Traditionstag in der Friedensstadt – diesmal mit einer nachahmenswerten Orga-Ansage
Am 1. September überfiel die Armee des nationalsozialistischen Deutschlands in bestialischer Weise Polen und schuf die Grundlagen für den opferreichsten Krieg der Menschheitsgeschichte. Grund genug, den Kalendertag alljährlich als Mahnung für kommende Generationen wie für jene, die in Regierungen Verantwortung tragen, zu würdigen. So auch in Osnabrück.
Zur historischen Einordnung: Seit der Befreiung Deutschlands vom Faschismus am 8. Mai 1945 wurde der 1. September zunächst in der DDR, ab 1957 auch in der Bundesrepublik als Gedenktag begangen. Die westdeutsche Initiative dazu war seinerzeit vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ausgegangen, der erstmals am 1. September 1957 unter dem Motto „Nie wieder Krieg“ zu Aktionen aufgerufen hatte. Getreu dieser Tradition ist es kein Wunder, dass auch in der Friedensstadt Osnabrück der DGB mit seinen Bündnispartnern zentraler Koordinator der Aktivitäten bleibt.
Bewährter fotografischer Illustrator des Tages war für die OR erneut Toni Theilmeier, dessen Impressionen wieder einmal eine Betrachtung lohnen.
Nachahmenswerte Ordnungsansage
Wer vor Beginn von Demo und Kundgebung auf dem Markt allein die übliche Organisationsansage mit Demo-Route, Breite von Transparenten, Müllfreiheit bis Friedfertigkeit erwartet hatte, sah sich zu Beginn mit einer nachahmenswerten Ansage der Veranstaltenden überrascht. Die Ansage lautete unter anderem wörtlich:
„Wir unterbrechen das Programm für eine wichtige Durchsage: Sollten sich Personen mit rechtem Gedankengut oder mit homophoben, frauenfeindlichen und rassistischen Tendenzen im Publikum befinden, fordern wir die auf, den Platz jetzt ruhig und besonnen zu verlassen. Für Menschenfeinde gilt hier Null Toleranz. Wer Verschwörungserzählungen, Hass oder Hetze verbreitet, ist bei dieser Veranstaltung ebenfalls falsch. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“
Die OR meint: Die Ansage dürfte sich als Modellansage auch für weitere demokratische Aktionen vorzüglich eignen. Also bitte in Wiedervorlage bereithalten!
Ansprache Nicole Verlages
Eine vielbeachtete Ansprache hielt daraufhin Nicole Verlage, Geschäftsführerin der DGB-Region Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim. Ihr folgten weitere Ansprachen seitens von Vertreter*innen von OMAS GEGEN RECHTS (Heike Tennstädt) sowie von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BDA, Achim Bigus). Nicoles Rede dokumentieren wir wie folgt stellvertretend für alle. Zumal sie die Losung des Tages „Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus“ mit Verweisen auf viele aktuelle Handlungsfelder verband. Im Wortlaut:
„Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Kriegsgegner*innen und Antifaschist*innen, ja, am Antikriegstag erinnern wir an die Schrecken von Krieg und Faschismus– und wir beziehen dazu eine klare Haltung: Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!
Natürlich ist das nicht genug. Haltung zeigen bedeutet immer wieder auch, dafür zu streiten und denen, die dem durch Wort oder Tat widersprechen, entgegenzutreten.
Ihr wisst selbst, wie schwer es oft ist, die richtig empfundenen Worte zu finden. Zumal zu viele Anlässe so schrecklich sind, wütend machen. Aber es ist dann leichter, wenn wir uns bewusst bleiben, worauf es ankommt. Nämlich auf die Menschenwürde und die für uns alle gleich geltenden Menschenrechte. Wenn die für uns gültig und wesentlich erachtet sind, verteidigt zu werden … dann kennen, finden wir die richtigen Worte.
Diese Grundhaltung steht gegen Krieg und Faschismus und ist keinesfalls etwas Besonderes, fortschrittliches oder gar ideologisch okkupiert. Es ist die Grundidee eine Gesellschaft von Freien und Gleichen, wie es auch im Nachkriegsdeutschlang das Grundgesetz formulierte. Jedem opportunistischen oder populistischen Umgang steht der Antikriegstag entgegen.
Dazu gehört für uns Gewerkschafter*innen auch, dass wir uns deutlich von jedem Antisemitismus distanzieren. Kritik an der Politik der Mächtigen in Israel ist berechtigt und notwendig. Aber es ist niemals akzeptabel, dieses Vorgehen als „jüdisch“ zu diffamieren. Das ist nämlich antisemitisch und bleibt Hetze. Dem stellen wir uns entgegen.
Gleichzeitig verurteilen wir jeden kriegerischen Akt, der auf Vernichtung und den äußerst problematisch behafteten Begriff Genozid zielt – ob von Trump, Putin oder von Hamas oder Hisbollah, Netanjahu. Die aktuellen Kriege werden gegen Bevölkerung geführt. Gnadenlos! Das ist die Kriegslogik. Das Recht auf Existenz gilt uneingeschränkt für die Menschen in Israel – und es gilt genauso für jede andere Gesellschaft, ob in der Ukraine, in Kurdistan, oder in Palästina.
Jede andere Grundhaltung widerspricht den Lehren, die Anlass des Antikriegstages wurden.
Der Antikriegstag erinnert uns auch daran: Antifaschismus heißt, dem Militarismus zu widersprechen. Antifaschismus heißt, Kriegstüchtigkeit als Bedrohung zu begreifen. Krieg ist kein Instrument von Politik, sondern von Unterdrückung und Zerstörung. Die kriegerische Macht – ob in Diktatur oder durch Kriegswirtschaft – zerstört Demokratie, verschärft Ungleichheit und spaltet Gesellschaften, säht Hass und Gewalt.
Wir wissen: Militarisierung verschlingt unendliche Ressourcen. Das nimmt den Menschen, was sie für ein gutes Leben brauchen – Gesundheit, Bildung, soziale Sicherung. Wer Krieg vorbereitet, vernichtet Daseinsvorsorge. Gerade erst gab der Kanzler diese Absicht bekannt. Neuordnung des Sozialstaates, nannte der das. Die Angriffe auf wichtige Errungenschaften laufen bereits auf Hochtouren. Sei es die Grundsicherung, der 8-Stunden-Tag oder die Lohnfortzahlung. Das betriebene Aufrüsten betreibt die Zerstörung der Grundlagen des friedlichen, gleichberechtigten Zusammenlebens.
Darum stehen wir heute hier und verdeutlichen, was unser Motto bedeutet: Antifaschistisch statt kriegstüchtig! Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“
Differenzen und Gemeinsamkeiten
Zumal das Publikum sich zwar klipp und klar unter den Hauptlosungen vereinigen konnte, war es dennoch unüberhörbar, dass zuweilen durchaus unterschiedliche Interpretationen des aktuellen Krieges in der Ukraine zu vernehmen waren.
Hier spiegelte sich im Publikum naturgemäß wider, dass es auch innerhalb der Linken deutliche Unterschiede in Bewertungen des russischen Angriffskrieges und der daraus folgenden Konsequenzen gab und gibt. Es blieb das große Verdienst der Veranstaltenden, auch hier die Einheit zu wahren: Immense Aufrüstungskosten, massiver Sozialabbau zugunsten jener Rüstung und der Kampf gegen den erstarkenden Rechtsextremismus bleiben die zentralen Anlässe notwendiger Zusammenarbeit – und einer erfolgreichen Kehrtwende.
Ausklang mit Aktionsausblick für kommenden Samstag: Wehret der AfD!
Bevor es mit der anschließenden Demo in Richtung Gewerkschaftshaus losging, gab es einige Ankündigungen. Sie betrafen vor allem jene Antikriegskunst, die Nele Jamin von den OMAS Gegen RECHTS mit Erfahrungen aus der Jugendkunstschule in Gestalt einer plakativen Ausstellung hinterlassen hatte.
Der Ausklang der Demo bestand schließlich in einem beredsamen Miteinander im Umfeld des Gewerkschaftshauses am August-Bebel-Platz.
Wichtiger Hinweis, der immer wieder anklang: Am nächsten Samstag wird es am Haarmannsbrunnen zwischen 10 und 13 Uhr erneut einen AfD-Infostand geben. Wieder einmal wird jener unterstützt von der extremistischen „Jugendorganisation“ der Partei. In der Nähe des Brunnens dürfte es gute Gelegenheiten geben, beim Gegenprotest interessierte Passant*innen mit Flyern und Argumenten zu versorgen. Nachmittags wird sich spätestens um 16 Uhr vor der Kneipe „Parkhaus Rink“ ein „Protest gegen die Raumnahme von extrem Rechts in der Wüste“ zeigen. „Jede Stunde Mitmachen trägt bei, sichtbar und bunt Haltung zu zeigen“, schreiben die Verantwortlichen.