Freitag, 29. März 2024

Sonntag, 12.00 Uhr: Bernhard Schulz mit Fritz Wolf – „Betrug ist überall und Heuchelei“ (1960)

Bernhard Schulz (1913 – 2003) war ein Osnabrücker Autor, der keinen Vergleich zu scheuen braucht: 24 Bücher und fast 2.400 (!) Kurzgeschichten sind seit 1934 erschienen. Letztere fanden sich in Zeitungsausgaben, Anthologien und Sammelbänden und sind ein Stück Zeitgeschichte. Nach Auffassung der OR-Redaktion ist dieser markante Schreiber, dessen Geschichten zumeist von seinem Freund Fritz Wolf mit einer Karikatur begleitet wurden, zu Unrecht in Vergessenheit geraten.

 

Bernhard Schulz
„Betrug ist überall und Heuchelei“ (1960)
(Links zu früheren Folgen und Anmerkungen zu dieser exklusiven OR-Serie am Ende des Textes)

Heinz Bender-Plück inszenierte „Wallensteins Tod“ im Theater am Domhof in Osnabrück

Nach der glanzvollen Opernpremiere wurde am Freitagabend nun auch dem Schauspiel der Vorhang gehoben. Man gab „Wallensteins Tod“, den dritten Teil der Tragödie jenes historischen Herzogs zu Friedland und kaiserlichen Generals, dessen Charakterbild „von der Parteien Gunst und Hass verwirrt“ in der Geschichte ach so schwankte.

Wir glauben den Professoren der Theaterwissenschaft aufs Wort, dass „Wallensteins Tod“ in Konzeption und Sprache schlechthin genial und überhaupt nicht mehr zu überbieten ist, ein Mammutwerk an Fleiß, ein Höhepunkt klassischer Dichtkunst, das Herzstück eines deutschen Dichters.

Was aber, frage ich, sagen die Professoren zu dem Umstand, dass „Wallensteins Tod“ vor halbleerem Hause stattfand und dass einige vom Alltag geplagte Herrschaften Mühe hatten, ihre Unlust zu verbeißen? Kann es sein, dass sie sich dafür doch nicht allzu heftig alterieren mochten, auf welche Weise Anno Diaboli 1634 ein verräterischer General ums Leben gebracht wurde? Wallenstein ward, indes er schlief, erdolcht.

Wir Heutigen kennen da, geschunden durch Weltkrieg Eins und Zwei, viel originellere Methoden. Was das anbelangt, sind wir tüchtig vorangekommen. Nur lesen und schreiben und zuhören können wir nicht mehr. Unser Gedankengut besteht aus Schlagzeilen. Aber dafür kann der Dichter nichts, und erst recht nicht seine Schauspieler.

Die Aufführung war, gelenkt von dem tüchtigen Heinz Bender-Plück, hervorragend und über jede Bemerkung erhaben. Heinrich Wilbert staffierte die Hauptrolle mit all den feinen und rätselhaften Verästelungen des Wallensteinschen Charakters aus: Ehrgeiz, Herrschsucht, Zweifel, Angst, Unentschlossenheit, Misstrauen – und war doch zuzeiten ein väterlich-betulicher Hausgeist, der die Liebe der Seinigen ersehnt und nichts Arges plant. Ihn brachten nicht die Feinde zu Fall, sondern die Freunde. Diese Ironie im Schicksal des unglückseligen Generals verstand Heinrich Wilbert geschickt herauszustellen.

Markant war ebenfalls sein Gegenspieler Octavio Piccolomini, von Victor Tacik dargestellt: eine hintergründige, zielbewusste und nicht unbedeutende Persönlichkeit, ausgestattet mit den Attributen diplomatischer Eleganz und Schläue.

Ein jugendlicher Held von exemplarischer Frische war Wolfgang Günther als Max Piccolomini. Werner Rundshagen und Walter Laugwitz traten mit profilierter Darstellungskunst als die Vertrauten des Feldherrn auf: Terzky und Illo. Als Isolani, General der Kroaten, verirrte sich Eberhard Zöller schelmisch ins Operettenfach.

Herbert Mandel verlieh dem Dragonerchef Buttler die raue Haut eines Kriegshelden. Das Puritanische im Wesen des schwedischen Gesandten Wrangel malte Hannes Zaddach aus. Als Gordon, Kommandant der Festung Eger, machte Erwin Dorow gute Figur. Zwei als Mörder gedungene Hauptleute waren Günter Thiele und Eberhard Zöller.

Albert Weydling brachte als Astrolog Seni einen silberhaarigen Gelehrten ins Spiel. Die Kunde vom Tod des Max Piccolomini überbrachte Folkrad Dietl in der Rolle eines schwedischen Hauptmanns. In den Stulpenstiefeln eines Pappenheimers kommandierte Gerhard Kauffmann eine Gruppe von Kürassieren.

Der Dreißigjährige Krieg, mal in Pilsen, mal in Eger. Eine Welt voll männlicher Konflikte, Intrigen und Mordabsichten. Geruch von Pferden, Blut und Siegellack. Darin stehen drei Frauengestalten ganz am Rande: Wallensteins Gemahlin, deren Tochter und Schwester.

Anne-Liese Johow wirkte als Herzogin von Friedland würdevoll und geängstigt. Renate Oelschläger hinterließ als Thekla, die ihren Geliebten in der Schlacht verloren hat, nachhaltigen Eindruck. Hoheitsvoll und herb gab sich Edith Lechtape als Gräfin Terzky, die den Untergang ihres Hauses durch Selbstmord betont.

„Betrug ist überall und Heuchelei“, heißt es im Text. Nirgendwo ist ein Schimmer von Hoffnung zu erblicken. Die Stimmung ist düster. Düster ist

auch das Bühnenbild von Wolfram Munz. Aus dem mit kriegerischen Emblemen und fürstlichem Hausrat karg bestellten Raum holt der Scheinwerfer den Darsteller dekorativ ins Licht.Bemerkenswerter Beifall für eine saubere, eindrucksvolle Ensembleleistung.

„Wallensteins Tod“ wurde 1799 in Weimar uraufgeführt. Der Verfasser hieß Friedrich von Schiller. Er war Professor für Geschichte in Jena. Er war befreundet mit Goethe. Er starb …

Aber das weiß man ja.

07082022

Anmerkungen zu dieser exklusiven OR-Serie

Bernhard Schulz (1913 – 2003) dürfte ein Osnabrücker Autor sein, der nicht nur in seiner Heimatstadt wahrhaftig keinen Vergleich zu scheuen braucht: Stolze 24 Bücher und fast 2.400 (!) Kurzgeschichten sind seit 1934 erschienen. Letztere fanden sich in Zeitungsausgaben, Anthologien und Sammelbänden. Völlig zu Unrecht, das ist zumindest die Auffassung der OR-Chefredaktion, ist dieser markante Schreiber heutzutage fast in Vergessenheit geraten. Wir drucken die Geschichten im Original ab.

Eine bemerkenswerte Resonanz erfuhr in der Osnabrücker Rundschau eine Reportage von Heiko Schulze, der sich Anfang Juli dieses Jahres mit dem reichhaltigen Wirken des Osnabrücker Journalisten und Schriftstellers auseinandergesetzt hat. Dies nebenbei nicht ohne Anlass: Wie Hans Wunderlich, Josef Burgdorf oder Karl Kühling zählte Schulz anno 1946 zum Redaktionsteam der damaligen Osnabrücker Rundschau, der leider nur ein kurzes Zeitungsleben zuteil wurde.

Redakteur Bernhard Schulz mit der OR-Erstausgabe vom 1. März 1946Redakteur Bernhard Schulz mit der OR-Erstausgabe vom 1. März 1946

Ganz im Gegensatz zu Bernhard Schulz hat es sein enger Freund Fritz Wolf (1918-2001) bis heute in die Ahnengalerie von solchen Osnabrückerinnen und Osnabrückern geschafft, die über Jahrzehnte, von der NOZ bis zum Stern, erfolgreich versucht haben, den deutschen Zeitgeist textlich oder zeichnerisch zu spiegeln. Immer wieder ergeben sich bis heute aktuelle Anlässe, um an den Meister des feinen Federstrichs mit seinen stets liebevoll in Szene gesetzten Prominenten zu erinnern.

Sohn Ansgar und Bernhard SchulzSohn Ansgar und Bernhard Schulz
Bernhard Schulz und Fritz Wolf 1951Bernhard Schulz und Fritz Wolf 1951

Kurzum: Anlässe genug, fortan eine neue OR-Serie zu starten, in der ausgewählte Kurzgeschichten von Bernhard Schulz mitsamt ihrer zeichnerischen Begleitung durch Fritz Wolf vorgestellt werden. Herzlich gedankt sei an dieser Stelle Ansgar Schulz-Mittenzwei, der die neue Serie im vertrauensvollen Kontakt zur OR-Redaktion erst ermöglicht hat und der bis heute in liebevoller Weise das literarische Erbe seines Vaters verwaltet.

Alle Schulz-Geschichten sowie etliche Wolf-Zeichnungen besitzen eine einzige Quelle, die in jüngster Zeit, ebenfalls durch das entscheidende Mitwirken seines Sohnes Ansgar, erscheinen konnte. Entnommen sind sie nämlich dem Schulz-Buch „Den Löwenzahn zermalmt nicht die Kesselpauke oder Hinwendung zur Geborgenheit. 200 kurze Geschichten der Jahre 1945-1965.“ Das kompakte Werk ist im Buchhandel (beispielsweise bei Wenner), online oder direkt über die Website www.BernhardSchulz.de erhältlich.

 


Neugierigen seien überdies diese Internet-Seiten ans Herz gelegt:
Webseite von Bernhard Schulz
Wikipedia über Bernhard_Schulz 
Webseite Fritz Wolf
Interview mit Ansgar Schulz Mittenzwei, dem Sohn von B. Schulz

Bislang in der OR erschienen:
Geschichte vom 21.11.2021
Geschichte vom 28.11.2021
Geschichte vom 05.12.2021
Geschichte vom 12.12.2021
Geschichte vom 19.12.2021
Geschichte vom 26.12.2021
Geschichte vom 02.01.2022
Geschichte vom 09.01.2022
Geschichte vom 16.01.2022
Geschichte vom 23.01.2022
Geschichte vom 30.01.2022
Geschichte vom 06.02.2022
Geschichte vom 13.02.2022
Geschichte vom 20.02.2022
Geschichte vom 27.02.2022
Geschichte vom 06.03.2022
Geschichte vom 13.03.2022
Geschichte vom 20.03.2022
Geschichte vom 27.03.2022
Geschichte vom 03.04.2022
Geschichte vom 10.04.2022
Geschichte vom 17.04.2022
Geschichte vom 24.04.2022
Geschichte vom 01.05.2022
Geschichte vom 08.05.2022
Geschichte vom 15.05.2022
Geschichte vom 22.05.2022
Geschichte vom 29.05.2022
Geschichte vom 05.06.2022
Geschichte vom 12.06.2022
Geschichte vom 19.06.2022
Geschichte vom 26.06.2022
Geschichte vom 03.07.2022
Geschichte vom 10.07.2022
Geschichte vom 17.07.2022
Geschichte vom 24.07.2022
Geschichte vom 31.07.2022

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