Initiatoren wollen es wissen: Wie steht Osnabrücker Landtagsabgeordnete zu aktuellen Migrationsbeschlüssen?
Die OR berichtete bereits kurz darüber. Die Seebrücke Osnabrück zeigt sich aufgrund der jüngsten Verlautbarungen aus der Bundes-CDU und seitens des Bundeskanzlers Friedrich Merz besorgt. Im Wortlaut: „Wir machen uns große Sorgen um die CDU und ihre Sicht auf Menschen, die zu uns fliehen. Darum wenden wir uns an Frau Kämmerling mit unseren Fragen.“
Der Wortlaut des offenen Briefes wird im Folgetext dokumentiert.
Sehr geehrte Frau Kämmerling,
am 2. Juni erklärte das Berliner Verwaltungsgericht in mehreren Eilverfahren die Zurückweisungen von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern an den deutschen Grenzen für rechtswidrig.
Im Anschluss erklärte Innenminister Dobrindt, man werde trotz des Gerichtsurteils „an der Praxis festhalten“. Wo steht die CDU der Friedensstadt Osnabrück?
1. Was halten Sie als Vorsitzende des CDU-Kreisverbands der Stadt Osnabrück von der Ankündigung von Friedrich Merz, am ersten Tag seiner Kanzlerschaft einen „faktischen Einreisestopp“ zu verhängen und Zurückweisungen von Schutzsuchenden an sämtlichen deutschen Grenzen durchzusetzen?
2. Wie stehen Sie zu der Absicht, die Aufnahmeprogramme für Menschen aus Afghanistan trotz bereits erteilten Einreisegenehmigungen und durchgeführten Sicherheitsüberprüfungen, einzustellen?
3. Was sagen Sie als Vertreterin einer Partei, die sich besonders für den Schutz der Familie einsetzen möchte, zu der Ankündigung, den Familiennachzug für Geflüchtete mit subsidiärem Schutz für zunächst 2 Jahre auszusetzen?
Auch im Vorfeld war mehrfach von Jurist*innen betont worden, dass die von Herrn Merz in Aussicht gestellten pauschalen Zurückweisungen an der deutschen Grenze ganz offensichtlich gegen europäisches Recht verstoßen. Deutschland ist nach der Dublin-III-Verordnung verpflichtet zu prüfen, ob Asylbewerberinnen und Asylbewerber ein Asylverfahren in Deutschland oder in einem anderen EU-Land durchlaufen müssen.
Dieses Verfahren kann ausgesetzt werden, wenn Deutschland eine „Notlage“ ausrufen würde. Doch auch diese Möglichkeit hat das Gericht zurückgewiesen. So heißt es in der Pressemitteilung: „Insbesondere könne sie (die Antragsgegnerin, also die Bundesrepublik, vertreten durch die Bundespolizei) die Zurückweisungen nicht auf die Ausnahmeregelung des Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) stützen. Es fehle dafür bereits an der hinreichenden Darlegung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Antragsgegnerin.“
Abgesehen von dem respektlosen Verhalten Dobrindts gegenüber dem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts sind wir besorgt über den dahinter stehenden Wunsch der CDU-Spitze, das Menschenrecht auf Asyl zu demontieren. Zahlreiche Äußerungen in den letzten Monaten weisen darauf hin, dass die Errungenschaft des Rechts auf Asyl als lästiger Ballast empfunden wird. Die CDU/CSU sagt, Zurückweisungen seien längst gängige Praxis in der EU – etwa in Italien und Griechenland (– was leider stimmt). Nur Deutschland sei der „Geisterfahrer“ (Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion). Damit bringt Herr Frei zum Ausdruck, dass Push-backs auch für Deutschland in Ordnung wären! Genaugenommen beschimpft er Deutschland, weil es so verwirrt ist und sich noch an geltendes Recht hält.
Wir wissen nicht, ob Herr Frei Applaus erhielt oder ob er hinter den Kulissen hart kritisiert wurde. Unsere Hoffnung ist, dass etliche engagierte Politiker*innen in der CDU dem widersprechen und nicht nur an den Gedenktagen von Humanität und Menschenrechten reden wollen.
Bitte nehmen Sie Stellung zu den drei Fragen und nehmen Sie sich die Zeit, auch mit Menschen zu reden, die es völlig unlogisch finden, dass die schreckliche Tat eines psychisch kranken Menschen aus Afghanistan (Aschaffenburg, Januar 2025) durch eine schärfere, unmenschlichere Asylpolitik hätte verhindert werden können.
Wir von der Seebrücke Osnabrück möchten alles versuchen, um der zunehmenden Feindlichkeit gegenüber Menschen, die nach Deutschland kommen, entgegen zu treten. Mit großer Sorge stellen wir fest, dass auch die CDU zu dieser negativen Entwicklung beiträgt. Unsere Hoffnung ist, dass es uns auf Stadtebene gelingt, mit der CDU in einen konstruktiven Dialog zu treten und dass moralische und rechtliche Grundsätze wieder an Bedeutung gewinnen.
Wir laden Sie ein am Weltflüchtlingstag, Freitag, den 20.6.25 um 18 Uhr, in das Café Felka zu kommen und die weltoffene Atmosphäre zu genießen. Mehrere geflüchtete Menschen berichten von ihrer Sicht auf Osnabrück.
Des weiteren laden wir Sie ein zu einer weiteren Veranstaltung des Think Tanks Migrationspolitik im Foyer des Theaters am Montag, den 23.6. um 18 Uhr : „Es geht auch anders – Migration gemeinsam gestalten – Wissenschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft im Dialog“.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. med. Renate Vestner-Heise
Dr. Helga Kramer, Pfarrerin ESG Osnabrück
Michael Bünte
für die Seebrücke Osnabrück
sowie ca. 315 weitere Osnabrücker*innen, die sich unserem Offenen Brief anschließen.