Montag, 11. November 2024

Krisen und Kampfzonen – Die Preisträger des diesjährigen Filmfests Osnabrück

Der Film „Intercepted“ (dt. „Abgefangen“), eine kanadisch-französisch-ukrainische Koproduktion, ist der Gewinner des diesjährigen Friedensfilmpreises Osnabrück.

Unaufgeregt dokumentiert Oksana Karpovych die Verheerungen des Kriegs in der Ukraine, die Leiden der Menschen. Ihren ruhigen Bildern unterlegt sie Telefongespräche russischer Soldaten, die auf ukrainischer Seite abgehört und mitgeschnitten wurden. Es fallen verstörende Sätze, Bekenntnisse von Gräueltaten, aber auch Zweifel am Sinn dieses Krieges, die auf der russischen Seite voller Überzeugung mit den Propagandalügen des Putin-Regimes beantwortet werden.

Oksana Karpovych wurde in Kiew geboren, studierte dort Kulturwissenschaften und im Anschluss Filmproduktion im kanadischen Montreal. Ihr erster abendfüllender Film „Don’t Worry, the Doors Will Open“, ebenfalls eine Langzeitbeobachtung, entstand 2019 und wurde auf vielen Festival aufgeführt. Nach dem russischen Überfall auf ihr Heimatland betreute Oksana Karpovych internationale Reporterteams und erlebte hautnah das Kampfgeschehen und dessen Folgen.

Der von der Dieter-Fuchs-Stiftung mit 15.000 Euro ausgestattete Preis wurde am Samstag im Rahmen des Filmfests Osnabrück vergeben. Die Entscheidung traf eine unabhängige dreiköpfige Jury, in diesem Jahr bestehend aus der iranischen Filmemacherin und bildenden Künstlerin Sarvnaz Alambeigi sowie der Kuratorin Katharina Franck von der Cinémathèque Leipzig. Mit dem in Berlin lebenden und arbeitenden gebürtigen Argentinier Lautaro Colace war die Berufsgruppe der Cutter im Gremium vertreten.

In der Begründung der Jury heißt es unter anderem: „Wie die zerbrochenen Fensterscheiben von Gebäuden in einem Kriegsgebiet gibt der Film, den wir ausgewählt haben, einen einzigartigen Einblick in die Komplexität und das Innenleben der Menschen, die von Invasion und Krieg betroffen sind. Während er einen sehr aktuellen Konflikt zeigt, offenbart er auch eine universelle Wahrheit über die Menschheit. Durch die Kombination von fesselnden Bildern und erschreckendem Ton wird die entmenschlichende Natur des Krieges sowohl für die Opfer als auch für die Angreifer deutlich.“

Das Publikum des Filmfests Osnabrück vergab per Abstimmung den Preis für den besten Kurzfilm und entschied ähnlich wie die Friedensfilm-Jury. Der vom Studierendenrat der Universität Osnabrück gestiftete und mit 500 Euro dotierte Preis geht an Joshua Neubert. Sein Beitrag „Granica“, polnisch für Grenze, entstand als studentisches Projekt an der Filmakademie Baden-Württemberg. Neubert erzählt von einer polnischen Hausfrau, die mit ihrem Mann nahe der belarussischen Grenze wohnt. Ein geschwächter, kraftloser Mann klopft an ihr Fenster, bittet um ein Glas Wasser. Wie sich herausstellt, ist er schwer verletzt. Der alarmierte Notdienst verweigert jede Hilfe. Die Sanitäter würden sich strafbar machen …

„Granica“ wurde im Kurzfilmprogramm mit dem Titel „(Un)versehrt“ gezeigt. Mit „(Un)versöhnt“ gab es ein Programm, das ausschließlich dem filmischen Nachwuchs vorbehalten war. Das Saalpublikum votierte für „Entropy“, eine Komödie über Verwirrungen während des Online-Unterrichts. Das Regieteam Bamdad Aghajani und Arian Navabi darf sich über ein Preisgeld in Höhe von 700 Euro freuen, das vom Marketing Osnabrück bereitgestellt wurde. Bamdad Aghajani, studiert Filmregie in Teheran und Rom, war zur Aufführung nach Osnabrück gekommen und konnte den Preis persönlich entgegennehmen.

Rosalie Schnellenberg, Simon Groene und Lena Meineke bildeten in diesem Jahr die Jugendjury des Festivals, die den Filmpreis für Kinderrechte vergibt. Die Drei entschieden sich für „Paradise Is Burning“, eine skandinavisch-italienische Koproduktion über drei Mädchen, die ihren Alltag ohne Mutter bewältigen und einen pfiffigen Plan aushecken, um den Maßnahmen des Sozialamts zu entgehen. Die Stadt Osnabrück stiftet für diesen Preis 2.000 Euro, die stellvertretend für alle Beteiligten von Bianca Delbravo, der Darstellerin der sechzehnjährigen Laura, entgegengenommen wurden. Bianca Delbravo ist selbst bereits Preisträgerin: Beim portugiesischen Lisbon & Estoril Film Festival wurde sie 2023 für ihre schauspielerische Leistung ausgezeichnet.

Das Filmfest Osnabrück endete am 6. Oktober mit der Aufführung von Andrea Arnolds Jugenddrama „Bird“ um 20 Uhr im Filmtheater Hasetor. Zuvor wurden um 15:00 Uhr im Filmtheater Hasetor der Friedensfilmpreis-Gewinner „Interception“ und um 17:30 Uhr in der Lagerhalle der Gewinner des Filmpreises für Kinderrechte wiederholt. Beide Publikumspreisgewinner waren als Vorfilme zu sehen.

Weiteres Infos unter: www.filmfest-osnabrueck.de/

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