Positionspapier von Verkehrs- und Umweltgruppen der Region Osnabrück zum Thema „Nahverkehrsplan Stadt-Landkreis
Verkehrs- und Umweltgruppen der Region Osnabrück haben zum Entwurf des 5. Nahverkehrsplans (NVP) für Stadt und Landkreis eine gemeinsame Stellungnahme erarbeitet. Unterzeichnet ist diese von der Initiative Haller Willem, dem ADFC Kreisverband Osnabrück, dem Verein zuFuß!e.V., dem Verein Verkehr für Menschen, dem ADFC Kreisverband Osnabrück, dem Umweltforum Osnabrück sowie dem Verkehrsclub Deutschlands (VCD). Ihr Resümee: „Trotz einzelner positiver Entwicklungen springt der Nahverkehrsplan zu kurz.“
Der ausführliche Text ist den Ausführungen weiter unten zu entnehmen. Wörtlich heißt es zusammenfassend:
„Als in der Region und der Stadt Osnabrück aktive Verkehrs- und Umweltgruppen nehmen die Unterzeichnenden zum Entwurf des 5. Nahverkehrsplan (NVP) für Stadt und Landkreis Osnabrück mit den folgenden gemeinsamen Einschätzungen und dringenden Anregungen Stellung.
Wir bewerten positiv
- Dass der NVP einige Verbesserungen für den Öffentlichen Nahverkehr beinhaltet.
- Dass eine bessere Datenerhebung und damit eine bessere Fahrgastinformation geplant sind. Allerdings dürfen hier nicht zu hohe Anforderungen an die technische Ausstattung der Fahrgäste mit besonders modernen Smartphones gestellt werden – sonst droht soziale Ausgrenzung.
Wir bewerten kritisch
- Dass die engen Wechselbeziehungen des ÖPNV mit der Verkehrsplanung kaum behandelt werden – weder die Wechselbeziehungen mit dem Fuß- und dem Radverkehr noch die Bedeutung von Busspuren und eines reduzierten Parkplatzangebots im Straßenraum, um Raum für den ÖPNV bereitzustellen.
- Dass im NVP eine Betrachtung von Alternativen einschließlich der Stadtbahn fehlt
- Dass der NVP kontraproduktive Bus-Planungen der Stadt Osnabrück ausblendet.
- Dass die Stadt Osnabrück vor der Aufgabe kapituliert, den ÖPNV angemessen zu entwickeln.
Wir appellieren an die Politik, die Planqualität zu verbessern und einen gemeinsamen Lernprozess zu ermöglichen
- Insgesamt bleibt der NVP hinter grundlegenden rechtlichen und planerischen Qualitätsansprüchen zurück, wie sie u.a. in § 6 Niedersächsisches Nahverkehrsgesetz (NNVG) formuliert sind. Für die weitere Beratung des 5. Nahverkehrsplans appellieren wir an die politischen Gremien, Nachbesserungen der unbefriedigende Planungsqualität des NVP zu verlangen.
- Als ebenso wichtig sehen wir einen Beteiligungsprozess, der für alle Beteiligten ein gemeinsames Lernen und Erproben im Interesse eines attraktiven Nahverkehrs ermöglicht, der eine überzeugende Alternative zur Nutzung von privaten PKWs ist.
Wir sehen es als überfällig
- Dass Landkreis und Stadt sich auf einen integrierten Nahverkehrsverbund mit einheitlichem Tarifsystem verständigen.“
Die unterzeichnenden Gruppen
- Initiative Haller Willem, Johannes Bartelt, johannes.bartelt@osnanet.de, 0170-6917390
- Stadtbahninitiative Osnabrück, Prof. Dr. Wolfgang Seyfert, mail@professor-seyfert.de, 0541 -15969
- zuFuß!e.V. , Ruth Hammerbacher, ruth.hammerbacher@zufuss.de, 0171-1902901
- Verein Verkehr für Menschen, Rainer Korte, mail@vfm-os.de, 05401-460476
- ADFC Kreisverband Osnabrück e.V. , Dr.-Ing. Wolfgang Driehaus, verkehrspolitik@adfc-osnabrueck.de; 0157-34945397
- Umweltforum Osnabrück, Dr. Matthias Schreiber, mschreiber@umweltforum-osnabrueck.de
- VCD, Tobias Demircioglu, dgg-dienstleistungen@osnanet.de
Erläuterungen zu den Kernpunkten
Im folgenden Text legen die Unterzeichnenden noch einmal in ausführlicher Form ihre Position zu den bisherigen Planungen vor. Auch hier veröffentlicht die OR den Wortlaut.
Der NVP beinhaltet einige Verbesserungen für den Öffentlichen Nahverkehr.
Im Landkreis werden die erfolgreichen Neuerungen aus dem Projekt MOIN+ in die Routine überführt. Die Schnellbuslinien werden verstetigt und der neue bedarfsorientierte Verkehr ‚Lütti‚ soll nach dem Auslaufen der Förderung durch den Bund in die Regie der Gemeinden Bersenbrück, Bramsche und Melle überführt werden. Zwei der drei ‚Lütti‚-Gemeinden haben die Weiter-finanzierung bereits beschlossen. Verkehrskorridore sollen im Landkreis nach Kriterien grob definiert und priorisiert werden.
Dann folgt in einem breiten Beteiligungsprozess die Feinplanung konkreter Linien. Leider sollen die Schnellbuslinien an den Tagesrändern ausgedünnt werden, was der Beginn einer Erosion der Nachfrage sein könnte.
Die OS-Bahn kommt langsam voran. Insgesamt sind auf den Schienenverbindungen auch ins weitere Umland bis 2030 Verbesserungen zu erwarten. Die Pläne für die wichtige Bus-Schiene-Verknüpfung sollten zügig vorangetrieben werden.
Eine bessere Datenerhebung und damit eine bessere Fahrgastinformation sind geplant. Allerdings dürfen hier nicht zu hohe Anforderungen an die technische Ausstattung der Fahrgäste mit besonders modernen Smartphones gestellt werden – sonst droht soziale Ausgrenzung.
In Stadt und Landkreis plant die PlaNOS eine erhebliche Verbesserung der Datenlage für alle verkehrlichen Prozesse und weitgehende Verbesserungen bezüglich der Fahrgastinformationen auf ihrer Mobilitätplattform.
Teile der Verbesserungen sind jedoch nur über eine App nutzbar, für die ein aktuelles Smartphone notwendig ist. Das führt zur ‚digitalen Ausgrenzung‘ z.B. von älteren oder sozial schwächeren Menschen. So nutzt über die Hälfte der über 65-Jährigen kein Smartphone.
Die engen Wechselbeziehungen mit der Verkehrsplanung werden kaum behandelt – weder die Wechselbeziehungen mit dem Fuß- und dem Radverkehr noch die Bedeutung von Busspuren und eines reduzierten Parkplatzangebots im Straßenraum, um Raum für den ÖPNV bereitzustellen.
90% der Fahrgäste im ÖPNV erreichen diesen zu Fuß. Untersuchungen zeigen, dass Menschen auch mehrere hundert Meter zur Haltestelle gehen, wenn die Zuwege ruhig, sicher (keine Konflikte mit Autos, Zweirädern, E-Scootern) und attrakti v sind. Haltestellen und Umstiegspunkte brauchen guten Wetterschutz, Sitzmöglichkeiten und Beleuchtung, Einstieg und Aufenthalt im Bus müssen barrierefrei und komfortabel sein. So kann die Auslastung des Bussystems gesteigert werden.
Für die Radfahrenden werden Angebote bei ungünstiger Witterung, insbesondere im Winterhalbjahr, benötigt. Denn der Anteil der Fahrten mit dem Rad sinkt von Sommer auf Winter nach vielen Studien um 40% bis 50%. Dann braucht es mehr und guten öffentlichen Verkehr, oder es wird vermehrt mit dem privaten PKW gefahren.
Im Entwurf des 5. NVP steht viel Text zu den Vorteilen von Busspuren: Pünktlichkeit, Schnelligkeit, Senkung der Betriebskosten. Es gibt aber keine konkrete Planung dafür. Der Rat der Stadt hat im Juni 2025 Fakten geschaffen und eine Umweltspur auf der Iburger Straße beschlossen, was die dort verkehrenden Busse attraktiver machen wird. Die neue Umweltspur muss in den 5. NVP noch eingeplant werden. Dabei sollten insbesondere auch die zu ihr führenden Fußverbindungen fußgängerfreundlich geplant werden.
Push- und Pull-Maßnahmen haben großen Einfluss auf den ÖPNV. Sie fehlen im 5. NPV. Wichtige Push-Maßnahmen sind die Reduzierung von Parkplätzen und kostengerechte Parkgebühren im öffentlichen Raum. Als Pull-Maßnahme wichtig ist die Möglichkeit zur Fahrradmitnahme im Bus ohne zeitliche Beschränkung, insbesondere von Falträdern.
Dem NVP fehlt die Zukunftsorientierung – es fehlt eine Betrachtung von Alternativen einschließlich der Stadtbahn.
Mit dem Nahverkehrsplan sollte die Zukunft des regionalen Nahverkehrs gestaltet und besser werden. Dafür ist es notwendig, Alternativen zu entwickeln und im Vergleich von Alternativen nach einem sehr guten zukünftigen Zustand zu suchen.
Eine dem Bus von der Transportkapazität und dem Fahrgastkomfort her überlegene Alternative ist die Stadtbahn. Sie ist für eine erfolgreiche Verkehrswende notwendig und ihre Machbarkeit ist belegt (https://www.osnabrueck.sitzung-online.de/public/to020?TOLFDNR=1107310).
Die Stadtbahn muss auch im 5. NVP berücksichtigt werden.
Der NVP blendet kontraproduktive Bus-Planungen der Stadt Osnabrück aus.
Völlig unverständlich ist, dass der NVP die kontraproduktiven Vorhaben der Stadt Osnabrück nicht auf ihre Auswirkungen für das Nahverkehrssystem hin betrachtet. Die geplante Teil-Sperrung des zentralen Umsteigeplatzes Neumarktes verlängert Fahrzeiten und erhöht Betriebskosten. Für das sog. Zukunftsnetz der Stadt werden Standards in Frage gestellt und die Zuschüsse an SWO Mobil sollen eingefroren werden. Gleichzeitig sucht die Stadt nach Einsparmöglichkeiten bis zu 5 Mio. € durch Leistungsreduktion im Busnetz.
Insgesamt bleibt der NVP hinter grundlegenden rechtlichen und planerischen Qualitätsansprüchen zurück – die Region Osnabrück verdient einen besseren Plan.
Im § 6 Niedersächsischen Nahverkehrsgesetz (NNVG) wird u.a. verlangt, dass ein NVP darstellt, welche Maßnahmen zur Verwirklichung der Zielvorstellungen ergriffen werden sollen, welcher Finanzbedarf sich für diese Maßnahmen langfristig ergibt und wie dieser Finanzbedarf gedeckt werden soll. Dieser Forderung wird im 5. NVP regelmäßig nicht entsprochen.
Die Zielformulierungen des NVP genügen auch nicht der Minimalanforderung, SMART zu sein.
SMART steht für spezifisch (unmissverständlich definiert), messbar, attraktiv und anspruchsvoll (z.B. bedarfsorientiert für die Fahrgäste, weiterführend im Sinne der Nachhaltigkeit) realistisch (ausreichende Kapazitäten und Kompetenzen und finanzielle Mittel) und terminiert (zu welchem Zeitpunkt soll ein Ziel erreicht sein).
Mit Ausnahme des Schienenverkehrs sind im NVP viele Ziele wolkig formuliert und es gibt keine klar zugeordneten Maßnahmen. Für fast alle aufgeführten Maßnahmen gibt es keine betragsmäßig ausgeführte Kostenplanung.
Die Stadt Osnabrück kapituliert vor der Aufgabe, den ÖPNV angemessen zu entwickeln.
Die Zielformulierung für den Modal-Split der Stadt Osnabrück ist zwar konkret formuliert, kennzeichnet aber gleichzeitig den Verzicht der Stadt und des NVP auf eine konsequente Weiterentwicklung des Nahverkehrs: „Steigerung des Modal-Split auf 11% im Jahr 2030, auf 12 % im Jahr 2040“ (S. 66). Die hier vorgesehene der Steigerung des ÖV-Anteils innerhalb von 10 Jahren um nur einen einzigen Prozentpunkt stellt eine Kapitulation der Stadt Osnabrück vor der Aufgabe dar, ein zukunftsfähiges Nahverkehrssystem zu entwickeln. (Zum Vergleich: ähnlich große Städte wie Darmstadt und Erfurt liegen bereits heute bei 15% und 19% für den ÖPNV und planen mehr.)