann sind es halt ein paar Spiele weniger, er hat sich aber immer wieder herangekämpft.
All diese Dinge konnte man exemplarisch in seiner letzten Saison beobachten: wie er sich im Alando beim Fan-Talk, als man bis zum Hals in der Misere steckte, als Leader vor die Mannschaft stellte und den richtigen Ton vor den Fans traf. Oder direkt im anschließenden Spiel bei der 2:4 Niederlage in Ingolstadt, als er die einzige rote Karte seiner Karriere kassierte, wohl einfach, weil er noch nicht aufgegeben hatte, ein Zeichen setzen wollte, der VfL ist noch nicht tot. Oder in der Rückrunde unter Antwerpen, der ihn, obwohl er Kapitän war, auf die Bank verfrachtete: Kein Gemecker, kein schlechtes Wort, alles dem großen Ziel Klassenerhalt untergeordnet. Als dann das letzte Liga-Heimspiel gegen Verl anstand, durfte Beermann zum ersten Mal seit seiner roten Karte wieder in der Startelf ran und die Mannschaft als Kapitän aufs Feld führen. Er war der beste Osnabrücker auf dem Platz. Umso unverständlicher war es, dass Antwerpen eine Woche später im NfV-Pokalfinale gegen Lohne wieder auf ihn verzichtete, in seinem letzten Spiel für den VfL, bei dem sein Bruder Malte auf der anderen Seite stand. Im Rückblick ist das nur eine Randnotiz unter den Dingen, die dem Ex-Trainer schwer zu verzeihen sind. Aber auch hier: kein böses Wort von Eule, der VfL ist größer als der Einzelne.
Timo Beermann ist ein Fußballer und ein Mensch, wie sich ihn jede Mannschaft, egal ob Kreisliga oder Champions League, nur wünschen kann: ehrlich und loyal, aufopferungsvoll und selbstkritisch, siegeswillig und doch bescheiden. Das wissen die Fans an der Brücke und das wissen sie auch zu schätzen. Und da kann man nur hoffen, dass sich der ein oder andere jüngere Spieler Eule anschaut und denkt: „So will ich auch eines Tages meine Fußballschuhe an den Nagel hängen“.