„Marseille 1940“: Ein beeindruckender Einblick in die Fluchtgeschichte 1940/41
Am Donnerstag, dem 23. Januar, fand im Musikclub BlueNote eine eindrucksvolle Lesung mit Uwe Wittstock statt, der rund 200 Zuhörende folgten. Der renommierte Autor knüpfte mit seinem neuen Werk an das 2021 erschienene Buch „Februar 33“ an, in dem er die Zerschlagung der Weimarer Republik durch die Nationalsozialisten und die erste Fluchtwelle jüdischer Intellektueller und Andersdenkender thematisierte. Im Fokus seines aktuellen Buches steht die zweite Fluchtwelle im Jahr 1940, als zahlreiche Geflüchtete erneut vor dem Nazi-Terror fliehen mussten.
Wittstocks neuestes Werk führt die Zuhörenden nach Südfrankreich, wo sich im Mai 1940, nach dem Einmarsch Deutschlands in Belgien und Frankreich, eine erneute Katastrophe für jüdische Intellektuelle, Schriftsteller:innen und Künstler:innen abspielte. Die Erzählung, die chronologisch vom 10. Mai 1940 bis Oktober 1941 reicht, beleuchtet die dramatische Situation der Geflüchteten, die in Marseille verzweifelt auf ihre Rettung warteten. Zentral im Buch ist der amerikanische Journalist Varian Fry, der gemeinsam mit Helfern eine Fluchtroute nach Spanien organisierte und so 2000 Menschen das Leben rettete.
Fry gründete dafür eine Hilfsorganisation, die sich auf die Unterstützung der Exilanten spezialisierte, da viele von ihnen auf der Flucht ihre Beweisdokumente vernichtet hatten, um der Verfolgung zu entgehen. Mit gefälschten Papieren, geheimen Treffpunkten und großen persönlichen Risiken schaffte Fry es, eine systematische Rettungsaktion zu organisieren.
Die Zuhörenden erfuhren während der Lesung, wie es ihm und seinen Helfer:innen gelang, unter anderem bekannte Persönlichkeiten wie Thomas Mann, Franz Werfel, Anna Seghers und Hannah Arendt die Flucht zu ermöglichen.
Wittstock schilderte die historischen Ereignisse und beleuchtete den Kriegsausbruch, die erschütternde Lage der Exilanten sowie die immense Bedeutung von Frys Organisation. Besonders ergreifend war die Beschreibung, wie Fry unter widrigsten Umständen und unter ständiger Bedrohung durch die Gestapo über die Pyrenäen nach Portbou führte.
Nach der Lesung hatten die Zuhörende Gelegenheit, Fragen zu stellen, die Wittstock ausführlich beantwortete. Anschließend bot die Buchhandlung Wenner einen Büchertisch an, bei dem die Besucher:innen sowohl das aktuelle Werk als auch Februar 33 erwerben und vom Autor signieren lassen konnten.
Fazit
Die Lesung mit Uwe Wittstock war ebenso spannend wie sein neues Buch. Mit großem Einfühlungsvermögen und umfassender Sachkenntnis beleuchtete er die dramatischen Schicksale der Geflüchteten und das mutige Engagement von Varian Fry und seiner Hilfsorganisation. Dabei wurde deutlich, wie entscheidend Menschlichkeit und Solidarität selbst in den dunkelsten Zeiten der Geschichte sein können. Ein Abend voller Tiefgang, der die damalige Situation auf eindrucksvolle Weise greifbar macht.