Mittwoch, 24. April 2024

Very British. Eine Expedition auf die Insel – Teil 5

Ein Bericht unserer Korrespondentin Wendy Wordsworth
Von roten Löwen, weissen Pferden und fliegenden Elefanten

Foto: OR

Bei der Berichterstattung über britisches Bier hat die Korrespondentin außer Cider ganz vergessen, eines ihrer Lieblingsbiere zu erwähnen, Ginger Beer, zum Beispiel das leckere, Crabbie’s Ingwerbier mit genau passender Schärfe und ordentlichen vier Prozent Alokohol. Für Autofahrer gibt es auch alkoholfreie Varianten, die einen Pubbesuch auch bei längeren Autofahrten durchaus attraktiv erscheinen lassen. Eins davon, das australische Bundabeg, hat es bereits in die Osnabrücker Getränkemärkte geschafft.

Vor dem Betreten eines Pubs fällt oft ein Schild mit einem Text wie „Recruiting, recruiting, recruiting!“ auf. Wie bei uns suchen die meisten Pubs auch in Großbritannien dringend Personal, von der Bar bis zum Küchenchef. An Besuchern mangelt es ihnen trotz der nicht gerade günstigen Preise (um die 5 Pfund für ein Pint) bisher nicht. Das wäre doch noch eine job opportunity ...

Ein Pub mit langer Tradition: The Lamb in EastbourneEin Pub mit langer Tradition: The Lamb in Eastbourne

Vor allem fallen jedoch die interessanten Namen der Pubs ins Auge, fast immer in Verbindung mit einem gemalten Bild. Das kann ein skurriler baumbrütender Elefant sein wie beim Elephants Nest Inn. Der wahrscheinlich gemeinste Name ist The Slaughtered Lamb, der Pub aus American Werwolf, in dem alle Gäste sofort verstummen, als zwei verirrte amerikanische Wanderer ihn betreten.  Diesen Pub gibt es zum Glück nicht wirklich, beziehungsweise nicht mit diesee Bezeichnung. Stattdessen  gibt es solche mit dem Namen The Lamb and Flag,  deren christliche Symbolik sich auf die Kreuzfahrer bezieht, die sich hier noch einmal mit heimischen Ale Mut antranken, bevor sie loszogen, um Heiden abzuschlachten und, vermutlich nach der Rückkehr, Pubs dann The Turk’s Head oder The Saracen’s Head nannten.

Muss leider draußen bleiben: Ein schlechtgelaunter Roter Löwe vor dem Pub in Alfriston - Foto: ORMuss leider draußen bleiben: Ein schlechtgelaunter Roter Löwe vor dem Pub in Alfriston - Foto: OR

Ein Blick auf die Pubschilder ist oft auch ein Blick in die britische Geschichte. The Red Lion ist der häufigste Name für einen Pub. Der eigentlich naturgetreuere Golden Lion, der Goldene Löwe, ist dagegen eher selten. Der aufgerichtete oder steigende Löwe flatterte schon auf der Fahne von Richard Löwenherz während des Dritten Kreuzzuges. Die rote Variante geht auf James VI. von Schottland zurück, der 1603 der I. James von England wurde. Diese Ausweitung seiner Herrschaft von den Highlands bis nach Hastings wollte er deutlich sichtbar zeigen, weshalb er anordnete, sein heraldisches Zeichen an allen wichtigen Gebäuden anzubringen. Und was könnte es Wichtigeres geben als einen Pub …?

Foto: ORFoto: OR

Den Red Lion gibt es geschätzte 500 bis 600 mal in Großbritannien, ein Exemplar davon mitten im Steinkreis von Avebury. Die komplette schottische Flagge mit dem roten Löwen auf gelbem Grund soll übrigens eigentlich nicht anzeigen, dass Fußballfans auf dem Weg zu einem Spiel sind, sondern dass gerade das Königshaus zu Gast weilt. Beim Red Lion Pub in Bad Iburg könnte die Queen bei einem Besuch dabei auf den Spuren ihrer eigenen Familiengeschichte wandeln. Sophie von der Pfalz, die im Iburger Schloss lebte, bevor sie und ihr Mann genug davon hatten, sich in der Kutsche nach Osnabrück durchrütteln zu lassen und sich ein bequemeres Stadtschloss  bauten, war die Mutter des ersten George auf dem englischen Thron.Sie zog nur ungern von Osnabrück nach Hannover, als ihr Gatte Ernst August nach Hannover befördert wurde und weinte lange dem von ihr selbst gestalten Schlossgarten hinterher. Als Madame de Osnabruck hatte Sophie sich vorher inkognito die Schlösser und Gärten in Paris und Versailles angesehen. Ob sie beim Anblick der aktuellen kargen  pflanzlichen Gestaltung und dem gelben Käfig vor ihrem Fenster Osnabrück noch nachweinen würde, ist zu bezweifeln.

The Crown: Ein ganz normaler Pub in der Stadt, trotz des royalen Namens - Foto: ORThe Crown: Ein ganz normaler Pub in der Stadt, trotz des royalen Namens - Foto: OR

Gefolgt wird der Löwe bei der Anzahl der Pubs von The Crown und The Royal Oak. Der Name geht eigentlich auf eine peinliche Geschichte aus dem englischen Bürgerkrieg zurück, wo sich nach der verlorenen Schlacht von Worcester 1651 der geschlagene König ein paar Tage lang auf einem Baum vor Cromwell’s Verfolgern versteckte. Doch die naturliebenden Briten fanden anscheinend diese Geschichte vom König, der auf einem Ast hockt und den Eichhörnchen Gesellschaft leistet, so sympathisch, dass sie jeden dritten Pub im Land nach ihr nannten.

Etwas befremdlich für deutsche Ohren klingen Namen wie The Kings Arms. Manchmal sind die Arms auch die der Queen. Dort wird man aber keineswegs mit einer warmen royalen Umarmung empfangen, denn arms sind nicht nur Arme, sondern auch ein Wappenschild. Und das kann beim Miner’s Arms auch das der working class, hier der (wahrscheinlich längst arbeitslosen) Minenarbeiter sein.

whiteh

Zuletzt begegnet uns im Land der Verehrer der Royal Family noch ein den  Niedersachsen sehr vertrautes Symbol: das weiße Pferd. Und tatsächlich ist es mit dem unsrigen verwandt, jedenfalls wenn es rennt. Steht das Pferd einfach nur da, ist es etwas älter und kam wie die Wildpferde im New Forest mit den Sachsen in’s Land. Die Könige von Wessex,  also quasi Westsachsen, machten es zum Emblem von Kent.

Doch wenn das Pferd rennt,  handelt es sich tatsächlich um eine Anspielung auf das Wappen des Hauses von Hannover und geht auf das Jahr 1714 zurück, als Sophies Sohn George den englischen Thron bestieg. Das Niedersachsenross an britischen Pubs – wer hätte das gedacht! Und für alle, die sich vor einer Reise Gedanken wegen ihrer nicht allzu umfangreichen englischen Sprachkenntnisse machen: Man kann Großbritannien sogar regieren, ohne ein Wort Englisch zu sprechen, so wie es bei German Geordie der Fall gewesen sein soll.



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