„Die Villa_Forum Erinnerungskultur und Zeitgeschichte“
Wie gelingt eine offene Gesellschaft? Was machen Fremdenhass und Diskriminierungen aller Art mit unserer Demokratie? Und wie hilft ein klarer Blick zurück auf die Geschichte dabei, Demokratie heute zu stärken?
Vielfältige Antworten auf solch grundlegende Fragen des Zusammenlebens und des gesellschaftlichen Zusammenhalts ermöglicht zukünftig „Die Villa_Forum Erinnerungskultur und Zeitgeschichte“ im Museumsquartier Osnabrück.
Oberbürgermeisterin Katharina Pötter eröffnet „Die Villa_“ am Sonntag, 15. September um 11.30 Uhr. Die Festreden halten der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Stephan Harbarth und der Direktor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung, Prof. Dr. Thomas Lindenberger. Das öffentliche Rahmenprogramm mit Führungen und Stadtrundgängen startet um 13 Uhr.
Debattenraum und demokratische Ideenschmiede
„Die Villa_“ versteht sich als Debatten-Raum, als ein Ort, in dem Ideen entstehen, wie die Demokratie gestärkt werden kann. Ausgangspunkt ist eine neu konzipierte, kritische Dauerausstellung über die Zeit des Nationalsozialismus und zum Leben und Wirken des Osnabrücker Juristen Hans Georg Calmeyer. Er hat während des Nationalsozialismus Juden gerettet, sich zugleich jedoch am NS-Terror mitschuldig gemacht. Diese Ambivalenz gibt der „Villa_“ ihre inhaltliche Orientierung.
Führungen, Workshops, Beteiligungsprojekte
Ausgehend vom menschlichen Handeln stellen sich Fragen: Wie verhielten sich Menschen in der nationalsozialistischen Gesellschaft? Welche Handlungsspielräume hatten sie? Welche Formen des Widerstands gab es? Und: Was bedeutet das für heute? Was tun wir heute für unsere Gesellschaft? Diese Themen greift „Die Villa_“ mit einem umfassenden Begleitprogramm aus Führungen, Workshops, Beteiligungsprojekten, Vorträgen, Literatur- und Filmreihen auf. Zum Konzept der „Villa_“ gehört eine klare Haltung: Debatten sollen hier offen und kritisch geführt, Meinungen ausgetauscht und Ideen formuliert werden, die alle gesellschaftlichen Gruppen gemeinsam tragen können.
Geschichte als Täterort
Das klare Bekenntnis zur Demokratieförderung ergibt sich auch aus dem Standort des neuen Angebots im Museumsquartier Osnabrück: „Die Villa_“ blickt als einstiger Sitz der Osnabrücker NSDAP auf eine Geschichte als Täterort zurück und war lange als „braunes Haus“ bekannt. Heute thematisiert „Die Villa_“ Neo-Nationalsozialismus und Rechtsextremismus und tritt mit ihrem Programm auch der Desinformation entgegen, die Rechtsextreme nutzen, um unsere Gesellschaft zu destabilisieren.
Angebote für junge Menschen
Besonders wichtig sind daher die Angebote der „Villa_“ für Jugendliche. Zum museumspädagogischen Angebote gehören Workshops für junge Menschen ab 15 Jahren. Sie greifen die Geschichte des Hauses und die Ausstellungsthemen auf und behandeln unter anderem Themen wie „Formen der Diskriminierung“, „Zivilcourage“ und „Verantwortung und Täterschaft“. Zusätzlich werden Stadtrundgänge zur nationalsozialistische Geschichte angeboten.
Calmeyer als ambivalenter Akteur
Über Hans Georg Calmeyer: Der Osnabrücker Jurist Hans Georg Calmeyer, war von 1941 bis 1944, während der deutschen Okkupation der Niederlande, Teil der deutschen Besatzungsverwaltung. Dort verantwortete er das Überleben, aber auch den Tod in den Niederlanden lebender Juden und Jüdinnen. Er entschied in „rassischen Zweifelsfällen“ über den Status „Arier“ oder „Jude“ und „Halbjude“. Davon hing das Leben der Betroffenen ab. Knapp 3.000 Verfolgte gelangten auf die „Calmeyer-Liste“ und entgingen so der Deportation. Er hat Juden gerettet, sich jedoch zugleich am NS-Terror mitschuldig gemacht. Calmeyers politische, ethische und persönliche Motive lassen sich nicht abschließend bewerten.