Donnerstag, 28. März 2024

Der Komponist Kurt Weill und Ehemann von Lotte Lenja wurde vor 124 Jahren geboren

Kurt Weill am 8. Mai 1945 an Lotte Lenja:

„Ich denke den ganzen Tag an dich, weil es ja der Tag ist, auf den wir zwölf lange Jahre lang gewartet haben – seit jener Nacht im März 1933, in der wir per Auto nach München fuhren. (…) Hier [Los Angeles] merkt man nicht viel von Festtagsstimmung. Hier ist man dem Krieg im Pazifik viel näher und das lässt echte Friedenslaune nicht aufkommen. (…) Aber früh als ich aufstand (ich habe um 6 Uhr Trumans und Churchills Reden gehört) wurde mir klarer denn je, was dies bedeutet – und als ich zum Studio fuhr, fühlte ich mich wie eine Million Dollar, weil es zu einer Zeit geschehen ist, in der wir noch jung sind und in einer Welt ohne Nazis genießen können, was man so unsere besten Jahre nennt.“

„Einem ‚Künstler‘, der zu zuchtlosen, die Kunst und den Sinn für echte Kunst bewußt zersetzenden Texten eine ‚Musik’ schrieb, die sich den Librettos ebenbürtig anpaßte, einem solchen Komponisten muß man mit Mißtrauen begegnen, noch dazu, wenn er es sich als Jude erlaubte, für seine unvölkischen Zwecke sich einer deutschen Opernbühne zu bedienen! […] Es kommt auf den Geist an und auf die Gesinnung. Der Geist aber ist ‚snobistisch’, die Gesinnung spekulativ! Es ist nichts Starkes in dieser Musik, nichts, was den Aufwand rechtfertigen könnte. Unschön und krankhaft – das sind die Merkmale…“. [völkischer beobachter, 24.2.1933]

„Meine Frau. Sie ist eine sehr gute Schauspielerin. Sie kann keine Notenlesen, aber wenn sie singt, dann hören die Leute zu wie bei Caruso. (Übrigens kann mir jeder Komponist leid tun, dessen Frau Noten lesen kann.) Sie kümmert sich nicht um meine Arbeit (das ist einer ihrer größten Vorzüge). Aber sie wäre sehr böse, wenn ich mich nicht für ihre Arbeit interessieren würde. Sie hat stets einige Freunde, was sie damit begründet, daß sie sich mit Frauen so schlecht verträgt. (Vielleicht verträgt sie sich aber auch mit Frauen darum so schlecht, weil sie stets einige Freunde hat.) Sie hat mich geheiratet, weil sie gern das Gruseln lernen wollte, und sie behauptet, dieser Wunsch sei ihr in ausreichenden Maße in Erfüllung gegangen. Meine Frau heißt Lotte Lenja.“
[kurt weill, „münchner illustrierte presse“, mai 1929]

„Das war eins der ärgsten Flüchtlingstreffen, die ich je über mich ergehen ließ. Ein deutschsprachiger Abend schlimmster Sorte. Hauptthema der Unterhaltung war Klatsch über die anderen Emigranten und eine ausgedehnte Diskussion über G‘stürztes [eine art kartoffelpfannkuchen]. […] Ich fange an zu glauben, daß wir fast die einzigen unter all diesen Leuten sind, die amerikanische Freunde gefunden haben und wirklich in diesem Land leben. Die leben alle noch in Europa. Ach, soll sie doch der Teufel holen.“ [weill, nach einer dinnerparty im hause des schauspielers walter slezak in hollywood an lenya, 1944]

„Kurt Weill war ein großer Volkskünstler. Ich meine mit diesem Wort einen, dem es gelingt, den gemeinsamen Nenner, der allem Menschlichen gemeinsam ist, in seiner Kunst zu treffen. Weill gelang es in Deutschland. Weill gelang es in Frankreich. Und es gelang ihm in den Vereinigten Staaten. Dabei war Weill kein Franzose. Er war auch kein Amerikaner, ausgenommen im äußerlichen Sinn, daß er naturalisiert war. Von Natur aus war er bestimmt kein Amerikaner. Von Natur aus war er ein Mensch und ein Künstler. Da er Künstler im wahrsten Sinne des Wortes war, verstand er alle Menschen, und alle ihre Lieder, denn gute Lieder sind nichts als Träume, Hoffnungen und geheime Schreie tief in den Seelen aller Völker der Welt. Kurt Weill verachtete nicht das geringste dieser Lieder, denn er wußte, daß der Letzte der Erste sein könnte […] Wäre er in Indien eingewandert und nicht in die Vereinigten Staaten von Amerika, hätte er, wie ich glaube, wundervolle indische Musik geschrieben und genauso realistisch indische Kinderspiele nachgeschaffen. […] Weill hatte etwas zu sagen, und er sagte es auf die einfachste und geradlinigste Weise, in der allgemeinverständlichen Sprache eines jeden Landes, in dem er lebte, in Wirklichkeit in der universalen Sprache jener Welt jenseits unserer Welten, mit der alle menschlichen Seelen verbunden sind. […] Darum kann Deutschland Weill als Deutschen, Frankreich ihn als Franzosen, Amerika ihn als Amerikaner und ich ihn als Schwarzen ausgeben.“
[langston hughes, der schwarzer texter von „street scene“, 1950)

„Doch wie groß Kurt Weill als Komponist war, wird die Welt allmählich entdecken – denn er war ein weitaus größerer Musiker, als man heute denkt. Es werden Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte nötig sein, aber wenn es eines Tages soweit ist, dann wird Kurt Weill als einer der wenigen bleiben, die große Musik geschrieben haben. […]
[max anderson, texter u. a. von „lost in the stars“, 1950]

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Judith Kessler
Judith Kessler
Judith Kessler ist Sozialwissenschaftlerin, Redakteurin und Autorin mit den Schwerpunkten jüdische Migration, Gegenwartskultur und Biografieforschung.
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