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Dienstag, 11. Februar 2025
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Igelpost/KOZ 5/2025: Ewerts Deutung der Logik

Lässt sich eine schwarz-blau-braune Zusammenarbeit in der Zukunft mit Ewerts Gedankensprüngen begründen?

„Proteste gegen AfD und CDU? Was das bessere Mittel im Kampf gegen rechts wäre“ überschreibt NOZ-Chef-Kommentator Burkhard Ewert seinen am 7. Februar online erschienenen Kommentar, der bereits am Vortag in der Print-Ausgabe zu lesen war. Anlass genug für unsere Kleine Osnabrücker Zeitung (KOZ), einmal in Ewerts Gewässern zu fischen.


Dezente Samtpfoten und böllernde Sturmgeschütze

Im Gegensatz zu seinem Kollegen und „Chef vom Dienst“ Michael Clasen, der seine cholerisch anmutenden Wutausbrüche gegen Rot-Grüne mit infernalischen Sturmgeschützen absolviert und laut dröhnend damit ballert, tänzelt Burkhard Ewert scheinbar mit Samtpfoten auf der völlig identischen Spur. Eingeläutet wird alles mit dem sympathisch klingenden Bekenntnis, einmal zurückgelehnt „distanzierter auf den Berliner Betrieb“ zu blicken. Garniert wird alles mit der freundlich klingenden Selbstverpflichtung „Ich möchte Ihnen gar nicht sagen, was Sie davon halten sollen“. Ach, das ist aber nett und so großzügig.

Geschrieben hat er allerdings offenkundig alles Folgende, um den Rest des Kommentars exakt für das Gegenteil zu nutzen: Für eine knallharte Parteinahme gegen alles, was in der Republik auch nur in Ansätzen rot oder grün denkt.

Allein der folgende Wortlaut spricht Bände von der harmlos anmutenden Methode Ewert: „Rot-Grün bläst zum Lagerwahlkampf gegen rechts, wo sie nach der AfD nun auch die Union final verorten, weil der Oppositionsführer die Regierungsparteien auf einen anderen Umgang mit der Zuwanderung hatte einschwören wollen.“

Wie bitte? Bei den Unions-AfD-Bekenntnissen im Bundestag ging es in Wahrheit nicht um einen „anderen Umgang mit der Zuwanderung“, sondern schlichtweg um ein Ende des Grundrechts auf Asyl, um eine Kündigung des EU-Asylkompromisses, um die Beerdigung des Schengener Abkommens von 1985 und somit um eine Provokation demokratischer Regierungen Europas. Verkleidet war alles in ein sogenanntes „Zustrombegrenzungsgesetz“.

Wer hat sich diesen unseligen Titel ausgedacht? Allein die Wortwahl setzt verzweifelte Menschen auf der Flucht mit einer Naturkatastrophe gleich. Sollen Deutsche an „Überflutung“ oder gar an einen „Tsunami“ denken? Und das soll etwa nicht rechts sein?


Ewert statt Archimedes

Es folgt Mathematik. Und zwar nicht etwa nach Pythagoras oder Archimedes, sondern nach der speziellen Ewert-Mengenlehre: „Etwa viermal mehr Deutsche nennen Migration/Integration als das drängendste Problem des Landes im Unterschied zur Sorge vor einem Rechtsdrall, weiß zum Beispiel die Forschungsgruppe Wahlen.“

Ganz unabhängig davon, dass die seriöse Forschungsgruppe Wahlen ohne jeden Beleg für Ewerts Logik herhalten soll. Der NOZ-Chefkommentator deutet jene Zahl von Menschen, die Migration und Integration als zu lösende politische Aufgabe sehen, schlichtweg als analoges Votum dafür, keinerlei Gefahr bei Bündnissen der Union mit den Blau-Braunen zu sehen. Hätte Ewert nicht gleich schreiben sollen: Für 75% der Wahlberechtigten ist eine Zusammenarbeit von Demokraten mit der AfD völlig okay? Verspeisen jetzt alle Menschen automatisch Sauerkraut, weil sie Rot- und Grünkohl verschmähen?


Geschichtsstunde demagogischer Lesart

Es ist der altbekannte Stil von Demagogen: Man stelle politische Gegner derart irre und verzerrt dar, dass dies im Publikum als Wahrheit empfunden wird und es zum Kinderspiel wird, die irren Pappkameraden vom Tisch zu pusten. Motto: „Du hast vorgeschlagen, spazieren zu gehen. Es könnte aber tüchtig regnen, Orkane könnten wüten. Ich finde es irrsinnig, dass du vorschlägst, draußen bei furchtbarem Unwetter spazieren zu gehen und unser Leben zu riskieren.“

Bei Ewert klingt diese Methode im Originalton so:

„Historische Vergleiche sind immer schwierig, welche mit Weimar allemal. Glaubt jemand ernsthaft, er könnte zwei komplexe gesellschaftlichen Lagebilder mit 100 Jahren Abstand dazwischen seriös in Verbindung setzen? Ich hielte das für Effekthascherei. Möglich sogar, dass jemand durcheinandergerät, was genau verglichen wird, wenn derzeit Demonstrationszüge im Dunkeln gegen Oppositionsparteien aufmarschieren und vermummte Horden Büros demokratischer Regierungsgegner beschädigen.“

Kurzum: Nichts ist angeblich ähnlich wie vor der Machtübergabe an Hitler 1933. Oder gibt es gar doch insgeheim Parallelen, wenn „vermummte Horden Büros demokratischer Regierungsgegner beschädigen“? Ganz unabhängig von der völlig verzerrten Darstellung der hunderttausendfachen Proteste gegen den Merz-Kurs: Schon vergessen?

Es war vor 1933 ein gewisser Zentrums-Politiker namens Konrad Adenauer, der offen eine Koalition mit den Nationalsozialisten forderte. Ex-Kanzler Franz von Papen, ein Mann aus Zentrums-Reihen, setzte die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 durch, um selbst zum Vizekanzler zu werden. Die Zentrumspartei, die damals tonangebende Christdemokratie, stimmte am 24. März 1933 Hitlers Ermächtigungsgesetz ebenso freudig-wuchtig zu wie Deutschlands Liberale um den späteren Bundespräsidenten Theodor Heuß. Und das alles ist pure Geschichte, an die gar nicht erst erinnert werden soll, die nun gar nichts mit heute zu tun hat?


Pappkameraden und fragwürdige Kronzeugen

Egal. Ewert setzt seinen Weg, Pappkameraden aufzubauen, um sie danach locker umzupusten, jedenfalls akribisch fort. Die Unions-Position zur Asylpolitik entspricht laut Ewert „in weiten Teilen dem, was die Ministerpräsidenten aller deutschen Länder am 25. Oktober 2024 einstimmig beschlossen haben, inklusive der Vertreter von Grünen und Linken.“ Geht es noch?

Niemals haben rote oder grüne Landesregierungen dafür gestimmt, die Staatsgrenzen lückenlos abzuschotten und das EU-Schengen-Abkommen freier Grenzen fortan zur Historie zu erklären. Niemals erklärten die demokratischen Gegner der Unionsparteien das Asylrecht – das jene allenfalls noch Geflüchteten auf Flughäfen oder Schlauchbooten auf Nord- und Ostsee zugestehen – für nicht mehr existent. Niemals gab es ein Ja zur Union-AfD-Position, Familienzusammenführung fortan zu verbieten und Ehefrauen und Kinder ohne Väter weiterleben zu lassen. Darf man von sauberem Journalismus nicht auch einmal verlangen, zumindest Fakten richtig darzustellen, ehe die eigene Position durchgehämmert wird?

Welche Bündnisvisionen Ewert verfolgt, darf man am Ende bei seinen folgenden Ausführungen erahnen.

„Wäre Deutschland in der EU isoliert?“, fragt er, um so fortzufahren: „Eher ist es so, dass Deutschland bis dato einen Sonderweg fährt. Mit einem schärferen Kurs würde es sich einfügen. Die Niederlande, Ungarn, Polen, neuerdings Belgien, Italien, Dänemark, Österreich, Slowenien, Frankreich, Schweden und andere Länder dürften eher erleichtert sein.“

Nur zur Erinnerung an Fakten: In Österreich schickt sich Postfaschist Hickel derzeit an, mit Hilfe christdemokratischer Koalitionspartner „Volkskanzler“ zu werden. In Belgien wurde soeben ein Postfaschist mit Hilfe Konservativer und Liberaler Ministerpräsident, in Italien regiert Mussolini-Fan Meloni bereits im Bündnis mit der italienischen CDU-Schwesterpartei „Forza Italia“. In Schweden gibt es ebenfalls ein mit den „Schwedendemokraten“ tiefbraun angehauchtes Regierungsbündnis inklusive der dortigen Konservativen, Liberalen und Christdemokraten.

Nennt Ewert diese Beispiele nur zufällig und unbedacht?  Falls ja, wäre im Himmel Jahrmarkt und Ostern wie Weihnachten lassen sich fortan an einem Tag feiern.


Schwarz-Blau-Braun und die Gesetze der Logik

Worauf Ewert Absatz für Absatz hinaus will, wird endgültig am Schluss klar. Originalton: „Urteilen Sie selbst, wie glaubwürdig und sinnvoll es ist, dass die Union die lupenreine Abgrenzung zur AfD für die Zeit nach der Wahl verspricht, jetzt aber in gewisser Hinsicht davon abwich. Wenn Merz sagt, das Richtige werde nicht falsch, weil die Falschen zustimmen – warum glaubt er daran dann nicht auch nach der Wahl? Merz hat hier in meinen Augen ein Logik-Problem.“

Richtig gelesen?
Notfalls sollte man es auswendig lernen.

Im Klartext: Die Kooperation von Merz, der FDP und den Wagenknechten mit der AfD war, wenn sie denn „logisch“ war, die Steilvorlage für neue Bündnisse mit der gleichen Logik. Schon Ewerts Mann fürs Grobe, Michael Clasen, hatte ja kürzlich gefordert, mit dem „Merkeln“ und „Scholzen“ müsse es ein Ende haben, denn Deutschlands Mehrheit wolle einen Wechsel.

Machen wir ein Ende. Was lehren uns Ewert und Clasen?

Offener kann man eine schwarz-blau-braune Zusammenarbeit nicht herbeischreiben. Was sagen dazu eigentlich die vielen aufrechten und demokratischen NOZ-Kolleg*innen?

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