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Gesichter meiner Stadt: John McGurk: „Je mehr Gutes ich tue, desto weniger Angst habe ich zu sterben.“

Diese neue Serie bildet das multikulturelle und internationale Leben in Osnabrück und Umgebung ab. In dem vor einigen Jahren gegründeten Jugendmedienprojekt treffen Schülerinnen und Schüler auf Menschen in unserer Region, die aus verschiedenen Regionen der Welt nach Osnabrück & Umzu gekommen sind, führen Interviews und schreiben Porträts. Die Vielfalt der Region soll durch viele verschiedene Porträts hier lebender Menschen mit Migrationshintergrund gezeigt werden. Dabei geht es nicht nur um Erfolgsgeschichten, sondern auch um ganz Alltägliches. Die Osnabrücker Rundschau veröffentlicht in loser Reihenfolge Porträts, die Schülerinnen und Schüler der Ursulaschule Osnabrück im Profilkurs „Welt der Medien“ (Jahrgangsstufe 9) für GESICHTER MEINER STADT geschrieben haben.

 

John McGurk (Schottland)
Je mehr Gutes ich tue, desto weniger Angst habe ich zu sterben.“
von Maximilian Klekamp

Wie schon an seinem Namen zu erkennen ist, kommt John McGurk aus Schottland.  Als Kind in Schottland ist er durch die Hölle gegangen. Für ihn ist das keine Floskel, denn genau so, wie er leben musste, stellt er sich die Hölle vor. Hungrig, aus einem zerrütteten Elternhaus. Der betrunkene Vater schlug ihn. „Würde sich das nicht jeder wie die Hölle auf Erden vorstellen?“, fragt er mich.

John McGurk wurde am 21. Februar 1961 in Glasgow geboren und wuchs in bitterer Armut auf. Sein Vater schlug die Mutter so lange, bis diese ihren Ehemann und ihre Kinder verließ. Mit neun Jahren kam McGurk in ein Kinderheim, in dem der Aufseher die Kinder „zur Strafe“ prügelte. Von Gewalt und Armut geprägt, trat er mit 19 Jahren in die Armee ein, die damals der einzige Ausweg für Männer wie ihn war. Auch wenn es heute schwer vorstellbar ist, war damals die Armee sehr beliebt und deshalb gab es mehr Bewerber als Plätze.

John erzählt mir, er habe mit drei anderen Freunden den Aufnahmetest gemacht. Er war der Einzige, der in die Armee eintreten durfte. Dies überraschte ihn sehr, da er weder mit dem Test noch mit seiner Annahme gerechnet hatte. Wenn man dann das „Daily-Training“ überstanden hatte, organisierte das Militär alles, weshalb er am 16. Januar 1981 schließlich nach Deutschland, genauer nach Osnabrück, per Flugzeug kam. Das weiß er noch so genau, da er am nächsten Tag eine Art „Survival-Training“ im tiefsten Schnee absolvieren musste.

Nachdem er sich hier eingelebt hatte, haben sich besonders die Tugenden wie Disziplin und Pünktlichkeit, für die die Deutschen in Großbritannien bekannt sind, bewahrheitet. Dennoch, so sagt er, habe er immer in einer gewissen „Bubble“ (Blase) gelebt, weswegen er Deutschland erst gar nicht richtig kennenlernte.

In Osnabrück war bis 2009 die größte britische Garnison Europas. Dementsprechend gab es viele junge Soldaten, denen das Bier zu stark und die deutsche Mentalität zu fremd war. Man blieb unter sich und das einzige, worauf man sich freute, war das Wochenende. Aus diesem Grund waren die einzigen Sätze, die die Soldaten wussten: „Ein Bier bitte!“ und „Ich liebe dich!“. All das erzählt mir John McGurk. Oft waren sie auch unter sich, denn viele zeigten gar kein Interesse daran, Deutschland kennenzulernen. Wenn man zum Beispiel einen Ausflug machte, fuhr man nicht an die See nach Deutschland, sondern in die Niederlande. An vielen Wochenenden hatte man oft auch Dienst, so dass man eigentlich gar keinen richtig „Urlaub“ hatte. Und wenn man wirklich mal frei hatte, fuhr man nicht irgendwo nach Deutschland, sondern in die Heimat zurück nach England.

Doch mit der Zeit wurde McGurk offener gegenüber Deutschland, so dass er und seine Freunde auch mal zu Fußballspielen gingen oder auch einfach mehr am deutschen Leben teilnahmen. Besonders an den alltäglichen Dingen habe er erkennen können, dass sich Klischees bestätigen. Er fand es zum Beispiel besonders lustig zu sehen, dass die Deutschen wirklich am liebsten auf Mallorca Urlaub machen und ihr Auto über alles lieben. Dennoch ließe sich auch erkennen, dass die Deutschen sehr fleißig sind. Das bestätigte sich zum Beispiel durch die deutsche Bundesliga, die viel besser sei als die schottische Liga, sagt John McGurk.

Nachdem er seinen Dienst in der Armee beendet hatte, fing er eine Ausbildung zum Papiertechnologen an, die er auch abschloss. Durch seine Kindheit geprägt und durch seinen Glauben ermutigt, denn er ist ein streng gläubiger Katholik, organisiert er bis heute Charityläufe und nimmt selbst an diesen Teil. Dabei ist der Kilt sein wichtigstes Markenzeichen.

Doch haben sich durch diese Offenheit auch anderer Dinge entwickeln können. Dadurch, dass die Leute ihm gegenüber offener wurden, konnte er auch seine Frau kennenlernen, mit der er drei erwachsene Kinder hat, wobei sie alle noch hier im Umkreis von Osnabrück leben. Auch wurde er durch sie offener, Deutschland zu bereisen. Seine Lieblingsplätze seien, so verrät er mir, natürlich sein Zuhause an der Hase. Er fände es atemberaubend, wie die Sonne sich im Wasser spiegelt und durch die Blätter scheint. Doch reise er auch gerne an die Nordsee, wo er fast alle seine Urlaube verbringt.

Mit der Zeit und vor allen Dingen auch durch seine Frau und seine Kinder ist Deutschland zu seiner neuen Heimat geworden. Er fährt zwar weiterhin gerne nach Schottland, aber nur, um seine Geschwister dort zu besuchen. Immer wenn er dort ist, kommen bei ihm Erinnerungen hoch, wie er im Wald ist oder mit den anderen Kindern Fußball spielt. Sich selbst bezeichnet er als halb Deutscher, halb Schotte. Er hat auch beide Nationalitäten.

Oft findet er auch schottische Klischees in sich selbst wieder. Er spielte zum Beispiel Dudelsack, doch tut er das jetzt nicht mehr, weil er einfach keine Zeit mehr dafür hat. Wenn er in manchen einsamen Momenten in sich geht, fällt ihm besonders auf, dass ihn eigentlich nichts mehr außer seine Geschwister mit seiner Heimat verbindet. Durch die jetzige Situation sind sie jedoch voneinander getrennt, so dass sie sich nicht mehr sehen können. Das ist einer der Nachteile, wenn man allein auswandert. Man ist und bleibt immer getrennt von seiner Familie.

 

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