Freitag, 27. September 2024

Abschlussstatement vom SubstAnZ

Abschlussstatement vom SubstAnZ
Sommer, Sonne, Hausbesetzung

15 Jahre lang waren wir in der Frankenstraße ansässig. Damals war das Brücks noch eine Autowerkstatt, die Botschaft war ein Verteilzentrum der Post, das Zenit war die TUGA Chemie GmbH und das gesamte Areal gehörte dem Lorac Investment Management aus Luxemburg. Das Brücks ist seit 2017 unser Nachbar gewesen. Über einige Dinge haben wir uns gemeinsam abgestimmt, damit ein entspanntes Nebeneinander möglich ist.

Als uns die Vermieter Ende 2023 eröffneten, dass sie den Mietvertrag nicht verlängern werden, waren wir natürlich traurig und auch sauer. Schließlich hatten wir nach mehreren Anläufen eine langfristige Bleibe gefunden und am kulturellen ,Aufwertungsprozess’ des Areals der Dammstraße mitgewirkt. 2016 ließ sich der damals neue Eigentümer Martin Wüst in der NOZ noch wie folgt zitieren: „Es ist wichtig, dass die Stadt so einen alternativen Treffpunkt hat, nachdem Subkultur ja zwischenzeitlich gezielt vom Güterbahnhof vertrieben worden ist.“

In diesem Zuge wurde eine Verlängerung des Mietvertrages für das selbstverwaltete Zentrum SubstAnZ als „gute Nachricht für die Osnabrücker Subkulturszene“ deklariert. Tatsächlich ging dieser ,Verlängerung’ jedoch eine Kündigung voraus, auf welche die ,gute Nachricht’ eines neuen Vertrages inklusive deftiger Mieterhöhung folgte.

Anfang diesen Sommers kam James Cowie vom Brücks auf uns zu und teilte uns mit, dass er mit seiner GmbH das Gebäude als Nachmieter übernehmen würde. Ihm sei an einer friedlichen Übergabe gelegen. Gleichzeitig bot er uns ,gnädigst’ an, einen Bereich des Gebäudes vorübergehend für Treffen zu nutzen, falls wir Bedarf hätten. Dem Verdrängungsprozess mit eigenen Augen zusehen zu müssen, wollten wir aber uns und unseren Nutzer*innen ersparen.

Ende August 2024 gab es dann das letzte Konzert, den letzten Vortrag, die letzte Party und die letzten Gruppentreffen in der Frankenstraße. Viele Besucher*innen der letzten Wochen teilten uns ihr großes Bedauern und ihre Trauer über den anstehenden Umzug mit. Mit vereinten Kräften wurde ausgemistet, Kartons gepackt und die ein oder andere Träne verdrückt, oder auch einfach rollen gelassen. Am Montag, den 02.09.2024, kam es zur Schlüsselübergabe. Die Vermieter hatten keinerlei Beanstandungen.

In der Nacht vom Freitag, den 06.09.2024, auf Samstag wurde das Gebäude in der Frankenstraße besetzt. Die Besetzung ging nicht vom SubstAnZ oder dem Trägerverein FrAZ e.V. aus, wenngleich wir uns in der Folge als SubstAnZ solidarisch erklärten und am friedlichen Verlauf vermittelnd mitgewirkt haben. Über den Verlauf der Besetzung gibt es unterschiedliche Versionen und Wertungen. Wir haben uns über viele Stunden mit vielen Menschen zusammengesetzt, diskutiert, recherchiert und reflektiert, um zu einer möglichst vollständigen Sicht der Dinge zu gelangen.


Mythen über Gefährdung, Vandalismus und Bedrohung

Nach Bekanntwerden der Besetzung trafen Vertreter*innen des SubstAnZ morgens gegen 06:00 Uhr in der Frankenstraße ein. Das Großaufgebot der Polizei war zu diesem Zeitpunkt bereits wieder abgezogen. Zuvor sollen durch die Besetzenden u.a. Leuchtfackeln gezündet worden sein. Nach unserem Kenntnisstand kam es zu keiner Situation, durch die Menschen gefährdet worden wären. Im Statement des Brücks wurde dagegen behauptet: “Außerdem wurden Feuerwerkskörper auf Mitarbeiter*innen auf dem Weg zu ihren Fahrzeugen geschossen, sowie auf eingesetzte Polizeibeamte und weitere unbeteiligte Personen.” Das Brücks beschreibt ein Szenario, welches so nicht stattgefunden hat. Die Polizei spricht von einem friedlichen Verlauf und lässt sich in der NOZ wie folgt zitieren: „Anders als von Brücks-Chef Cowie in einem öffentlichen Statement behauptet, seien aber keine Feuerwerkskörper gegen Polizeibeamte oder Besucher geschossen worden.“ Selbstverständlich lehnen wir beabsichtigte Verletzungen oder das in Kauf nehmen dieser von Personen durch Feuerwerkskörper ab. Dass hier von Seiten des Brücks offensichtlich gelogen wird, um die Besetzung bewusst in ein falsches Licht zu rücken, finden wir bemerkenswert.

Unter Vermittlung von Menschen aus dem SubstAnZ wurde am Samstagvormittag eine Einigung zwischen Vertreter*innen der Besetzenden, der Polizei und den Eigentümern erzielt. Ab Samstagmittag war die Besetzung geduldet und hatte einen offenen Charakter. Dies ermöglichte, dass viele Menschen in das Haus hineingehen, sich verabschieden und nochmal eine nette Zeit haben konnten. Für den Sonntagmorgen wurde eine „Einladung zum gemütlichen Mitbringfrühstück“ ausgesprochen, die auch wir als SubstAnZ auf unseren Kanälen geteilt haben. Dieses war sehr gut besucht. Der insgesamt offene Charakter bedeutete aber auch, dass eine Kontrolle, wer wann das Gebäude betrat und was die Menschen dort machten, nicht möglich war. Wann die Besetzung genau endete, ist uns nicht bekannt. Aus Äußerungen der Polizei entnehmen wir aber, dass das Haus, wie abgemacht, um 18 Uhr verlassen war.

Im Nachgang wurde durch das Brücks und später durch die Hasepost und NOZ berichtet, dass es im Zuge der Besetzung zu Vandalismus gekommen sei. Demnach entstand durch verbarrikadierte Türen ein Schaden von angeblich 30.000-40.000€. Auch auf Bildern der NOZ sind zerstörte Türen zu sehen. Es stellt sich die Frage, wer diesen Schaden denn überhaupt verursacht hat. Bis auf einen Seiteneingang war keine Tür verbarrikadiert. Die Polizei hat in SWAT-Manier mit einer Ramme zahlreiche Türen aufgestoßen. Dabei wird nicht nur die Tür, sondern auch der Rahmen und ggf. die Wand massiv in Mitleidenschaft gezogen. Zum Eindringen in das Haus hat sich die Polizei außerdem die teuerste Tür des Hauses ausgesucht, anstatt z.B. über den Hof leichtere Türen oder ein Fenster zu wählen. Jeder Schlüsseldienst hätte die Türen in höchstens 60 Sekunden geöffnet. Eile bestand zu keinem Zeitpunkt.

Darüber hinaus wurden vom Brücks Graffiti-Schriftzüge an den Wänden kritisiert. Allerdings zielte das veröffentlichte Statement vermutlich vor allem darauf ab, von eigenem Fehlverhalten abzulenken, denn der Anlass dieser Schriftzüge war unserer Meinung nach, dass Menschen ihren Frust über die vorgefundene Situation im ehemaligen SubstAnZ Ausdruck verleihen wollten. Die Besetzenden wurden mit mindestens zwei durch Menschen vom Brücks beschmierten Wandbildern konfrontiert: Aus „Fight for feminism“ wurde „Fight for men“. Aus „However I dress, wherever I go, Yes means Yes and No means No” wurde “[…] No means Yes” gemacht. Hierfür hat mittlerweile der Geschäftsführer des Brücks, nach eigener Aussage, die ,Verantwortung’ übernommen. Das Brücks verharmlost diese Schmierereien als „kindisch und unlustig“. Das ist eine gefährliche Ausrede. „No means Yes“ stellt hier eine klare Absage dar, im Kontext von romantischen und sexuellen Begegnungen auf Konsens zu achten und ein Nein auch als solches zu akzeptieren. Sexualisierte Gewalt und Grenzüberschreitungen, wie sie Frauen und queere Personen im Patriarchat tagtäglich widerfahren, sind aber kein kindischer Witz, sondern bittere Realität. Wenn das der „Humor“ von Verantwortlichen des Brücks ist, wie sollen sich dann Frauen und weiblich gelesene Personen beim Feiern in diesem Club sicher fühlen?

Bezeichnend ist auch, dass das Brücks schreibt, die sexistischen Schmierereien seien „nie für die Öffentlichkeit bestimmt“ gewesen. Hinter verschlossener Tür ist patriarchale Gewalt und die Verharmlosung derer also völlig okay? Die Behauptung des Brücks, „jegliche Gewalt abzulehnen“, scheint jedenfalls patriarchale Gewalt nicht zu beinhalten. Im Gegenteil, der Satz „No means yes“ kann geradezu als Aufruf zu grenzüberschreitendem Verhalten verstanden werden.

Einige, der durch die NOZ veröffentlichten Graffiti, unterstützen wir ausdrücklich: „Vermieter enteignen“, „Mietverträge zum Altpapier“ oder auch „capitalism is trash“ spielen auf die ungerechten Eigentumsverhältnisse unserer Gesellschaft an und kritisieren u.a., dass Wohn-, Lebens-, und Kulturraum als Mittel der Profitmaximierung genutzt wird. Dadurch können sich viele Menschen, Institutionen, Initiativen und Projekte nicht mehr die Miete leisten und werden verdrängt. Zudem erhalten Eigentümer*innen durch die gegenwärtigen Eigentumsverhältnisse ein unzulässiges Maß an Macht. Ein demokratischer Aushandlungsprozess, wie Räume genutzt werden sollen, findet nicht statt.

Wir halten zivilen Ungehorsam und Hausbesetzungen für ein legitimes Mittel, um gesellschaftliche Missstände anzukreiden. Gewalt und Drohungen gegen Personen lehnen wir ab. Offensichtlich besteht jedoch keine reale Gefahr, dass Clubs „gesprengt“ oder gar „Vermieter frittiert“ werden. Die Historie gesprengter Clubs und frittierter Vermieter in Osnabrück ist nach unseren Recherchen überschaubar. Auch ging in den vergangenen 15 Jahren keinerlei Gefahr von unserer Seite oder von Nutzer*innen der Frankenstraße 25a gegenüber Nachbar*innen oder Vermietern aus. Dies wissen auch all jene, die sich jetzt angeblich so fürchten. Dies könnten auch all jene wissen, die Zeitungsartikel schreiben. Daher verurteilen wird die clickbait-orientierte mediale Skandalisierung, da die herbeiphantasierten Schreckensszenarien jeglicher Realität entbehren.

Dass nun sowohl das Brücks, als auch die ehemaligen Vermieter Angst vor Gewalt heucheln, scheint uns daher strategischer Natur. Während sexualisierte Gewalt tagtäglich in Osnabrück geschieht, gibt es keinerlei Anlass anzunehmen, dass das Brücks oder die Vermieter tatsächlich von Gewalt bedroht sind. Vielmehr werden die realen Machtverhältnisse verschleiert. Das Banner: „Das ist unser Haus – Schmeißt doch endlich Wüst und Löhr und Hefti aus Fledder raus!“ wurde in Anlehnung an ein bekanntes Lied der Band ‚Ton Steine Scherben‘ verfasst und ist allein ein Ausdruck ungleicher Machtverhältnisse. Denn in Wahrheit wurde das SubstAnZ aus Fledder rausgeschmissen. Genauso wurde in den letzten Jahren immer wieder von Seiten der Vermieter gedroht, uns zu kündigen, wenn wir nicht spuren. Macht auf der einen, Ohnmacht auf der anderen Seite. Diese Machtverhältnisse sind es, die wir kritisieren und die jeder Person in dieser Gesellschaft übel mitspielen, sollte sie auf der verkehrten Seite, auf der Seite der Machtlosen stehen. Diese Verhältnisse wollen wir sprengen – keine Clubs!

SubstAnZ
25. September 2024

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