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Dienstag, 24. Juni 2025
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Bodo Ramelow in Osnabrück

Bundestagsvizepräsident spricht über Mieten, Migration und Parteiaustrittsgerüchte

Bei bestem Wetter traf sich am Donnerstag Bodo Ramelow, Ministerpräsident a.D. und Vizepräsident des Bundestages, mit ca. 100 Osnabrückern im Biergarten des Grünen Jäger, um Fragen zu beantworten und über die politische Situation in Deutschland zu sprechen.

Unter dem Motto „Osnabrück fragt – Bodo Ramelow antwortet“ äußerte sich das Linkspartei-Urgestein eine gute Stunde lang zu verschiedensten Themen, bevor er zum Friedensgespräch über die Beziehung zwischen Osten und Westen Deutschlands in der Universität erwartet wurde. Ramelow selbst wurde in Niedersachsen geboren, bevor er nach der Wende als Gewerkschafter nach Thüringen ging und dort eine steile Karriere in der Landespolitik hinlegte, in der er es bis zum einzigen Linken Ministerpräsidenten in Deutschland schaffte.

In seinem Element ist Ramelow, wenn er über seine Wahlheimat Thüringen redet. Hier kann er mit Statistiken, Anekdoten und geschichtlichen Rückgriffen bis zur Erfindung der Regenbogenfahne in den Bauernkriegen im 16. Jahrhundert glänzen. Ein Kernanliegen, auf das er dabei immer wieder zurückkommt, ist die Vielfalt in der Gesellschaft. Er prangert an, dass Migranten von weiten Teilen der Politik als Sündenböcke genutzt werden, und beschreibt, wie in Erfurt muslimische Menschen regelmäßig mit Anfeindungen und sogar Angriffen rechnen müssen. Auch die Logik, den Schutz Zugewanderter von ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit abhängig zu machen, kritisiert er – weist aber auch gern darauf hin, dass Ausländerinnen in Thüringen zwar nur 8% der Gesamtbevölkerung, aber 40% des Krankenhauspersonals ausmachen.

Was Meldungen über einen möglichen Austritt Ramelows aus der Linkspartei angeht, die er selbst mit einem Eintrag auf seiner Website ausgelöst hatte („Bin ich dabei, die Partei zu verlassen – oder verlässt meine Partei gerade mich?“), beschwichtigt er in Osnabrück. Er habe lediglich über Veränderungen in der Linken reflektieren und ein Diskussion anstoßen wollen, erklärt er auf eine entsprechende Frage; Spekulationen über einen Bruch mit der Partei seien Übertreibungen in den Medien geschuldet.

(c) Die Linke, Kreisverband Osnabrück-Stadt

So tritt der 69-Jährige dann auch betont harmonisch auf, wenn er über die ebenfalls anwesende Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek spricht und den Wert der Perspektiven sowohl der alten Garde als auch der vielen neuen Mitglieder unterstreicht. Er betont, dass er sich der Partei, deren Vorgängerin PDS er 1999 beitrat und an deren Geschichte er maßgeblich beteiligt gewesen ist, nach wie vor eng verbunden fühle und auch weiterhin in ihr arbeiten wolle.

Dass er mit einigen Entwicklungen in seiner Partei hadert, wird aber auch deutlich. Den Parteitag der thüringischen Linken in Ilmenau bezeichnet er als „zum Teil schmerzhaft“. Dort wurde unter anderem die von Ramelow befürwortete Aufhebung des Verbotes von Ämterhäufung innerhalb der Linken abgelehnt, womit ein Wechsel der Landesvorsitzenden notwendig wurde, und eine Analyse von Fehlern während der Regierungszeit von 2014 bis 2024 gefordert. Der kompromissbereit der politischen Mitte zugewandte Kurs der Linken in Thüringen wurde dabei kritisiert – Ramelow verteidigt ihn: Die Linke dürfe sich nicht isolieren, betont er sowohl im Biergarten als auch auf seiner Website.

Weitere Themen, über die Ramelow spricht, sind die weiter steigenden Mieten, die Kinderbetreuung und die Rente. Er kritisiert den Abverkauf von Genossenschaftswohnungen und fordert eine „Bildungsoffensive“ angesichts der sich rasant verändernden Anforderungen an junge Menschen. Man dürfe keine Angst haben müssen, ein Kind zu bekommen, und auch keine Angst, alt zu werden, fasst er seine Forderungen zusammen. Auch zur angespannten internationalen Lage von der Ukraine bis in den nahen Osten und dem Aufstieg rechter Kräfte in Deutschland und anderswo sucht Ramelow nach Lösungen. Doch manchmal kann selbst der altgediente Politiker nur noch den Kopf schütteln: „Scheiße, ist die Welt verrückt geworden.“

Hagen Gieloff

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