Judith Kessler: Carl der Erste, der schwedische König von der Kannibaleninsel

Erinnert sich noch wer an Ephraim, den Papa von Pippi Langstrumpf (sorry: Pipilotti Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf)?

Der fesche Kerl links auf dem Foto ist sein Vorbild: Carl-Emil Pettersson, König von Tabar in Papua-Neuguinea, war in Schweden in aller Munde, nachdem ein Diplomat 1913 die Insel besucht und Fotos von ihm und seiner Familie veröffentlicht hatte und in den Jahren danach alle Zeitungen Petterssons (wohl meist geflunkerten) Abenteuer begierig abgedruckt und auch Astrid Lindgren zu ihrer Vaterfigur inspiriert haben …

Aber wie kommt ein Handwerkersohn aus einem schwedischen Kaff namens Skogstorp auf einen Königsthron am anderen Ende der Welt?

Carl-Emil Pettersson war 1892 als 17-jähriger Seemann geworden und sechs Jahre später im damaligen Bismarck-Archipel gelandet, wo er für das deutsche Handelshaus Neuguinea-Compagnie arbeitete. Bis sein Schiff, die „Herzog Johan Albrecht“, am Weihnachtstag 1904 im Pazifischen Ozean Schiffbruch erlitt. Pettersson konnte sich auf die Insel Tabar retten, deren Bewohner im Ruf standen, dem Kannibalismus zu frönen. Die Insulaner taten jedoch nichts desgleichen, sondern bewunderten (so seine Version) nur seine knallblauen Augen, und schleppten ihn zu ihrem König. König Lamy hatte solche Augen auch noch nie zuvor gesehen, war seinerseits schwer beeindruckt und erlaubte dem Schweden, auf der Insel zu bleiben.

Pettersson war charmant, gut aussehend und ein körperlich sehr starker Mann. Es kursierten viele Anekdoten um „Strong Charley“, den die Einheimischen auch „Masta Sale“ nannten und der hier nun mit Kopra handelte und sich in Prinzessin Singdo, die Tochter des Königs, verliebte. Drei Jahre nach seiner Ankunft auf der Insel heirateten die beiden und gründeten eine eigene Kokosnussplantage, die Pettersson „Teripax“ nannte und später um zwei weitere Plantagen, „Maragon“ auf der Insel Simbéri und „Londolovit“ auf den Lihir-Inseln, erweiterte. Pettersson respektierte die örtlichen Gepflogenheiten und sorgte sich um seine Arbeiter, was für damalige Verhältnisse ungewöhnlich war, so dass auch die Einheimischen ihn mochten und respektierten. als sein Schwiegervater Lamy starb, wurde also Pettersson König – „Carl der Erste“.

Im Laufe der Jahre segelte König Carl von Zeit zu Zeit nach Schweden zurück, um Handel zu treiben und Geschichten über seine „Kannibaleninsel“ zu erzählen. Petterson war erfolgreich in seinem Geschäft und glücklich mit seiner Prinzessin. Er hatte acht Kinder mit Singdo (das neunte war nach der Geburt gestorben), die alle schwedische Namen bekamen. Doch 1921 starb seine Frau nach einer neuerlichen Geburt am Kindbettfieber.

Mit einem Haufen Kinder und niemandem, der sich um sie kümmerte, kehrte Pettersson 1922 nach Schweden zurück, um eine neue Frau zu finden. Er lernte die anglo-schwedische Jessie Louisa Simpson kennen. Sie ging mit ihm 1923 auf die Insel und sie heirateten dort. Doch während Petterssons Abwesenheit war die Plantage verfallen und er stand kurz vor der Pleite. Bis er auf der Insel Simberi ein Goldvorkommen entdeckte (das er jahrelang geheimhielt). Obwohl es ihnen materiell nun wieder besser ging, beschlossen beide irgendwann, die Insel zu verlassen, da sie schwer an Malaria erkrankt waren. Jessie fuhr allein nach Australien vor, um sich behandeln zu lassen, und kehrte anschließend nach Schweden zurück, wo sie 1935 an Malaria und Krebs starb. „Carl der Erste“, inzwischen auch in Australien, erlag zwei Jahre später einem Herzinfarkt.

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Judith Kessler
Judith Kessler
Judith Kessler ist Sozialwissenschaftlerin, Redakteurin und Autorin mit den Schwerpunkten jüdische Migration, Gegenwartskultur und Biografieforschung.
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