KI und Kreativität – ein Podiumsgespräch im Rahmen des 39. Filmfests Osnabrück

Am Mittwochabend fand im Blue Note (Cinema Arthouse) in Kooperation mit dem mik (Museum Industriekultur) ein Podiumsgespräch unter der Fragestellung „Kann KI Kreativität und am Ende sogar den Schauspieler, den Komponisten, den Musiker oder die Künstlerin ersetzen?“

Julia Scheck, Festivalleitung und Dr. Vera Hierholzer, Leitung mik begrüßten als Diskussionsgäste Autorin und Übersetzerin Isabel Cole, Filmproduzent Radek Wegrzyn, Professor Sascha Wienhausen vom Institut für Musik der Hochschule Osnabrück und als Moderatorin Dr. Tabea Golgath, Programmleitung von „LINK – KI und Kultur der Stiftung Niedersachsen“.

Zwischen dem ffOS und dem mik gibt es eine bereit fünf Jahre andauernde Kooperation und so ist es in diesem Jahr anlässlich der noch bis zum 17. November dauernden Ausstellung „Künstliche Intelligenz: Die letzte Erfindung der Menschheit?“ im Museum für Industriekultur zu einer weiteren fruchtbaren Zusammenarbeit unter anderem in Form dieser Veranstaltung gekommen.
Dr. Hierholzer betonte, dass es im Laufe der Jahrhunderte immer wieder enorme Umbrüche gegeben hat, z. B. im Zeitalter der Dampfmaschine, die vielen Menschen Ängste beschert hat, aber auch mit Hoffnungen verbunden waren und sind.
Osnabrück sei inzwischen ein Hotspot für KI und digitale Entwicklungen, an denen maßgeblich Hochschule, Universität und diverse Stiftungen und Startups beteiligt sind.

Um den aktuellen Anwendungsstand von KI zu demonstrieren, wurden reihum einzelne Projekte aus den Bereichen Musik, Text und Film präsentiert.

Prof. Wienhausen ließ eine Gute-Laune-Schlagerkomposition, in der nach seiner Vorgabe alle Themen des Abends vorkommen sollten (sie kamen alle vor), vorspielen. Nach seiner Information ist inzwischen im asiatischen Raum 50% der dortigen Popmusik KI-generiert.
KI ist selbstverständlich auch Thema im Institut für Musik. Nach Wienhausens These, verschwindet durch die Anwendung von KI und der anschließenden Bearbeitung des Ergebnisses die „Angst vor dem weißen Blatt Papier“ beim Komponieren.
Allerdings lebe Musik von der Improvisation und der Interaktion mit dem Publikum, Live-Musik dürfte in Zukunft wichtiger werden.

Frau Cole zeigte als Beispiel einen Text (eine kleine Geschichte), den eine KI-Software sich auf Grundlage einer privaten Verkaufsanzeige von neuen Babyschuhen „ausgedacht“ hat.
Sie sieht den Einsatz von KI, sofern keine Kennzeichnung erfolgt, sehr kritisch, auch im Hinblick auf die Marktmacht einiger weniger, weltweit agierender Firmen, die KI-Software anbieten und befürchtet zukünftig eventuell eine Abhängigkeit von KI und Unübersehbarkeit durch Überschwemmung des Marktes mit KI-generierter Musik, Texten, Bildern.

Filmemacher und Produzent Wegrzyn wiederum hält die Verfügbarkeit von „KI-Programmen für alle“ für eine Demokratisierung der Produktionsmittel, da nun mit relativ geringem Kapitaleinsatz z. B. Filme erstellt werden können, die sonst nur von größeren Studios zu finanzieren wären.
Als Demonstration zeigte er den Zuschauerinnen und Zuschauern einen rein von KI generierten kurzen „Wohlfühlfilm“, der bei herkömmlicher Herstellung ein Vielfaches gekostet hätte.
Er sieht KI als Werkzeug, die den Anwender*innen aber das Denken nicht abnimmt, da von KI generierte Bilder, Texte, Musik nur auf Vergangenem, bereits Vorhandenem beruhen. Neues erschaffen muss der Mensch selbst durch seine Kreativität.

Er stellte die Frage in den Raum, woran der Wert eines Werkes gemessen werden kann, wenn es eine Schwemme von Ähnlichem gibt und letztlich jede / jeder es generieren kann. An der Emotionalität, die etwas hervorruft?
Und ja, zweifellos wären verschiedene Berufsgruppen von den KI-Einsatzmöglichkeiten betroffen, es wird Veränderungen geben; trotzdem sollte ein souveräner Umgang mit KI erlernt werden, um Ängste abzubauen und diese Technologie zu nutzen.

Autorin Cole nahm jedoch noch weitere Kritikpunkte in Fokus, und zwar: Was ist mit dem Trainingsmaterial, das urheberrechtlich geschützt ist? Was mit den KI-Ergebnissen, die nicht urheberrechtlich geschützt werden können, sofern sie nicht noch einmal von einem Menschen überarbeitet werden? Was ist mit einer verpflichtenden Kennzeichnung von reinen KI-Ergebnissen? Auch sei bekannt, dass KI durch das ausschließliche Nutzen von historischen Daten nie besser werden kann, als das Material, auf dem sie trainiert wird. Frau Cole wünscht sich eine EU-weite KI-Strategie, um unabhängig zu sein vom Weltmarkt und um die Menschen zu schützen und zu unterstützen.

Aus dem Publikum kamen im Anschluss an die Experten-Gesprächsrunde noch Anmerkungen zum enormen Energieverbrauch der Server für die benötigte Rechenleistung von KI-Programmen und zum Urheberecht.
Letztlich waren 90 Minuten viel zu kurz, um in eine tiefere Diskussion einzusteigen, aber es war interessant zu sehen und zu hören, wie weit die Entwicklung von KI auch im kreativen Bereich bereits fortgeschritten ist.

Kommentar der Verfasserin: Eines dürfte klar sein – man kann die Zeit nicht zurückdrehen und die Entwicklung wird weiter voranschreiten. Und ja, KI ist faszinierend und auch wundervoll, vor allem im Bereich der Medizin und Wissenschaft (Stichwort „Mustererkennung“), aber wird die Einmaligkeit von menschlichem Schaffen nicht durch sie konterkariert? Was ist noch echt? Ist der Naturfilm, den ich gerade sehe, in einem Teil der Erde, den es wirklich gibt, entstanden oder fake? Die Unsicherheiten werden meiner Ansicht zunehmen.

Dass ein Schutz gewährt werden muss, hat allerdings auch die EU zusammen mit ihren Mitgliedsstaaten erkannt und arbeitet zur Zeit an entsprechenden Gesetzen. Hierzu gibt das Bundesministerium für Justiz Auskunft: www.bmj.de/SharedDocs/Downloads
Und: www.bmj.de/SharedDocs/Pressemitteilungen

Außerdem gibt es in der Mediathek des Senders Deutschlandfunk eine sehr interessante Sendung zu diesem Thema mit dem Titel „Corso Spezial – Aura against the machine (hat KI-Musik eine Seele), von Bernd Lechler“: www.deutschlandfunk.de/corso-spezial

 

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