Donnerstag, 28. März 2024

Aufbruch ins Unbekannte – Her Majesty is dead 

Ein Bericht unserer Korrespondentin Wendy Wordsworth

Zum ersten Mal in ihrem Leben wachten die meisten Briten heute morgen ohne die Queen auf, die eine Konstante in ihrem Leben war, verkündet der Sprecher der BBC. Ein Leben ohne die Queen sei für viele ihrer Untertanen wie der Aufbruch in unendliche Weiten des Unbekannten. 

Die Briten seien als Nation nicht gut darin, über den Tod zu sprechen, fährt er fort, doch es sei gut zu versuchen, gemeinsam zu trauern. Tatsächlich ist gestern Abend im Lord Nelson Pub, oder heute morgen im March Hare Tearoom business as usual. Man spricht von Versicherungsfragen, Sportereignissen oder dem letzten Museumsbesuch, aber nicht von der Queen. Doch vor dem Tearoom hängt bereits ein Anschlag, in dem zum gemeinsamen Gebet für die Queen und den neuen König Charles den Dritten aufgerufen wird. Und natürlich hängt die Flagge in dem kleinen Dorf auf Halbmast. Auch wenn sie nicht öffentlich darüber sprechen, geht der Tod der Queen vielen Briten nahe.

Nicht nur dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau kamen bei seiner Erklärung die Tränen. Ex-Premierminister Toni Blair stellte gestern fest, Großbritannien habe die  Matriarchin der Nation“ verloren. Sogar der flapsige Boris Johnson, dessen Abdankung sie nur Tage vor ihrem Tod entgegengenommen hatte,  stellte fest, der Tod der Monarchin sei „ein tiefes und persönliches Gefühl von Verlust – viel intensiver vielleicht, als wir es erwartet hatten.“ So geht es anscheinend vielen ihrer Untertanen.

Die neue britische Premierministerin Liz Truss hat die britische Königin Elizabeth II. als „Fels“ gewürdigt, „auf dem das moderne Großbritannien errichtet wurde“. Der Tod der Queen sei ein riesiger Schock. Als Elizabeth 1952 mit gerade einmal 25 Jahren  nach dem Tod ihres Vaters Georg VI unerwartet in jungen Jahren „die Queen“ wurde, war Winston Churchill Premierminister.  Liz Truss ist die 15. Amtsinhaberin während der Regentschaft der Queen.Tatsächlich haben anscheinend viele Briten das Gefühl, sie hätten ihre Königin persönlich gekannt, obwohl sie in ihrem Leben nicht einmal ein Interview gegeben hat, weil sie ganz bewusst die Distanz zu ihren Untertanen und die Aura des Majestätischen wahrte. Dennoch zeigte sie bei ihren Begegnungen mit dem gemeinen Volk stets große Empathie und durchaus Sinn für Humor. Anlässlich ihres 80. Geburtstags zitierte sie Groucho Marx: „Alt werden kann jeder – man muss nur lange genug leben!“

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Dank ihres  Auftritts mit James-Bond-Star Daniel Craig bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele 2012 in London und einem Animationsclip mit „Winnie Puuh“ zu ihrem 95. Geburtstag im letzten Jahr ist sie nicht nur die Mutter der Nation, sondern auch die Großmutter vieler ihrer jungen Untertanen geworden. „Ich bin mit ihr aufgewachsen, das ist, als wäre meine Großmutter gestorben“, sagt eine junge Frau. Elizabeth II sei die „Oma der Nation“, ja eine „Großmutter für die Welt“ gewesen, wobei mit der Welt aus britischer Sicht wohl der Commonwealth gemeint sein dürfte.

Vergessen sind die Zeiten, als das Land ihr vorwarf, beim Tod von Prinzessin Diana nicht genug Empathie zu zeigen. Sie sei „just a wonderful human being“, sagt ein Exsoldat, der sie mal bei einem Besuch in Deutschland bedienen durfte. „Die Mutter der Nation ist auch unsere Mutter“, meinen Menschen mittleren Alters, die sie als „very kind person“, eine sehr freundliche Person, schätzten. Eine ältere Dame schätzt dagegen  gerade die Distanz, die sie immer zu wahren wusste: Sie sei „dignified and admirable“, würdevoll und bewundernswert.

Manche Menschen fühlen sich durch den Verlust der Queen plötzlich alleingelassen und suchen „a feeling of togetherness“. Gestandene Männer machen sich in der Frühe auf den Weg und fahren vor der Arbeit am Buckingham Palast vorbei – und weinen um die Monarchin. Eltern machen mit ihrer 8jährigen Tochter auf dem Weg zur Schule denselben Umweg. Sie sei hier, um die Regierung der Monarchin Elisabeth II zu ehren, sagt die  Achtjährige in druckreifen Worten, die sicher auch eine gute Queen abgegeben hätte. Elizabeth war schon in jungen Jahren ernst und von der Pflicht getrieben. Für viele symbolisierte sie, was es heißt britisch zu sein. Dazu gehörte auch ihre Liebe zu Hunden und Rennpferden.

Sie habe ihnen in der Pandemie Hoffnung gegeben, sagen andere. Die Queen unterstützte 250 Wohltätigkeitsorganisationen oder charities im Commonwealth und interessierte sich wie ihr Sohn Charles auch für Umweltfragen. Charles ist beim Tod der Queen automatisch König geworden. Er hatte lange genug Zeit, sich auf das Amt vorzubereiten und „knows how to run the show“. Soviel Zeit im Dienst an der Nation wie seiner Mutter in ihrer 70-jährigen Regentschaft wird dem 73jährigen allerdings nicht bleiben, um das zu beweisen. Seine Frau Camilla wurde gestern zu “Her Majesty The Queen”, ist aber nur eine Queen Consort wie die Mutter der Queen, keine regierende Königin wie Elizabeth II.

Großbritannien wird sieben Tage Staatstrauer halten. Sogar die Streiks bei Post und Bahn wurden abgesagt, und die Last Night of Proms und die letzten drei Tage des Radrennens Tour of Britain, ebenso kleinere Fußballspiele. Bei den größeren ist man sich noch nicht ganz einig. Es gibt schließlich immer noch Dinge, die genau so wichtig sind wie der Tod der Queen.





 

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