Donnerstag, 2. Mai 2024

Mitglied der evangelikalen Sekte „Lebensquelle“ sitzt seit September für die AfD im Stadtrat

Am 19. September zog Alexander Garder für die AfD in den Stadtrat ein

Noch ist die AfD eine Randerscheinung im Osnabrücker Stadtrat, doch vor wenigen Monaten zog ein Mitglied der erzkonservativen Sekte „Lebensquelle“ in den Stadtrat als Nachrücker von Viktor Jersch ein.

Lebensquelle? Einen ausführlichen und hervorragend recherchierten Artikel über diese russlanddeutsche, ultrarechte, putinhörige Pfingstgemeinde gibt es in der TAZ.

Und in der NOZ gibt es einen Bericht von Wilfried Hinrichs über Alexander Garder und dessen Segnung durch den Kreml-Freund Waldemar Herdt, Ex-AfD-Bundestagsabgeordneter, Aussiedler und führender Kopf der Lebensquelle.

Und da war doch noch mehr …

… richtig: Marcel Trocoli Castros Dokumentarfilm „Seelenfänger Lebensquelle – Eine christliche Parallelwelt in Osnabrück“ entlarvt diesen Verein als das, was er ist: ein Sammelbecken ultrarechter Christ:innen.

Dass Alexander Garder in der rechtsradikalen Telegramgruppe „Grundrechte Osnabrück“ Mitglied ist, war nicht anders zu erwarten.

 


Blick zurück in die Zukunft

Als OB-Kandidat geriet ich bereits vor genau zehn Jahren ins Visier dieser Gotteskrieger*innen, hier ein Auszug aus meinem Buch „Unglaublich wahre Geschichten – Wenn der Alltag zur Satire wird“:


Mein gottloser Wahlkampf

2013 kandidierte ich in meiner geliebten Heimatstadt Osnabrück mit fünf weiteren Mitbewerbern für das Amt des Oberbürgermeisters.

Mit Genugtuung denke ich daran zurück, dass ich trotz meines Null-Cent-Wahlkampfs den FDP-Kandidaten hinter mir lassen konnte. Weniger gefallen hat mir, dass ich die anderen vorlassen musste, aber ich hatte ja auch keine Partei oder sonstige Großkonzerne im Rücken.

Aus logischer Sicht hätte ich allerdings ohnehin nicht mehr als die immerhin erlangten 2.153 Stimmen erhalten können, da diese 2.57% nach der gaußschen Normalverteilung exakt dem Anteil hochbegabter Menschen an der Gesamtbevölkerung entsprechen. Die Zukunft lässt allerdings hoffen, denn auf Elternabenden steigt der Anteil hochbegabter Kinder auch in Osnabrück mittlerweile auf annähernd 100 Prozent.

Schon wegen des nicht vorhandenen Budgets fand mein Wahlkampf ausschließlich auf einer mittlerweile gelöschten Facebook-Seite statt, die am Ende von über 5.000 Usern gelikt worden war.

Während des Wahlkampfs entwickelte sich in Osnabrück ein bis in die jüngste Vergangenheit währender Streit um eine freie Kultur- und Clubszene auf dem alten Güterbahnhof. Das riesige Gelände hat sich zum Teil der Glaubensverein Lebensquelle e.V. unter den Nagel gerissen, um dort in naher Zukunft einen Gebetsschuppen von wahrhaft babylonischem Ausmaß zu errichten.

Bundesweit berühmt wurde diese Sekte insbesondere durch das denkwürdige Wahlplakat ihres Mitglieds Ralf Gervelmeyer, der bei der parallel stattgefundenen Bundestagswahl als Direktkandidat der Partei Bibeltreuer Christen antrat.

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In Osnabrück geriet Gervelmeyer eher durch ein Fernsehinterview im Lokalsender os1.tv ins Zwielicht der Öffentlichkeit, in dem er aus seiner Homophobie und seinen sonstigen verschwurbelt reaktionären Ansichten keinen Hehl machte.

So ist es jedenfalls kein Wunder, dass die meisten Verfasser der Droh-PNs und Hasskommentare laut Facebook Anhänger dieses Glaubensvereins Lebensquelle e.V. oder anderer evangelikaler Sekten waren. In diesen vor göttlichem Zorn triefenden PNs und Kommentaren wurde ich wiederholt aufgefordert, antireligiöse Inhalte von meinen Seiten umgehend zu löschen, seien es satirische Texte, Plakate, Fotos oder Karikaturen, weil sonst …

… ja, was denn sonst eigentlich?

Einige dieser Kommentare, deren niveauloser oder schlichtweg unverständlicher Inhalt sich nicht lohnt wiedergegeben zu werden, wurden nicht von mir, sondern von Freunden an staatliche Stellen weitergeleitet, da sie meine Privatsphäre und sogar mein Leben bedroht sahen. Jedenfalls herrschte urplötzlich Funkstille und es trudelten via Facebook peu à peu merkwürdige Entschuldigungen ein.

Im Zuge dieser Entschärfungsphase wollte sich Ralf Gervelmeyer sogar eines Tages mit mir auf Facebook ‚befreunden‘. Woran man sieht, wie hoch man derlei Freundschaften zu bewerten hat.

Dummerweise hatte ich einem Journalisten erzählt, diese Freundschaftsanfrage während eines Auftritts per Beamer auf großer Leinwand annehmen zu wollen, um diesem geschäftsführenden Gesellschafter der Leiharbeitsfirma „Personal Partner GmbH“ und der Immobilienfirma „Zion GmbH“ ganz öffentlich ein paar unangenehme Fragen zu stellen.

Leider wurde im Vorbericht zu dem Auftritt etwas von der Anfrage dieses christlichen Maklers und vermeintlichen Menschenhändlers erwähnt, die Gervelmeyer daraufhin noch am selben Tag zurückzog. Damit hatte sich die Sache erledigt und kurz darauf hatte er sein Facebook-Konto offenbar komplett gelöscht oder mich blockiert.

Dafür war er neulich auf einem Foto in der Neuen Osnabrücker Zeitung als Besucher bei einer von der AfD organisierten Lesung des rechtsradikalen Stammtischlyrikers Akif Pirinçci zu sehen.

Da wächst offenbar zusammen, was zusammengehört.

(Mittlerweile soll sich der aufrechte Gotteskrieger Gervelmeyer auf eine paradiesische Insel zurückgezogen haben. Wer ihn dort findet, darf ihn behalten.)

dreiineins

Private Nachricht (PN) von T. E.:
Den Rest erledigt Gott. Amen!

„Es ist sehr deprimierend von Ihnen zu hören, dass Sie so öffentlich GEGEN die Lebenquelle sind. Es ist nicht wahr, dass die Lebensquelle gegen Homosexualität ist. Homosexualität ist eine Sünde und jeder Mensch begeht Sünde. Zwar nicht diese, aber jeder Mensch ist gleich. In der Bibel steht: ‚Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst‘. Und genau das setzt die Gemeinde Lebensquelle um. Sie lieben einander.

Und dass Sie jetzt auch noch Oberbürgermeister werden möchten!

Was braucht Osnabrück?

Osnabrück braucht einen Menschen, mit dem Mann reden kann. Und das nicht nur ÖFFENTLICH. Einen Menschen, mit dem man nicht diskutieren muss, sondern einen, der sofort die Pläne umsetzt. Und das, was Sie tuen, ist total falsch. Sie merken gar nicht, dass Sie vom Satan beherrscht werden.

Wer ist der Erlöser?

Gott!

Wer ist der Schöpfer?

Gott!

Sie werden noch sehen, dass Sie verlieren. Denn: In der Bibel steht davon, wenn wir den Samen pflanzen, erledigt Gott den Rest.

Und genau so ist es. Wir Christen von allen Regionen (Osnabrück, Bramsche, Venne, Cloppenburg, Vechta stehen hinter der Lebensquelle. Wir setzen uns ein (Wir pflanzen den Samen), den Rest erledigt Gott. Amen!“


Meine Antwort:

„Lieber T. E.,

nachdem ich in mich hineingehört, also eine Art ferngesteuerter Rücksprache mit dem Leibhaftigen geführt habe, melde ich mich hiermit für eine Teufelsaustreibung in Ihrem Verein Lebensquelle e.V. an. Ich könnte am besten nächsten Donnerstag ab 14 Uhr. Ob der Satan an dem Tag auch Zeit hat, wollte er mir nicht verraten, aber das könnten Sie dann ja auch mit Ihrem allwissenden Vorgesetzten klären, denn mich nervt der Typ kolossal.

Ich verstehe Ihre FB-Nachricht im Gegensatz zu Sektenexperten nämlich nicht als versteckte Drohung, sondern als positive Aufforderung, mich umgehend zu verändern, weil sonst, wie Sie so schön schreiben, ‚den Rest Gott erledigt‘. Gut nur, dass der wie immer weltweit damit beschäftigt ist, seinen Samen durch Kriege, einstürzende Neubauten und eine Natur- und Hungerkatastrophe nach der anderen zu pflanzen.

Doch bevor Gott nun zur Tat schreitet und den von Ihnen angekündigten Rest erledigt, hätte ich da noch schnell einen Vorschlag für die Lebensquelle e.V. bezüglich des alten Güterbahnhofs, zumal ja nun von Vereinsseite zu hören ist, sie wolle die kulturellen Aktivitäten auf dem Gebiet sogar erhöhen. Nun, eine Erhöhung kann ja in Ihrer Sekte nur in Richtung Himmel stattfinden, oder?

Deshalb hier nun meine Idee: Wir errichten auf dem riesigen Gelände einen bibeltreuen kreativen Kreationisten-Kulturpark – kurz KKK genannt. Solch ein Freizeitpark fehlt nicht nur unserer Stadt.

Einen Paradiesgarten haben ja schon Ungläubige angelegt. Fehlt also noch ein Brunnen, aus dem das heilige Wasser der Lebensquelle sprudelt und das man, in kleinen Fläschchen abgefüllt, als homöopathisches Heilmittel für erkrankte Seelen verkaufen könnte. So wird die Lebensquelle auch im wahrsten Sinne des Wortes zur Einnahmequelle und den Sektenbossen geht es doch eigentlich nur darum. Richtig?

Dann die Vertreibung aus dem Paradies. Laienschauspieler und -prediger kämmen Hand in Hand, mit Baseballschlägern bewaffnet, das gesamte Gelände leer. Ein echtes Vergnügen für jedermann mit direktem Übergang zur Erlebniswelt von Sodom und Gomorrha.

Wie wäre es mit einem Scheiterhaufen für Lesben und Schwule – gesponsert von Snickers ‚Wenn’s mal etwas länger dauert …‘?

Oder mit einem Fegefeuer – natürlich gesponsert von Gazprom ‚We light up your life‘ – für unreuige Sünder wie mich?

Und da Gott es laut Bibel offenbar genießt, wenn Abraham völlig sinnlos Tiere abschlachtet, darf auch eine Filiale von McDonald’s nicht fehlen.

Und der Ökumene und der Political Correctness wegen: Für die christliche Scharia mit Gottesurteil braucht es noch einen kuscheligen Platz für Auspeitschungen, Steinigungen und Händeabhacken.

Ein florierender Ablasshandel an der Eintrittskasse wäre eine tolle Nebeneinnahme und würde unsere katholischen Glaubensbrüder bestimmt fürs erste zufrieden stellen, auch wenn ich diesbezüglich rasche Nachbesserungen fürchte.

Ach, mir fallen so viele schöne Dinge für den neuen KKK-Park ein, die Lebensquelle sprudelt nur so aus mir heraus. Für eine kreativ-kreationistische Pause schere ich mich jetzt erst einmal zum Teufel.

Kalla Wefel“


Du sollst nicht lügen!

Nachdem ich die vorhergehende Facebook-PN von T. E. samt meiner Antwort auf meiner OB-Wahlkampfseite veröffentlicht hatte, erreichte mich einen Tag später folgende persönliche Nachricht. Diese zweite PN wurde garantiert nicht von ihm selbst verfasst, was nicht nur an der urplötzlich gewählten Kleinschreibung, sondern auch an dem recht fehlerfreien Deutsch und dem versöhnlichen Tonfall zu erkennen ist.


PN von T. E.:

„lieber kalla wefel, ich habe gelesen, was sie gepostet haben. . .. ich bin kein anhänger der lebensquelle. ich denke es wäre angebrachter, wenn sie die nachricht nicht öffentlich verkünden würden. . . ich entschuldige mich für die art und weise, mit der ich die erste nachricht geschrieben habe und bitte darum sie zu löschen.“


Meine Antwort:

„Lieber T. En… huch, fast hätte ich im satanischen Zorn den Namen ausgeschrieben! Ich muss nun aber mal richtig böse mit dir schimpfen, T..

‚Du sollst nicht lügen!‘ hat meine Mutter mir mal gesagt, die ich bis heute wie eine Göttin verehre (da Sie wissen, dass ich Atheist bin, hält sich das mit der Verehrung natürlich in Grenzen).

Lesen Sie sich Ihre Nachricht von gestern noch mal ganz langsam und in Ruhe durch, dann werden Sie rasch feststellen, dass Sie sehr wohl Mitglied des eingetragenen Glaubensvereins Lebensquelle sind. Es nützt auch nichts, im Nachhinein auf der eigenen Facebook-Seite Links zu löschen. Außerdem macht das doch gar nichts, dort Mitglied zu sein. Es gibt Schlimmeres, habe ich mir jedenfalls sagen lassen, oder tut das weh?

Übrigens finde ich es ganz toll, dass Sie und andere Vereinsmitglieder der Lebensquelle oder versprengte Kreuzritter als Einzeltäter sich seit einigen Wochen in mein Leben einmischen. All diese Menschen schreiben nämlich eifrig an meinem neuen Kabarettprogramm ‚Nur die Zukunft ist gewiss‘ mit. Sie zwingen mich praktisch dazu, völlig verständnislos den Verstand einzusetzen, so ungewohnt das für Sie, werter T. E., wiederum sein mag.

Am liebsten hätte ich ja à la Big Brother in einem heroischen Selbstversuch eine Woche in Ihrer Gemeinde verbracht, doch leide ich noch unter den Spätfolgen eines womöglich viel gewagteren Experiments am lebendigen Leibe: Eine Woche rund um die Uhr RTL2-Gucken ist nun mal nicht spurlos an mir vorübergegangen!

Dienstag fahre ich dann zu den sympathischen Hooligans von Dynamo Dresden, danach ist ein Bungee-Springen im Kölner Dom während einer Messe von Kardinal Dingelskirchen geplant und als letzte Mutprobe der Besuch eines Konzerts von André Rieu mit anschließendem Abendessen, und zwar mit dem Künstler an einem Tisch! Falls Ihnen das nicht reicht: Heino und Andrea Berg sind die Stargäste.

Vielleicht fürchte ich nach all diesen Mutproben ja auch kein Unglück mehr und wäre sogar für ein, zwei Tage oder zumindest für ein paar Minuten Lebensquelle bereit. Aber keine Sorge, ich halte es ohnehin mit Groucho Marx’ Devise, niemals einem Verein beizutreten, der mich aufnehmen würde.

Und noch etwas zum gütigen Abschluss: Ich bin kein Christ und kann jederzeit vergeben und mich auch übergeben, wann und wo ich will.

Beides tue ich hiermit.

Und nicht, dass Sie nun denken, Sie kotzten mich an. Nein, nein! Weit gefehlt, denn es ist genau umgekehrt: Ich kotze Sie an, und das mit doppeltem Vergnügen.

Kalla Wefel“

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