„PlasTickst du noch ganz richtig?“, fragt Dr. Tobias Romberg in seiner Rubrik „bedenklich“ …

Ich habe vor vielen Jahren mit Schülerinnen und Schülern das Projekt „Plastiktütenfreies Osnabrück“ ins Leben gerufen. Uns war es wichtig, etwas im Lokalen für den Klimaschutz zu tun. Wir erkannten schnell, dass Plastiktüten überflüssig sind. Wir sahen, dass es bereits Alternativen gab. Und wir spürten, dass jeder Einzelne etwas tun kann. Also krempelten wir die Ärmel hoch.

Wir zeichneten in den folgenden Jahren mehr als hundert Geschäfte mit unserem Emblem „Plastiktütenfreies Geschäft“ aus, gewannen Oberbürgermeister Wolfgang Griesert als Schirmherren, starteten Kampagnen, tauschten Plastiktüten gegen Jutebeutel und hatten Spaß. Und wir diskutierten und lernten dazu, zum Beispiel einiges über die schlechte Ökobilanz der Plastiktüten mitsamt „Kollateralschäden“:

Verbraucherzentrale
Bundesumweltministerium
Deutsche Umwelthilfe

Es gibt auch Studien, die die Alternativen, insbesondere Papiertüte und Jutebeutel, (zurecht) madig machen. So ist das nun mal im Leben und im Klimaschutz. Es gibt keine perfekte Lösung. Alles hat Vor- und Nachteile. Mir wäre es ohnehin am liebsten, wenn die Leute ihre Einkäufe in Körben oder Rucksäcken nach Hause tragen würden. Letztlich war uns damals wichtig, dass wir alle Alternativen zur Plastiktüte aufzeigen – auch, um ein Zeichen gegen diesen generellen Verpackungsirrsinn zu setzen. Die Plastiktüte steht ohnehin exemplarisch für so vieles, was man immer wieder ansprechen sollte: Kampf gegen den inneren Schweinehund, unsere Wegwerfgesellschaft und unser unbedachter Alltagskonsum.

Es gibt mittlerweile viele Staaten, die Plastiktüten verboten oder zumindest den Import untersagt oder hohe Gebühren angesetzt haben:
Zeit 09/2019
i
n Deutschland ist 2022 Schluss, natürlich und wie immer mit Ausnahmen:
Zeit 11/2020

Und dennoch oder trotzdem halten einige Geschäfte offenbar bis zum bitteren Ende an den Plastiktüten fest. Im Allfrisch in der Innenstadt oder in Edeka-Filialen stapeln sich im Kassenbereich die Tüten. Auch in anderen Geschäften wandern sie noch über den Verkaufstresen.

Ich finde es unfassbar ignorant, dass diese Geschäfte immer noch an Plastiktüten festhalten, während mittlerweile fast jedes Kind in der Grundschule lernt, dass das Schmu ist. Ich frage mich, an was sich solche Unternehmer noch so festklammern. Und dann stelle ich mir vor, wie die Filialleiterin an Nikolaus ihren Mitarbeitern noch einige der mittlerweile verbotenen „alten“ Glühlampen verschmitzt lächelnd in den Stiefel steckt. Oder wie der Abteilungsleiter mit gönnendem Blick und sattem Schulterklopfen einem Kassierer, der Geburtstag hat, ein uraltes Deo mit noch ordentlich FCKW-Kawumms überreicht. Oder wie die Bosse dieser Unternehmen ihre Dieselkarosse in weiser Voraussicht gleich dreimal bestellt haben und horten, um in ihrem Leben bloß nicht mit Schweinereien wie Elektro- oder Wasserstoffautos in Berührung zu kommen. Irgendwann bin ich gedanklich auch bei Loriots Atomkraftwerk für zu Hause. Ach, lassen wir das …

Am Ende sind es ja nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Verbraucher, die etwas ändern können. Und ich will mich da nicht auf ein allzu hohes Ross schwingen. Zum einen ist meine eigene Ökobilanz überhaupt nicht gut, zum anderen ist die Plastiktüte auch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Aber offenbar ist es einigen Unternehmen (und Verbrauchern) schon zu viel, einen einzigen Tropfen aus ihrer Wasserstelle zu holen, um ein Zeichen gegen die Klimakrise zu setzen. Das macht mich skeptisch, wenn man auf die ganz großen, uns bevorstehenden Herausforderungen des Klimawandels blickt. Wahrscheinlich wird es nur mit Verboten, mit klaren Vorgaben des Staates gehen …

spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
Follow by Email
Facebook
Youtube
Youtube
Instagram
Spotify