Donnerstag, 9. Mai 2024

25.000 bei Demonstration gegen Rechts in Osnabrück

„Ist das schön hier …“
… das sagt ein junger Mann zu seiner Freundin im Sonnenschein im Schlossgarten.

Das fanden auch mehr als 25.000 OsnabrückerInnen. Die mitgebrachten Plakate zeigten mit einer unglaublichen Kreativität „1933 Gründe gegen Nazis“. Selbst Kinder protestieren mit selbstgebastelten Plakaten mit Bibi Blocksberg und, weil es sich so schön reimt, Prinzessin Lillifee gegen die AfD. Eine beeindruckende Vielfalt war im Schlossgarten zu sehen: Vom lila Banner des Autonomen Frauenhaus zu den schwarz-orangfarbenen Kolpingfahnen, die man auch von der Telgter Wallfahrt kennt, von „Skins gegen Nazis“ zu „Queers gegen Alice Weidel“, Fridays for Future, der Gothic Antifa („Tageslicht und trotzdem da“), dem Betriebsrat von Volkswagen bis zu einem VfL-Fan, der „Nie wieder Faschismus, nie wieder Dritte Liga!“ skandiert. Und ganz vorne, wie schon oft, die zahlreichen! Omas gegen Rechts, die empfehlen: „Zu Risiken der AfD lesen Sie Geschichtsbücher oder fragen Sie Ihre Oma!“

Oberbürgermeisterin Katharina Pötter und Landrätin Anna Kebschull machten den Anfang und begrüßten mit überzeugenden Redebeiträgen die von Minute zu Minute größer werdende Menge. Hierzu mehr im Beitrag von Heiko Schulze.

Die extra angereiste DGB-Vorsitzende Yasmin Fahini bedankte sich sich bei den „Beschützern der Demokratie“, die zur Demonstration gekommen waren. Sie seien Menschen, auf die man stolz sein könne. Was in Potsdam an Plänen geschmiedet worden sei, sei für sie keine Überraschung. Rechtes Gedankengut sei schon lange sichtbar. Sie sei auch heute nicht in Osnabrück, weil es dieses Treffen „ekelhafter Säuberungsfanatiker“ gegeben habe, sondern um zu sagen: „Es reicht!“  Diese Rechten wollten die Zivilsation in diesem Land, zerstören und Menschen ungleich machen, wie wir das schon mal hatten. Doch Deutschland sei eine wehrhafte Demokratie: „Wir werden es nie wieder zulassen!“ rief sie auf.

Eine von mehreren VertreterInnen des Vereins Exil erklärte, dass sie sich für ihre Kinder eine Zukunft mit gleichen Chancen und ohne Vorurteile wünsche. „In der Einigkeit liegt die Kraft!“ rief sie den Menschen vor dem Schloss zu.

Am meisten beeindruckte wohl der 10jährige Amro, der seine Rede mit dem Satz begann, dass er stolz darauf sein, ein Deutsch-Syrer zu sein. Rechte Parteien versuchten, ihn und seine Eltern „aus diesem wunderbaren Land“ zu vertreiben. „Aber ich sage. Das ist unser Land. Meine Freunde sind hier und ich liebe dieses Land genauso wie unsere Kultur. Danke, dass ihr hier seid, um für eine bessere Welt zu kämpfen!“

Ein Redner erinnerte an die Befreiung des Konzentrationslager Auschwitz vor 79 Jahren. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius verglich das „Schönsprechen“ der Rechten mit Begriffen wie „Remigration“ mit der Sprache der Nazis und ihrer Morde, die sie „Euthanasie“ nannten, und wies  darauf hin, dass die Nationalsozialisten auch nach 1940 nicht offen von Deportationen gesprochen hätten. Angesichts der zu Beginn seiner Rede bekannt gegebenen TeilnehmerInnenzahlen von 25.000 verkündete er erfreut, er habe auch nichts anderes von der Friedensstadt erwartet.

Nicht zum ersten Mal wies Boris Pistorius darauf hin, dass die Weimarer Republik an der Schwäche ihrer Anhänger zugrunde gegangen sei, weil nicht genug Menschen für sie aufgestanden seien und für sie gekämpft hätten. Und man wisse, was passiert, wenn man die Demokratie den Nationalsozialisten ausliefere: Tod, Verdamnis und Unglück für Millionen Menschen. Das sahen auch viele Demonstranten so, die das auf ihren Plakaten zum Ausdruck brachten: „Nazis hatten wir schon mal. War kacke.“

Viele, die heute hier seien, seien lange nicht auf die Straße gegangen, so Pistorius. Jetzt seien sie dabei, „weil es um unsere Demokratie geht“. Und um die zu verteidigen, brauche es Leidenschaft, Engagement und Herzblut, „damit unsere Kinder  auch in 30 Jahren noch in Frieden und Freiheit leben können“. Jetzt könne man herausfinden, was man an Stelle seiner Großeltern damals getan hätte. Hier sei heute die nicht mehr schweigende Mehrheit, die laut sage: „Es reicht!“ Das verkündet auch Pistorius, laut und vehement: „Die Mehrheit sind wir! Und wir sind mehr!“

Mit einer Demonstration wie dieser sei es aber nicht getan, betont Pistorius. Der Weg beginne erst jetzt. Jeder müsse im Alltag und in der Familie rechten Ansichten die rote Karte nach dem Motto zeigen: „Nicht an meinem Tisch!“ Gegen jedes Argument der AfD gebe es ein schlagkräftiges Gegenargument.

Die ehemalige Osnabrücker Bürgermeisterin Lioba Meyer zitierte Erich Maria Remarques bekannten Ausspruch, man könne alten Dreck nicht vergraben, er fange immer wieder an zu stinken. Dieser alte Dreck, mit dem Remarque die nationalsozialistische Ideologie meinte, stinke immer noch, so Meyer. Das Zitat passte zu dem, was auf sehr vielen Schildern zu sehen war, die deutlich machten, wie die TeilnehmerInnen der Demonstration die AfD finden: Scheiße.

Nach weiteren RednerInnen wie Annahita Maghsoodi vom Beirat für Migration und einer muslimischen Vertreterin des Runden Tisches der Religionen betrat Heike Tennstädt von den Omas gegen Rechts die Bühne. Laut und leidenschaftlich schwor sie die Menge zum Widerstand gegen Faschisten ein, den die Omas schon lange aktiv praktizieren und sich dabei, so Tennstädt, oft alleingelassen gefühlt hätten, etwa, als sie gegen den Stand der AfD am Haarmannsbrunnen protesiert hätten.

alle Fotos: Anton Kartavykhalle Fotos: Anton Kartavykh
alle Fotos: Anton Kartavykhalle Fotos: Anton Kartavykh
Antifa Demo os 27.01.24 (8)
alle Fotos: Anton Kartavykhalle Fotos: Anton Kartavykh
alle Fotos: Anton Kartavykhalle Fotos: Anton Kartavykh
Antifa Demo os 27.01.24 (2)

Noch deutlicher wurde die Sprecherin der Kampagne „Den Rechten die Räume nehmen“, das diesen Raum zusammen mit den Omas schon seit Mitte letzten Jahres verteidigt hat – und dafür teuer bezahlen musste. 1.600 Euro und 4.000 Euro Strafe mussten zwei Mitglieder zahlen, weil sie mit Kreide Parolen gegen die AfD auf den Brunnen und das Pflaster geschrieben haben.

In einer Rede, die sie vor Beginn der zweiten Demonstration vor dem Theater am Nachmittag noch einmal wiederholte, erklärte die Rednerin, man betreibe einen „erinnerungspolitischen Absolutismus“ wenn man sich in dem Gefühl ausruhe, zu den Guten zu gehören, weil man auf dieser Demo sei. Es sei in der Zukunft noch viel zu tun, denn die „völkisch-nationale Einstellung der Mehrheitsgesellschaft“ komme immer wieder zum Vorschein. Die AfD sei am einfachsten als rassistisch und faschistisch zu identifizieren. Aber auch ohne AfD gebe es Diskrimierung und Abschiebung. Die Parteien könnten sich „einen antifaschistischen Anstrich nicht durch eine Kundgebung erschleichen“, bei der sie sich gegenseitig auf die Schultern klopften, aber ansonsten keine antifaschistische Politik machten. „Bitte belehrt uns eines Besseren“, lautete ihr Appell.

Auch das Jugendbündnis fand vor dem Theater deutliche Worte. Antifaschismus sei Handarbeit. Man sei schon seit einem halben Jahr auf der Straße, und fühle sich von den regulären Parteien alleingelassen, die durch ihre Politik geholfen hätten, die AfD zu stärken.

Heike Tennstädt von den Omas gegen Rechts erklärte, man habe beim Protest gegen die AfD in Osnabrück bisher weder wertschätzende noch respektvolle Aufmerksamkeit bekommen. Sie erntete große Zustimmung von den jungen TeilnehmerInnen, als sie betonte: Widerstand ist Pflicht! Eines betonten alle RednerInnen: Das man zusammenhalten müsse gegen den Faschismus. Etliche von ihnen riefen dazu auf, in einer der vielen Gruppen, die bei der Demonstration vertreten waren, aktiv zu werden und luden ausdrücklich zum offenen Antifa-Café und zu den Treffen von „No Lager“ im Substanz ein.

Sehr konkret wurde es dann auf dem Marsch durch die Stadt beim Haus in der Herderstraße, in dem die Burschenschaft „Arkadia Mittweida“ Unterschlupf gefunden hat. „Nazis raus“, hieß es vor dem Haus und die Burschen und ihre alten Herren konnten bis ins ferne Liechtenstein laut und deutlich hören, was man in Osnabrück von ihnen hält.

Jedem AfD-Anhänger müssen die Ohren geklingelt haben, so oft und laut wurde bei dieser Demo „Scheiß AfD“ gerufen und gesungen. Die Demonstration zog dann weiter zu einem Lokal am Ziegenbrink, in dem mit Wissen des Wirts Treffen rechter Gruppen abgehalten werden. Das Motto der Antifa, den Rechten die Räume zu nehmen, wurde an diesem Tag von Tausenden praktiziert. „Danke Antifa, dass ihr jeden Tag nach den Rechten seht“, hieß es auf einem Plakat. Es ist zu hoffen, dass sie dabei in Zukunft nicht wieder alleine sind.

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