Donnerstag, 25. April 2024

Calmeyer als Namensgeber im Museumsquartier? Fakten sprechen dagegen!

Osnabrücker ILEX-Kreis bezieht Position zur künftigen Namensgebung der Villa Schlikker

Im Zuge der Entscheidung zur Benennung der Villa im Museumsquartier steht nunmehr das Votum des Wissenschaftlichen Beirats zur Abstimmung. Debattiert wurde alles bereits im Kulturausschuss am 9. März. Den endgültigen Beschluss dürfte der Rat am 25. April fällen.

Der Osnabrücker ILEX-Kreis, der aktuell in der OR eine Serie über Menschen des Osnabrücker Widerstands publiziert und nach der Sommerpause eine entsprechende Buchpublikation plant, warnt in einer aktuellen Stellungnahme dringend davor, die Person Hans Calmeyers bei der Namensgebung, in welcher Form auch immer, hervorzuheben.


„Hans-Calmeyer-Haus“ ist Vergangenheit

Vergangenheit ist inzwischen die ursprüngliche Absicht, das Gebäude „Hans-Calmeyer-Haus“ zu nennen. Im Rat stand die CDU-Fraktion mit einer solchen Linie zuletzt völlig isoliert da. Insbesondere die von deutschen wie niederländischen Wissenschaftler*innen und Journalist*innen angestoßene Debatte und der Verlauf eines Symposiums im Osnabrücker Rathaus haben wichtige Anstöße vermittelt, die eine Privilegierung des ehemaligen NS-Funktionärs Hans Calmeyer schlichtweg nicht mehr rechtfertigen.


„Forum Erinnerungskultur und Zeitgeschichte“ oder „What about Calmeyer?“  

Gemäß dem Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirats, vertreten durch seinen Vorsitzenden, Professor Dr. Alfons Kenkmann von der Uni Leipzig, stehen inzwischen nur noch zwei Wendungen zur Abstimmung. Konkret: Soll das Haus künftig „Villa Schlikker – Forum Erinnerungskultur und Zeitgeschichte“ oder „Villa Schlikker – What about Calmeyer?“ heißen.

Der ILEX-Kreis fasst seine Empfehlung in Gestalt der unten zitierten Stellungnahme zusammen.


Im Wortlaut: ILEX-Kreis zur historischen Bewertung des Hans Calmeyer

Angesichts der langjährigen Bemühungen in Osnabrück, die NS-Vergangenheit aufzuarbeiten, wieder Kontakte mit Überlebenden anzuknüpfen und deren Erinnerungen weiter zu vermitteln, um daraus für die Gegenwart zu lernen, an denen auch die Mitglieder des ILEX Kreisen von Anfang an beteiligt waren, sind aus unserer Sicht genug Ansätze gegeben, neu zu denken. Wir appellieren für einen Umgang mit der Geschichte, bei dem Osnabrück seinen guten Ruf nicht aufs Spiel setzt, weil historische Fakten ignoriert werden, die nicht in das Marketingkonzept für einen „Osnabrücker Schindler“ passen.

Die folgenden Fakten zur Biografie Calmeyers lassen diesen in einem gänzlich anderen Licht erscheinen, als dies bisher in vielen Stellungnahmen erfolgt ist. Folgende Punkte verdeutlichen dies:

  1. Zweifelsfrei hat Calmeyer Menschen gerettet. Eine Ehrung verbietet sich aber bei Betrachtung der gesamten NS-Biographie Calmeyers, an deren Anfang im Jahre 1923 seine Teilnahme an Hitlers Putschversuch als Mitglied der „Schwarzen Reichswehr“ steht.
  2. Calmeyer wirkte von Beginn an maßgeblich bei der Registrierung der Juden in den besetzten Niederlanden mit, was die Grundlage für ihre Deportation und Ermordung bildete.
  3. Entgegen den Empfehlungen seiner Mitarbeiter hat Calmeyer nachweislich Hunderte von Anträgen – abweichend von seinen eigenen Richtlinien und seiner bisherigen Entscheidungspraxis – negativ beschieden.
  4. Calmeyer wird von niederländischen Historikern vorgeworfen, dass er aktiv nach nicht registrierten Juden in den Niederlanden gesucht und dadurch 500 weitere jüdische Menschen ermittelt und gemeldet habe.
  5. Außerdem wird Calmeyer vorgeworfen, dass er mitgeholfen habe, Tausende von Niederländern als Zwangsarbeiter nach Deutschland zu schicken, wo nahezu 8.000 von ihnen starben.
  6. Dass Calmeyer von vornherein die Absicht gehabt haben soll, in den Niederlanden Juden zu retten – wie die Befürworter eines Calmeyer-Hauses behaupten, ohne Belege für diese Aussage zu haben – ist verwunderlich. Warum hat er mit einer solchen Einstellung dann 1948 nachweislich aus freien Stücken (!) den fanatischen ehemaligen Osnabrücker NSDAP-Kreisleiter Münzer in dessen Entnazifizierungsverfahren verteidigt, der bis zu seinem Ableben in späterer Zeit niemals die leiseste Einsicht in das Unrecht des NS-Regimes zeigte?
  7. Angesichts der vielen offenen Fragestellungen zur Rolle und zum Verhalten Calmeyers hat der renommierte Historiker Prof. Gerhard Hirschfeld beim Rathaus-Symposium des Vorjahres zu Recht darauf hingewiesen, dass es hierzu noch erheblichen Forschungsbedarf gebe. „Nichts ist peinlicher, als Benennungen wegen neuerer Erkenntnisse zurücknehmen zu müssen“, bemerkte er richtigerweise.
  8. Die Namensnennung eines Museums hat auch eine Ehrungsfunktion. Aus Respekt vor den Opfern, die auch der als „Judenretter“ heroisierte Calmeyer durch seine Tätigkeit mit zu verantworten hat, verbietet sich eine Benennung der Villa Schlikker nach Calmeyer.
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