Jüdisches Kulturfestival Osnabrück vom 4. bis 7. September
Von Mascha Kaléko und Anne Frank bis Leon de Winter, Hella und Sandra Rottenberg und Assaf Gavron – das Jüdische Kulturfestival Osnabrück vom 4. bis 7. September 2025 präsentiert vielfältige Perspektiven auf jüdische Geschichte und Gegenwart.
Internationale Stimmen, vielfältige Themen: Das erste Jüdische Kulturfestival in Osnabrück vom 4. bis 7. September bringt Autorinnen und Autoren von Weltrang auf die Bühne – darunter der niederländische Bestsellerautor Leon de Winter, der israelische Schriftsteller Assaf Gavron sowie Hella und Sandra Rottenberg aus Amsterdam. Für junge Leserinnen und Leser gibt es ein Bilderbuchkino mit Texten von Mascha Kaléko und Werkstattgespräche über Anne Frank – und Peter van Pels, den Jungen aus Osnabrück, in den Anne heimlich verliebt war.
„Das jüdische Volk blickt mit der Bibel als erstem geschriebenen Buch auf eine einzigartige Tradition zurück. Bücher sind für uns mehr als Geschichten – sie bewahren Erinnerung und Identität und schlagen Brücken zwischen Kulturen und Generationen. Diese besondere Beziehung zum Wort prägt auch unser Festivalprogramm. Besonders am Herzen liegen uns Kinder und Jugendliche: Mit freiem Eintritt bis 18 Jahre wollen wir Leseförderung stärken und junge Menschen früh für Literatur begeistern“, erklärt Festival-Intendant Avi Toubiana. Weitere Informationen und Tickets gibt es online.
Mascha Kaléko: Erzählende Poesie für Kinder und Jugendliche
Das Bilderbuchkino lädt Kinder ab sieben Jahren ein, Mascha Kalékos feinsinnige Texte und ihre bewegte Lebensgeschichte zu entdecken Die jüdische Dichterin gehört zu den großen lyrischen Stimmen des 20. Jahrhunderts. Ihre schlichte, klare Sprache verbindet Melancholie und Wärme – Texte, die Kinder ebenso berühren wie Erwachsene. (Fr., 5. Sept., 9–10 Uhr, Cinema Arthouse)
Anne Frank und Osnabrück: Begegnungen mit ihrem Leben und Tagebuch
Zwei Veranstaltungen widmen sich Anne Frank, die vor 80 Jahren im KZ Bergen-Belsen starb und deren Tagebuch zum Weltbestseller wurde. Im ersten Teil spricht Autor Thomas Sparr mit Jugendlichen ab 13 Jahren über die Frage „Wer war Anne Frank?“. Annes Geschichte ist eng mit Osnabrück verbunden: Peter, in den sie heimlich verliebt war, stammte aus einer Osnabrücker Familie. Gemein-sam mit den van Pels tauchten die Franks im Sommer 1942 in Amsterdam unter, dem Ort ihres Exils. Zwei Jahre lang lebten acht Menschen auf engstem Raum versteckt vor den nationalsozialistischen Besatzern, bis ihr Versteck aufflog, sie verhaftet und deportiert wurden (Fr., 5. Sept., 10–11 Uhr, Cinema Arthouse)
Im zweiten Teil stellt Thomas Sparr mit Jugendlichen ab 15 Jahren seine Biographie des Tagebuchs der Anne Frank vor: „Ich will fortleben auch nach meinem Tod“. Anne wollte Schriftstellerin werden; ihr Vater Otto Frank, der als Einziger der Familie überlebte, machte die Veröffentlichung zu seiner Lebens-aufgabe. 1947 erschien „Het Achterhuis“ in den Niederlanden, 1950 die erste deutsche Ausgabe. Annes Tagebuch gehört inzwischen zu den meistgelesenen Büchern der Welt – und seine Wirkung ist bis heute ungebrochen. (Fr., 5. Sept., 13–14 Uhr, Cinema Arthouse)
Hella und Sandra Rottenberg: Enteignet und verschwiegen: Die Deutschen Zigarrenwerke und die ‚Arisierung‘ durch die Blase AG aus Lübbecke
Hella und Sandra Rottenberg erzählen in ihrem Buch die Geschichte, über die ihr Großvater Isay Rottenberg zeitlebens schwieg: wie er seine marktführenden Deutschen Zigarrenwerke in Sachsen durch die „Arisierung“ an die August Blase AG aus dem nahegelegenen Lübbecke verlor. Bis heute haben weder Blase noch die späteren Eigentümer diese Enteignung öffentlich thematisiert. Das Buch legt ein verdrängtes Stück regionaler Geschichte frei, das exemplarisch für die NS-Zeit steht: wirtschaftliche Enteignung, Verdrängung und jahrzehntelanges Schweigen – nur 20 Kilometer von Osnabrück entfernt. Volker Knickmeyer aus Minden, der seit Jahren die Geschichte der Blase AG erforscht und ein virtuelles Firmenmuseum aufgebaut hat, ergänzt die Lesung um eine lokalhistorische Perspektive. (Fr., 5. Sept., 15–16.30 Uhr, Felix-Nussbaum-Haus)
Leon de Winter: Ein literarischer Thriller zwischen Trauma und politischer Wirklichkeit – Autorengespräch über „Stadt der Hunde“
Nach fast zehn Jahren Pause meldet sich der internationale Bestsellerautor mit einem Roman zurück, der zwischen Amsterdam und Israel spielt und persön-liche Tragödien in einen größeren geopolitischen Kontext stellt. Stadt der Hunde verbindet eine berührende Vater-Tochter-Geschichte mit metaphysischen Themen. De Winter erzählt rasant, mit psychologischer Tiefe und lässt bewusst Leerstellen für eigene Deutungen. Sein Werk verknüpft intime menschliche Erfahrungen mit den großen politischen und moralischen Fragen unserer Zeit. (Fr., 5. Sept., 17–19 Uhr, Felix-Nussbaum-Haus)
Rabea Edel: Vergangenheit erinnern, Gegenwart begreifen
Die vielfach ausgezeichnete Autorin und Fotografin stellt mit dem Portrait meiner Mutter mit Geistern einen Roman vor, der familiäres Schweigen, jüdisches Exil und der Traumata literarisch erkundet. Edel verbindet Sprache mit visueller Sensibilität und schafft so einen sinnlichen, poetischen Text, der Erinnerung und das Unsagbare in vielstimmige Erzählformen fasst. (So., 7. Sept., 15–16.30 Uhr, Felix-Nussbaum-Haus)
Assaf Gavron: Literatur als Zukunftslabor: „Everybody be cool“
Assaf Gavron, einer der profiliertesten Autoren Israels, verbindet in Everybody be cool Utopie und Dystopie zu einer literarischen Reflexion über unsere Gegenwart. 2066 haben Umweltkatastrophen und rasante technologische Entwicklungen den Nahen Osten radikal verändert: Israel ist Teil eines Staatenverbunds mit Palästina, Jordanien, Syrien und dem Libanon, menschliche Arbeit ist fast überflüssig, Wohlstand wird gleich verteilt. Gavron stellt in diesem Szenario dringende Fragen: Was bleibt vom Humanen in einer automatisierten Gesellschaft? Wer trägt Verantwortung in fragmentierten Realitäten? Und welche Rolle kann Literatur spielen, wenn selbst Wirklichkeit zur Verhand-lungssache wird? (So., 7. Sept., 17–18.30 Uhr, Felix-Nussbaum-Haus)
Susanne Schädlich: Exil zwischen Hoffnung und Verlust: „Kabarett der Namenlosen“
SPIEGEL-Bestsellerautorin Susanne Schädlich erzählt die Geschichte des ‚Theaterrevolutionärs‘ Leopold Jessner und seiner Weggefährten im kalifor-nischen Exil: Schauspieler wie Alexander Granach und Fritz Kortner, Autoren wie Alfred Döblin und Alfred Polgar. Berühmt in Deutschland, namenlos in Amerika, ringen sie in Los Angeles zwischen Sprachbarrieren, Existenzangst und den Villen von Pacific Palisades um Kultur und Identität. Ihre Kunst lebt von Sprache – doch ihre Sprache wird in den USA nicht verstanden. Aus diesem Stoff entwickelt Schädlich ein intensives Kapitel deutsch-jüdischer Kulturgeschichte zwischen Aufbruch, Verlust und der Frage, ob Kunst in der Fremde überleben kann. (So., 7. Sept., 13:45 – 14:45, Literaturbüro Westniedersachsen, Ledenhof)
Das Literaturprogramm des ersten Jüdischen Kulturfestivals in Osnabrück zeigt, wie lebendig, vielstimmig und zukunftsweisend jüdische Literatur ist. Sie erzählt von Geschichte und Gegenwart, von Verlust und Aufbruch – und schlägt Brücken in unsere Zeit und in die Region. Mit diesem Programm lädt das Festival ein, hinzuhören, zu entdecken und gemeinsam die Kraft des Erzählens in Osnabrück und Umgebung zu feiern.
Die vorgestellten Bücher:
- Mascha Kaléko: Maschas leuchtende Jahre und Der König und die Nachtigall, Tulipan Verlag
- Thomas Sparr: „Ich will fortleben auch nach meinem Tod“. Die Biographie des Tagebuchs der Anne Frank, S. Fischer Verlag
- Hella + Sandra Rottenberg: Isay Rottenbergs Zigarrenfabrik | J.H.W. Dietz Verlag
- Leon de Winter: Stadt der Hunde, Diogenes Verlag
- Susanne Schädlich: Kabarett der Namenlosen, Arco Verlag
- Rabea Edel: Portrait meiner Mutter mit Geistern, Verlag C.H. Beck
- Assaf Gavron: Everybody be cool, Luchterhand Literaturverlag
Für Interviews stehen Festival-Intendant Avi Toubiana sowie die Autorinnen und Autoren im Vorfeld gern zur Verfügung.
Das Literaturprogramm des Jüdischen Kulturfestivals Osnabrück auf einen Blick
Festivalzeitraum: 4. – 7. September 2025
Die Veranstaltungsorte:
- Cinema Arthouse, Erich-Maria-Remarque-Ring 16, 49074 Osnabrück
- Museumsquartier Sammlung Felix Nussbaum, Lotter Straße 2, 49078 Osnabrück
- Literaturbüro Westniedersachsen, Am Ledenhof 3-5, 49074 Osnabrück, 1. OG, nicht barrierefrei
Vorverkauf: www.eventim.de
Weitere Informationen und Bildmaterial gibt es online.