von Niels Kropp, Theresa Wagner und Tim Zumloh

Podiumsgespräch am 16. September im Studierendenzentrum

Die vier Frauenstatuen auf der Schlossterrasse kennen wohl alle in Osnabrück. Wahrscheinlich wissen aber nur die wenigsten, wofür sie stehen. Die wenigsten wissen mehr über die deutsche oder die Osnabrücker Kolonialgeschichte und darüber, wie die Statuen mit ihr zusammenhängen. Um das zu ändern, findet am 16. September ein Aktionstag mit einem Podiumsgespräch im Schlossgarten statt.

Es handelt sich bei den Statuen um so genannte Erdteilallegorien. Die Statuen verkörpern die vier damals bekannten Kontinente Afrika, Amerika, Asien und Europa. In ihrer Darstellung dieser Kontinente stehen sie am Anfang einer langen Tradition des europäischen Kolonialismus und seiner rassistischen Vorstellungen: Sie gaben der vermeintlichen Überlegenheit der vernunftbegabten europäischen Bevölkerung gegenüber einer als ‚wild‘ und ‚exotisch‘ verstandenen afrikanischen oder amerikanischen Bevölkerung ein Bild.


Genauer hinsehen – Die rassistische Botschaft der Statuen

Erbaut hat die  Erdteilallegorien wahrscheinlich Johann Christoph Manskirsch um das Jahr 1740. Ihren Platz vor dem Schloss, das 1673 fertiggestellt wurde, erhielten die Erdteilallegorien erst später, im Jahr 1965.

Die Figur ganz links steht für „Europa“. Ihr Gewand verweist auf die antike römische Toga – und damit auf das Römische Reich als einen imperial agierenden Vorgänger. Ausgestattet wurde „Europa“ mit weiteren Herrschaftszeichen: einem Schild in ihrer rechten Hand und einer Krone zu ihren Füßen. Die auf Exotik ausgelegte Darstellung „Afrikas“, zweite von links, ist hingegen fast nackt und trägt einfache Attribute wie Haarschmuck und Armreif. Der Figur wurde ein Löwe beigefügt, der sie weiter in den Kontext von ‚Wildnis‘ rückt. Ähnlich dargestellt wird „Amerika“: Viel nackte Haut, Federschmuck, Pfeil und Bogen dienen als Attribute der ‚Wildheit‘ und verweisen auf eine kämpferische Stärke. In der Darstellung „Asiens“ spiegelt sich die europäische Vorstellung von Asien als einem Kontinent von großem Reichtum. Dafür spricht die Ausstattung der Statue mit großen, wertigen Stoffbahnen und einem Turban. In ihrer rechten Hand hält die Figur ein Rauchgefäß, das auf Religiosität und die Bedeutung des Handels verweist.

Der Künstler Manskirsch schuf mit dieser für die Zeit typischen Darstellung der Erdteile einen Kontrast: „Afrika“ und „Amerika“ wurden in den Kontext ‚Wildnis‘ gerückt. Anders verhält es sich mit den Bildnissen Europas und Asiens. Doch auch zwischen „Europa“ und „Asien“ gibt es noch einen Unterschied: Nur „Europa“ wirkt in der Lage, eine Ausdehnung der Herrschaft vorzunehmen. „Asien“ scheint sich mit der Welt des Spirituellen und des Handels zu begnügen. Die Botschaft: Europa vertritt zu Recht einen Herrschaftsanspruch, der über die Beherrschung der Natur hinausgeht – eine Herrschaft über Menschen. Der spätere Kolonialismus wird diese Vorstellung umsetzen.


Erinnern – die Kolonialzeit in Osnabrück

Auch Osnabrück hat eine Kolonialgeschichte. Osnabrückerinnen und Osnabrücker beteiligten sich am Sklavenhandel und am Handel mit Kolonialwaren. Unternehmen und Stadtbevölkerung profitierten von den neuen Konsummöglichkeiten in den Kolonialwarenhandlungen. Zwischen 1876 und 1912 – ungefähr die Hauptphase des deutschen Kolonialismus – stieg die Zahl der Kolonialwarenhandlungen in Osnabrück von 71 auf 169. Osnabrücker Vereine und Initiativen inszenierten das deutsche Weltmachtstreben auch vor Ort. Öffentlicher Tiefpunkt war die Kolonialausstellung 1913 in der Stadthalle. Unter großem Andrang wurde eine aus dem Kolonialgebiet verschleppte Familie vorgeführt, dazu waren aufgespießte Sklavenschädel zu sehen. Auch ganz offiziell beteiligte sich die Stadt an der Kolonialpropaganda, unterstützte den „Centralverein für Handelsgeographie“ zur Förderung vermeintlich deutscher Interessen im Ausland.


Den kolonialen Blick verlernen – eine Einordnung ist notwendig

Die Botschaft der Überlegenheit Europas war immer falsch. Auch wenn die Statuen deutlich vor der Hauptphase des deutschen Kolonialismus geschaffen wurden, so war es doch diese Überlegenheitsvorstellung, die zu einer Rechtfertigung kolonialer Gewalt wurde. Dieser auch von Deutschland und Osnabrück ausgehenden Gewalt des Kolonialismus wird in der Stadt nicht angemessen gedacht. Das Schloss, die Schlossterrasse und der Schlossgarten als zentrale Orte des Erinnerns, der Repräsentation und des Zusammenkommens von Menschen sind sehr gut geeignet, hier einen Anfang zu machen. Dafür sollten die Frauenstatuen kritisch kommentiert und in den größeren Zusammenhang der Geschichte des europäischen Kolonialismus und Rassismus eingeordnet werden. Neben einer entsprechenden Hinweistafel könnten Online-Angebote, wie sie in Ansätzen durch das Museumsquartier[1] bereits[2] geschaffen[3] wurden, ein umfassenderes Bild geben. Diese Einordnung sollte zudem Teil sein der umfassenderen[4] Auseinandersetzung[5] mit Geschichte und Gegenwart kolonialrassistischen Denkens und Handelns, wie sie seit einigen Jahren bereits geführt wird.


Decolonize Osnabrück (?!) – Podiumsgespräch am 16. September

Um die Möglichkeiten eines angemessenen Umgangs mit der deutschen und Osnabrücker Kolonialgeschichte sowie den Statuen zu diskutieren, organisieren der Exil e.V., die Seebrücke Osnabrück und Fridays For Future Osnabrück im Rahmen des Programms 375 Jahre Westfälischer Friede am 16. September um 19:00 im Studierendenzentrum, Kolpingstraße 1a, ein Podiumsgespräch[6]. Zu Gast sind Osée N’tcha, Suy Lan Hopmann und Patrica Heller, die Moderation wird Laura Igelbrink übernehmen.




[1] Link hinterlegen: https://www.museumsquartier-osnabrueck.de/veranstaltung/osnabrueck-post-kolonial-eine-spurensuche/

[2] Link: https://www.museumsquartier-osnabrueck.de/ausstellung/29-sie-wollen-nicht-mohren-heissen/  

[3] https://www.museumsquartier-osnabrueck.de/ausstellung/30-true-born-osnabrughs-osnabruecker-stoffe-zu-sklavenhosen/

[4] Link hinterlegen: https://taz.de/Historiker-zu-Kolonialismus-in-Osnabrueck/!5838427/

[5] Link hinterlegen: https://hvos.hypotheses.org/6146

[6] https://erleben.osnabrueck.de/de/aktuelle-veranstaltungen/decolonize-osnabrueck/