Donnerstag, 18. April 2024

L&T und der Umgang mit einer schwierigen Firmengeschichte

Schülerinnen wird öffentliche Klarstellung verwehrt

Die Firma L&T, die in der Osnabrücker Geschäftswelt mit ihren großen Verkaufsflächen nur wenig Konkurrenz zu fürchten hat, gilt für viele Geschichtsinteressierte nicht nur als florierendes Textilkaufhaus, sondern auch als eines mit einer deutlich problembeladenen Geschichte.

Woher dies kommt? „Die ehemaligen Betreiber Lengermann und Trieschmann profitierten bei ihrer Übernahme des Kaufhauses Alsberg im Jahr 1935 massiv von der ‚Arisierung‘ zur Zeit des Nationalsozialismus, in dessen Zuge die jüdischen Vorbesitzer Max Katz, Gustav Falk und Ludwig Stern zwangsenteignet wurden“, brachten sieben Schülerinnen der Integrierten Gesamtschule Osnabrück und des Gymnasiums Bad Iburg in einem an die Neue OZ gerichteten Leserbrief ihre Erkenntnisse auf den Punkt.

Jael Zündorf, Johanna Lamm, Gina Lüdecke, Jana Lüdecke, Maylin Tepe, Maria Papenbrock und Lea Puke hatten, gemeinsam mit den beiden Lehrern Jan Müller und Henrik Radewald, zum Initiativkreis für eine OSC-Gedenkstätte gehört, welche an die bereits neun Jahre vor der Nazi-Machtergreifung vom Vorläuferverein OTV ausgeschlossenen und diskriminierten jüdischen Sportlerinnen und Sportler erinnern möchte. Die OR berichtete seinerzeit – ebenso wie später auch die lokale Tageszeitung – ausführlich vom Ereignis am 9. November dieses Jahres. An jenem Tage war eine eigens angefertigte Gedenkskulptur auf dem Vereinsgelände des Osnabrücker Sportclubs erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt worden.

Dr. Hermann Queckenstedt hatte die Einweihungsfeier als Vertreter der Herrenteichslaischaft zum Anlass genommen, den Umgang von L&T mit der eigenen Firmengeschichte, insbesondere die Verweigerung einer Spende zugunsten der Schülerinnen, massiv zu kritisieren. Stattdessen sei von der gleichen Firma eine 94-seitige Hochglanzbroschüre unter dem Titel „fashion live style sport – 111 years forever young“ verteilt worden, auf dessen Seiten sich L&T „drei Tage vor dem 9. November – selbst feierte und das jüdische Gründungsdatum ebenso ungeniert wie undifferenziert für das eigene Marketing instrumentalisierte.“

Queckenstedt und die engagierten Schülerinnen und Lehrer sind mit ihrer Kritik an der L&T-Firmenleitung bis heute keineswegs allein. Der renommierte Osnabrücker Historiker Dr. Joachim Castan hatte bereits in einem vielbeachteten Beitrag im örtlichen Standardwerk zur NS-Geschichte, dem 2015 von Thorsten Heese herausgegebenem Sammelband „Topografien des Terrors“, zahlreiche Fakten zur seinerzeitigen „Arisierung“ der Vorgänger-Firma Alsberg zusammengetragen. Im Ergebnis sei die damalige „Entschädigung“ der Kaufhausbesitzer keineswegs nur zur NS-Zeit, sondern auch im Zuge nachgezahlter Entschädigungen nach dem Krieg weit unter dem realen Wert erfolgt. Denn „die Frage nach dem tatsächlichen Wert der Grundstücke und des Geschäfts“, so Castan in seiner umfangreichen Untersuchung, „wurden nach 1945 systematisch vergessen gemacht.“

All dies hätte für die Firma also genügend Gründe bieten können, sich offener als bislang zur eigenen Geschichte zu äußern – und nicht zuletzt Initiativen zur Aufarbeitung entsprechender historischer Fakten zu unterstützen. Das gilt auch deshalb, weil die Firma L&T im normalen Alltag keineswegs abgeneigt ist, von ihr ausgewählte bürgerschaftliche Projekte zu sponsern. Infolgedessen hatten sich offenbar auch die Schülerinnen der erwähnten Mahnmal-Initiative recht hoffnungsvoll an das Unternehmen gewandt. Sie wurden maßlos enttäuscht. „Als wir zwei Wochen nach unserer Mail-Anfrage beim Kaufhaus anriefen, erhielten wir eine eindeutige Absage“, berichteten die jungen Frauen am 19. November in einem an die Neue Osnabrücker Zeitung gerichteten Leserbrief. Neben Sachinformationen zur damaligen „Arisierung“ ging es den Schülerinnen um eine aktuelle Klarstellung. Die Firma L&T hatte nämlich im NOZ-Lokalteil behauptet, dass die Spendenanfrage innerhalb der problembeladenen Pandemietage des Jahres eingereicht worden sei. Nach Auffassung der Schülerinnen war dies allerdings keineswegs der Fall: „Die Anfrage wurde entgegen der Behauptung von L&T nicht während des Lockdowns gestellt, sondern am 25. Juni 2021, als schon längst erhebliche Lockerungen eingetreten waren. Als wir zwei Wochen nach unserer Mail-Anfrage beim Kaufhaus anriefen, erhielten wir eine eindeutige Absage.“

Darüber hinaus war es den Schülerinnen ungemein wichtig, den Inhalt des besagten NOZ-Berichts maßgeblich zu ergänzen: „Überaus ungünstig finden wir…, dass als Kritik an L&T in dem Artikel vor allem die Absage der Finanzierung des Projektes genannt wird, obwohl man doch als größten Kritikpunkt eigentlich die Geschichtsklitterung des Konzerns nennen sollte.“

Angespannt warteten die Beteiligten mehr als eine volle Woche auf die Veröffentlichung ihres gemeinsamen Leserbriefes. Die Enttäuschung folgte auch hier auf dem Fuße. Sie erfuhren es vom Bad Iburger Lehrer Jan Müller, der am 1. Dezember bei verantwortlichen NOZ-Mitarbeitenden angerufen hatte, um sich nach dem gewünschten Abdruck zu erkundigen. Müller zur OR über die ihm berichtete Konsequenz der Verantwortlichen: „Die Chefredaktion habe entschieden, den Brief nicht zu drucken.“

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