Schöne Pfingsttage!

Wir wünschen unseren Leserinnen und Lesern entspannte Pfingsttage mit guter Laune und frischer Luft und einer Kurzgeschichte zum Schmunzeln:

Balkonsaison

Endlich!
Endlich Frühling!
Endlich wieder sorglose sonnige Samstagnachmittage auf dem Balkon!
Den Liegestuhl hatte ich gestern schon vorsorglich aus seinem Winterquartier geholt, denn der Wetterbericht sagte Gutes voraus. Jetzt steht er einladend an dem Ort, für den er bestimmt ist, und das ist der Balkon zwischen Blumenkübeln und Plätscherstein und nicht der Keller.

Ein passendes Buch ist ausgewählt, die Sonnenbrille geputzt und die Karaffe mit Wasser und Minzblättchen steht bereit.
Frühlings-Sonnen-Nachmittag – ich komme!
Die Rückenlehne habe ich bequem auf Halbmast verankert, mache es mir bequem und schließe die Augen, um diesen Nachmittag richtig auszukosten.
Die Sonnenstrahlen sind gerade angenehm warm und noch nicht zu heiß, ein leichter Frühsommerwind trägt aus der Ferne das einschläfernde Rauschen der Autobahn herüber.
Vom Rasensprenger gesellt sich noch das rhythmische zig – zig – zig – zig dazu; ich werde schläfrig und fange an zu träumen …

„Mama!“
Ich träume, dass mein Kind mich ruft und mir vom Meer aus zuwinkt.
„Mama!“ ruft es jetzt lauter. Wieso eigentlich Meer?
„Mama!“ Ruft eine Stimme noch lauter. „Ach hier bist Du! Kann ich mir ein Eis aus dem Kühlfach nehmen?“
Ich öffne ein Auge. Da steht mein Kind in der Balkontür und sieht mich fragend an. Kein Meer, kein Strand, kein Urlaub!
„Ja, natürlich –kannst Du.“ Mein Kind zieht glücklich wieder ab, und ich schließe mein linkes Auge wieder.

Inwischen haben zwei Amselmännchen begonnen um die Wette zu singen, um ein wohl in der Nähe hockendes Weibchen zu sich ins Gebüsch unterhalb meines Balkons zu locken.
Ich höre Ihnen zu und überlege mir, welches von beiden wohl den Garten-Songcontest gewinnen wird. Nach einer gefühlten viertel Stunde ist meine Wahl getroffen:
L`oiseau à gauche: douce points – The bird on the left side: twelve points – der linke Vogel zwölf Punkte!
Plötzlich ist es ruhig. Hat ein Weibchen angebissen? Ich werde es wohl nie erfahren. Aber ich gönne es dem linken Vogel!

Sanft gleite ich wieder in einen wohligen Dämmerzustand hinüber und freue mich über den leichten Wind, das Summen der Bienen und die kostbaren freien Minuten.

„Hallo Tina! Na, wer wird denn bei dem tollen Wetter schlafen?“
Na ich, wer sonst! Die Stimme kenne ich: sie kommt von meiner Nachbarin aus der Wohnung schräg über mir. Ich tue jetzt erst einmal so, als hätte ich das nicht gehört.
„Tina? Na komm – Du bist doch wach, oder? Wir wollen gleich grillen, und ich habe gerade festgestellt, dass ich keine Grillanzünder mehr habe. Habt Ihr noch welche? Kannst auch ein Grillwürstchen abbekommen!“
Grillwürstchen? Zum Kaffee? Nur nicht bewegen und Aufmerksamkeit zurückgeben, sonst bin ich verloren!
„Ok – Du schläfst wohl doch! Ich frage Dich nachher nochmal; oder ich fahre kurz zum Supermarkt und kaufe welche. Dann gibt`s aber kein Würstchen!“

Wenn die wüsste, wie wurscht mir das jetzt gerade ist! Fahr einkaufen, Katrin! Eine Tür geht zu – wieder Ruhe!
Die Sonnenstrahlen erhitzen allmählich meine Haare, und ich habe das angenehme Gefühl, dass mein Gehirn langsam weich und gedankenlos wird. Alles zieht an mir vorüber wie ein endlos langes weißes Schäfchenwolkenband am strahlend blauen Himmel. So ist es auszuhalten – bitte, bitte noch ein Weilchen!
Wieso regnet es jetzt? Wieso bekomme ich Wassertropfen ab? Ich schrecke hoch und reiße mir die Sonnenbrille von den Augen. Das hätte ich nicht tun sollen, denn jetzt bin ich fast blind vor Helligkeit.
Aber mein T-Shirt ist tatsächlich nass! Und bemoost! Bemoost? Vielleicht sollte ich doch allmählich in den Schatten gehen, oder träume ich tatsächlich?
Ich schaue mich um – nichts zu sehen!
Zack! Wieder landet ein kleines, nasses Stück Moos auf meinem Bauch.
Mein Blick geht jetzt nach oben, der Moosflugrichtung nach. Über meinem Balkon beginnt das Dach, das wie üblich im unteren Teil mit einer Regenrinne abschließt. Irgendetwas bewegt sich da.
Zack – wieder ein Stück Dreck!
Jetzt sehe ich es: eine Amsel wühlt in dem vom trüben Winter in der Regenrinne zurückgelassenen Matsch; vielleicht um weiche Polster für das neue Nest auszubuddeln.
Ist das der Dank für die zwölf Punkte beim Gartensongcontest?
Ich glaube, es ist Zeit für eine Balkonpause – zum Kaffee kochen, Eis holen und umziehen. Also: runter von der Liege und hinein ins kühle Wohnzimmer!
Mit einer großen Tasse Kaffe und einem leckeren Eis mache und natürlich einem sauberen T-Shirt will ich es mir wieder gemütlich machen.
Aber ich habe nicht mit der Ausdauer und Energie eines kleinen schwarzen Vogels gerechnet. Mein Liegestuhl ist über und über grün und schwarz gesprenkelt. Das war`s dann wohl mit den Sommerträumereien für heute.
Heute Abend wird der Gartenschlauch dann wohl nicht nur die Tulpen bewässern, sondern auch die Liege abspülen müssen.
Gut, nicht zu ändern! Nehme ich mir halt den Gartenstuhl – so kann ich sowieso besser Eis essen, Kaffee trinken und lesen.

Und das Buch fesselt mich so sehr, dass ich mich in Null-Komma-Nix im London des 19. Jahrhunderts wiederfinde, in dem sich ein unheimlicher Mörder herumtreibt. Nebel wabern durch die Straßen, andere Leute sind nur schemenhaft zu sehen und die Sonne wird verdeckt durch den Ruß, der aus den vielen Schornsteinen aufsteigt. Der Neben verschluckt die meisten Geräusche, Schatten huschen über die Häuserwände und hinter den Haustüren ist leises, unverständliches Gemurmel und Gewisper zu hören.
Plötzlich zerreißt ein Schrei die unheimliche Stille:
„Iiiihh!“
Ich zucke zusammen! Was ist passiert? Wo ist der Mörder?
Nochmal: „Iiiihh!“
Das kommt aber nicht aus einem dichten Nebel! Das kommt von meiner 11jährigen Tochter!
„Mama – eine dicke Spinne ist hier gerade ins Wohnzimmer gekrabbelt und unter dem Sofa verschwunden! Komm bitte und jag` sie wieder weg, sonst kann ich hier heut Abend nicht fernsehen!“
Ich beruhige mein Kind, in dem ich ihm erzähle, dass ich noch vor dem Abendessen die Spinne mit einem Bambusstab wieder unter der Couch hervorscheuchen, diese dann mit einem Becher einfangen und vom Balkon werfen werde. Ich hoffe, dass dann der Nachbar unter mir sich nicht gerade über sein Balkongeländer beugt.
Wo war ich? London, Mörder, Spinnen, Schreie – ich glaube, das ist doch nicht das richtige für einen entspannten Frühlingsnachmittag.
Vielleicht tut ein bisschen Lieblingsmusik gut um mich von dem Schreck zu erholen. Also: Kopfhörer auf, MP3-Player an, den Herzschlag wieder hinunterschrauben und in Traumgärten verschwinden.
Vom Balkon über mir weht ein leichter Geruch von glühender Holzkohle herüber und mischt sich mit dem Duft meiner Narzissen.

Und langsam senkt sich die Dämmerung über die Vorstadtgärten, die Vögel treten noch einmal zu einem abendlichen Gesangswettstreit an und die Flutlichter der Bewegungsmelder der Nachbarhäuser illuminieren abwechselnd die maigrünen Gärten.
Ich liebe die Balkonsaison!

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