Aktionsplan für den Automobilsektor
Die EU-Kommission hat ihren Aktionsplan für den Automobilsektor vorgestellt. Das Ergebnis des Strategiedialogs mit den wichtigsten Akteuren der Branche enthält offenkundig wichtige Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Sektors, zur Digitalisierung und zur Förderung nachhaltiger Mobilität.
Tiemo Wölken, Mitglied des Europäischen Parlaments (MdEP), umweltpolitischer Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, erläuterte die folgend ausgeführten, bislang angekündigten Änderungen. Unter den jeweiligen Unterkapiteln befinden sich Wölkens wörtliche Bemerkungen zu den einzelnen Sachthemen.
CO₂-Reduktionsziel 2025: Pragmatische Anpassung in einer akuten Krisensituation
Wölken: „Die Entscheidung der Kommission, eine Flexibilisierung der CO₂-Flottengrenzwerte für 2025 vorzuschlagen, ist eine Reaktion auf die akute Krisensituation des Sektors. Die Branche hat weiterhin mit den Nachwehen der COVID-Krise, auslaufenden Fördermodellen wie dem deutschen Umweltbonus, sowie zunehmend mit unfair subventionierter Konkurrenz aus dem EU-Ausland zu kämpfen. Mit einer Lösung nach dem Prinzip des „Banking and Borrowing“ folgt die Kommission hier der Forderung der SPD, in 2025 mehr Flexibilität zu ermöglichen und potentiell hohe Strafzahlungen zu vermeiden, ohne dabei das Ambitionsniveau substantiell abzusenken. Letzteres wird dadurch sichergestellt, dass die Hersteller das Überschreiten der Emissionsziele bis 2027 durch Übererfüllung wieder aufholen müssen. Die neue Regelung ermöglicht es, weiterhin in emissionsfreie Technologien zu investieren, ohne die Transformation durch Strafzahlungen oder unverhältnismäßig hohe Transfers an außereuropäische Mitbewerber im Rahmen des Poolings zu gefährden.
Gleichzeitig muss aber klar sein: An dem Ausstiegsdatum 2035 für Verbrenner darf nicht gerüttelt werden. Denn es ist zwingend notwendig, um die Planungssicherheit in der Industrie zu gewährleisten und die bereits getätigten Milliardeninvestitionen in die E-Moblilität nicht zu gefährden. Ein Aufweichen des Reduktionsziels oder die Verwässerung der Definition von Null-Emissionsfahrzeugen ist eine rote Linie für uns.“
Soziales Leasing: Ambition muss Umsetzung folgen
„Die Empfehlung der Kommission, soziale Leasingmodelle in ganz Europa einzuführen, ist ein richtiger Schritt. Aber eine bloße Empfehlung reicht nicht aus. Die EU muss klare Leitlinien schaffen, damit Mitgliedstaaten diese Maßnahme einheitlich und effektiv umsetzen und im Bereich der Beihilfegenehmigung flexibel agieren. Gerade für Haushalte mit niedrigerem Einkommen ist der Zugang zu erschwinglicher Elektromobilität entscheidend.
Durch ambitionierte Mindeststandards für förderfähige Modelle in Sachen Umwelt- und Sozialstandards in der Produktion müssen wir zudem sicherstellen, dass von der Förderung vor allem die europäischen Vorreiter profitieren. Die europäischen Autohersteller müssen zudem endlich die lange versprochenen, erschwinglicheren E-Autos im Kleinwagen- und Mittelklassesegment auf den Markt bringen, für die diese Regelung vor allem gedacht ist.“
Dekarbonisierung von Unternehmensflotten: Ein Fortschritt, aber leider noch kein Gesetz
„Die Pläne der Kommission zur Dekarbonisierung von Unternehmensflotten sind ein richtiger und längst überfälliger Schritt. Doch ein Aktionsplan allein reicht nicht aus – wir brauchen so schnell wie möglich die angekündigte verbindliche Gesetzgebung mit klaren Quotenregelungen. Da europaweit die Mehrheit der Neuwagenbestellungen von Geschäftskunden kommt, kann eine ambitionierte Regelung nicht nur den CO₂-Ausstoß drastisch senken, sondern auch den Markt für erschwinglichere elektrische Gebrauchtwagen erheblich verbessern. Dies wäre ein echter Hebel für eine sozial gerechte Mobilitätswende.“
Zugang zu Fahrzeugdaten: Endlich handeln für fairen Wettbewerb und Verbraucherschutz!
„Die heutige Ankündigung der Kommission zum Zugang zu Fahrzeugdaten ist positiv zu bewerten, allerdings wäre es zwingend notwendig gewesen, dass die Kommission schon jetzt mit der Arbeit an einem verbindlichen Gesetzesvorschlag beginnt, sowie es in einer früheren, geleakten Version des Aktionsplans noch vorgesehen war. Der Data Act ist als horizontale Gesetzgebung eine Grundlage, aber nicht ausreichend um in den komplexen Beziehungen zwischen Verbraucher*innen, Fahrzeugherstellern, Zulieferern und Werkstätten für Klarheit zu sorgen. Dass die Kommission den dringend nötigen Vorschlag jetzt wieder verzögert, ist ein Bärendienst für die gesamte Industrie.”
Europäische Batterieindustrie: Neustart für eigenständige Wertschöpfungskette
„Europa darf sich nicht länger von Importen aus Drittstaaten abhängig machen, wenn es um Batterietechnologie geht. Der Plan der Kommission zur Stärkung der europäischen Batterieindustrie kann vor allem deshalb ein Gamechanger werden, weil er erstmals direkte europäische finanzielle Unterstützung für die Batterieproduktion vorsieht. Dies muss jetzt zügig mit den entsprechenden Finanzmitteln untermauert werden.
Die Beihilfen zu den Produktionskosten (OPEX) müssen zudem unbürokratisch verfügbar gemacht werden, damit nicht wie im Falle Northvolts Projekte in der sensiblen Frühphase scheitern, in der die Kapazitäten im Prinzip stehen, aber aufgrund der komplizierten batterie-chemischen Prozesse die Massenproduktion noch nicht angelaufen ist. Ohne Investitionssicherheit für eine integrierte europäische Wertschöpfungskette drohen wir sonst weiter den Anschluss an China und die USA zu verlieren.“
Fazit
„Der Aktionsplan der EU setzt an vielen Stellen richtige Impulse, insbesondere durch die Anpassung der CO₂-Flottengrenzwerte 2025 und der Initiative zur Batterieindustrie. Doch in anderen Bereichen, wie den Regeln zu den kommerziellen Flotten, sowie beim Social Leasing müssen die guten Ansätze so schnell wie möglich sehr viel konkreter werden. Alle Beteiligten müssen jetzt den Ernst der Lage verstehen – insbesondere Schaukämpfe um das Verbrenneraus 2035 können wir uns nicht mehr leisten.“