Mittwoch, 24. April 2024

Erster Mai 2022: Demo und Familienfest

Osnabrücks DGB zeigt Solidarität und Aufbruchswillen

Endlich wieder eine gewerkschaftliche Maifeier! Tatsächlich: „Echte“ Mai-Demos und anschließende „Familienfeste“ lagen volle drei Jahre zurück. Eine fiese Spalterin namens Corona hatte 2020 und 2021 allen fantasievollen Planungen einen fetten Strich versetzt. Zwei virtuelle Varianten hatten es nur unzureichend vermocht, traditionelle gewerkschaftliche Mai-Botschaften zu verbreiten. In diesem Jahr konnte endlich wieder das gezeigt werden, was Gewerkschaftsarbeit ihren eigentlichen Charakter verleiht: Solidarität!

Allein der Ablauf der Demonstration zeigte schnell, dass Osnabrücks Gewerkschaftsszene keineswegs vergessen hat, wie jene Solidarität am Tag der Arbeit gelebt wird. Den Auftakt bildete der bewährte Treff vor jenem Standort eines ehemaligen Gewerkschaftshauses, das die Nazis einst im März 1933 gestürmt hatten, um anschließend die gesamte Arbeiterbewegung zu zerschlagen. Traditionell schmückte ein gewerkschaftlicher Kranz die am Haus angebrachte Gedenktafel. Die Namen der in der NS-Zeit ermordeten Gewerkschafter sind auf Stolpersteinen unterhalb der Gedenktafel nachzulesen.

Die DGB-Vorsitzende Nicole Verlage wies mit eindeutigen Worten auf die dauerhafte Verpflichtung hin, alles zu tun, dass sich derartige Geschehnisse niemals wiederholen.

Der Erste Mai, dies wurde erneut klar, eignet sich wie kaum ein zweiter Tag dazu, an die Geschichte dieses klassischen Kampftages zu erinnern, was ja auch in der OR bereits wiederholt ihren Niederschlag gefunden hat.

 

Hildebrand: Wir brauchen starke Gewerkschaften!

Uwe Hildebrand, Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) für die Region Osnabrück, oblag es als Hauptredner, die gewerkschaftlichen Merkposten des Jahres in Erinnerung zu rufen und auf die Demo einzustimmen:

„Frieden, Gerechtigkeit und sozialer Zusammenhalt kommen nicht von selbst. Sie müssen immer wieder gemeinsam erkämpft werden. Gemeinsam setzen wir am Tag der Arbeit ein sichtbares Zeichen für eine gerechte und friedvolle Zukunft. Solidarität braucht Nähe!“

Der brutale völkerrechtswidrige Angriffskrieg auf die Ukraine fordere jeden Tag Menschenleben. Putins Krieg sei auch ein Angriff auf die europäische Friedensordnung, die auf Freiheit, Menschenrechten, Selbstbestimmung und Gerechtigkeit basiere. Hildebrand: „Wir fordern Solidarität, Frieden und Selbstbestimmung für die Ukraine! Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder! Weltweit!“

Riesige Herausforderungen kämen auf Gewerkschaften auf dem Arbeitsmarkt zu. Mit rasanter Geschwindigkeit habe sich Leben in den vergangenen Jahren verändert. Klimaschutz, Digitalisierung und Globalisierung hätten enorme Auswirkungen darauf, wie Menschen arbeiten, leben und konsumieren. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Transformation könne nur mit einer starken Mitbestimmung und einer hohen Tarifbindung erfolgreich gestaltet werden. Gute Arbeit, nachhaltigen Wohlstand und sozialen Fortschritt gebe es nur mit einem Ausbau der Arbeitnehmerrechte und starken Gewerkschaften. „Wir“, so der NGG-Sprecher, „fordern einen solidarischen Sozialstaat mit guten Renten sowie einer Bürger- und Pflegevollversicherung.“

Dass der Mindestlohn noch in diesem Jahr auf 12 Euro erhöht werde, sei positiv und auch ein gewerkschaftlicher Erfolg. Das komme Millionen Menschen – besonders Frauen – im Land zugute. Sehr bedeutsam seien darüber hinaus die aktuellen Betriebsratswahlen in rund 28.000 Betrieben. 180.000 Betriebsratsmitglieder kämpften mit den DGB-Gewerkschaften für gute Arbeit und sichere Beschäftigungsperspektiven. Leider würden noch immer Kolleginnen und Kollegen, die in ihrem Betrieb einen Betriebsrat schaffen wollen, rechtswidrig daran gehindert. Die neue Bundesregierung habe versprochen, hier für Abhilfe zu sorgen.

Betroffenheit lösten Hildebrands Berichte insbesondere aus der regionalen Fleischindustrie aus. Noch immer seien hier Niedriglöhne, willkürliche Lohnabzüge bis hin zu menschenunwürdigen Unterkünften an der Tagesordnung.

 

Demo und gemeinschaftlicher Ausklang

Die anschließende Maidemonstration führte die Gewerkschafterinnen und Gewerkschaften vom Kollegienwall über den Neuen Graben, Heger-Tor-Wall, Schlosswall, Johannistorwall bis zum Gewerkschaftshaus am August-Bebel-Platz. Mitgeführte, zumeist in einem leuchtenden Rot gehaltene Transparente präsentierten vielfältige Themen. Das Spektrum reichte von guten Löhnen, menschlichen Arbeits- und Ausbildungsbedingungen bis hin zu Forderungen nach internationaler Solidarität, Frieden und Abrüstung. Im Fahnenmeer der Demo entdeckte man eine ähnliche Vielfalt von Organisationen, die am 1. Mai traditionell ihre enge Verbundenheit mit den DGB-Gewerkschaften dokumentieren. Das Spektrum reichte von Einzelgewerkschaften, SPD, Linkspartei, Grünen bis zur Katholischen Arbeitnehmerbewegung.

Im Platz vor dem Gewerkschaftshaus blieb genug Raum für Wiedersehenstreffen, angereichert durch Info-Stände der Einzelgewerkschaften und befreundeter Organisationen, vorgetragene Solidaritätsadressen, nicht minder durch Bratwurst, internationale wie vegane Snacks, Bier, Kaffee und Kuchen. Die IG BAU präsentierte eine Hüpfburg für die Jüngsten, was den Charakter des Familienfestes abrundete. Zuweilen, dies mag selbstkritisch anzumerken sein, bedurfte es allerdings freundlichen Hinweisen der erwachsenen Bezugspersonen, um beim Güpfen Solidarität und gegenseitige Rücksichtnahme auch bei den Kleinen einzuüben.

spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
Follow by Email
Facebook
Youtube
Youtube
Instagram
Spotify