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Wohnungsnot in Osnabrück: Einfach mal Platte machen?

Podiumsdiskussion in der VHS

Die wachsende Wohnungsnot in Osnabrück erfordert gemeinsame Anstrengungen, um Lösungen zu finden. Dazu fand am 27. Februar in der Volkshochschule eine Podiumsdiskussion unter dem Motto „Einfach Platte machen“ statt. Später sprachen wir mit Frau Dr. Seda Rass-Turgut, Fachdienstleiterin des Bereichs Soziales der Stadt Osnabrück.

Unter der Moderation des Leiters der VHS Osnabrück, Herrn Dr. Pischel de Ascensao, hatte man in der Veranstaltung Fachleute wie Heinz Hermann Flint von der Wohnungslosenhilfe des SKM und Dr. Seda Rass-Turgut, Fachdienstleiterin Soziales der Stadt Osnabrück zu Wort kommen lassen. Letztere sprach über den aktuellen Stand und lieferte Einblicke in die Herausforderungen der Wohnungslosigkeit. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, so Rass-Turgut, stelle eine ernsthafte Hürde dar und verschärfe das Problem für viele Betroffene. Zudem würde deutlich, dass das Thema Wohnungsnot mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei.

In der Aussprache wurde nicht nur die strukturellen Aspekte beleuchtet, sondern auch auf die persönlichen Schwierigkeiten der Betroffenen eingegangen, die oft zur Wohnungslosigkeit führen. Der Abend bot Gelegenheit, die Erfahrungen von Frank Logis, einem ehemaligen Betroffenen, der seinen Weg zurück in eine Wohnung skizzierte, zu vernehmen. In einem offenen Dialog wurde die derzeitige Ausgangssituation der obdach- und Wohnungslosen betrachtet und ihre Perspektiven gesprochen.

Heinz Hermann Flint bot Einblicke aus der Praxis der Wohnungslosenhilfe beim SKM und legte dar, vor welchen Hindernissen man tagtäglich gestellt sei, während Seda Rass-Turgut die städtischen Angebote abbildete. Gemeinsam wurde nach Lösungsansätzen gesucht und die vielfältigen Hilfsangebote für Menschen in Wohnungsnot diskutiert. Es ist von allen Seiten ein Anliegen, auch konkrete Perspektiven für eine bessere Zukunft aufzuzeigen. So wurde über das neue Projekt „Housing First“ informiert, das der Fachbereich Wohnungsnot derzeit mit dem SKM entwickelt.

Die Veranstaltung hatte somit umfänglich über die derzeitige Lage der Betroffenen informiert. Einvernehmliches Resümee: Nur durch gemeinsames Engagement und Verständnis kann man die Herausforderungen der Wohnungsnot in Osnabrück bewältigen.


Eindrucksvoller Rundgang am 7. März

Am Donnerstag, 7. März, hat es zusätzlich einen von der VHS organisierten und vom SKM begleiteten Stadtrundgang gegeben. Erlebbar war: Obdachlosigkeit ist gerade im Winter für Betroffene extrem hart und auch gefährlich. Wie das Leben auf der Straße tatsächlich aussieht, wurde im Rahmen dieser bewusst alternativen Stadtführung erfahrbar gemacht. Angesprochen wurden unter anderem die folgenden Fragen: Wo kann man sich geschützt aufhalten, wenn es kalt und nass wird? Welchen Gefahren ist man ausgesetzt? Welche Hilfsangebote gibt es? Warme und regenfeste Kleidung ist empfohlen.
https://www.vhs-os.de/programm/gesellschaft.html/kurs/507-C-24A7102/t/tatsaechlich-mal-platte-machen-eine-alternative-stadtfuehrung

Das später geführte Interview mit Seda Rass-Turgut besitzt folgenden Wortlaut:

OR: Frau Dr. Rass-Turgut, der Rat der Stadt Osnabrück hat im Jahr 2021 ein Konzept zur Notversorgung für obdachlose und wohnungslose Menschen in Osnabrück in Auftrag gegeben. Welche Ziele ergeben sich aus dem Konzeptentwurf und welches Thema hat in Ihrem Fachbereich die höchste Priorisierung?

RT: Das Konzept sieht unter anderem vor, Wohnungslosigkeit zu vermeiden. Dies wird sich mit präventiven Maßnahmen befassen. Außerdem geht es darum, Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind, Wohnraum zu vermitteln. Dazu werden wir in diesem Jahr gemeinsam mit dem SKM ein Modellprojekt entwickeln und den „Housing First“-Ansatz ausprobieren. Zur Umsetzung des Gesamtkonzepts wird bei uns im Haus eine Stelle geschaffen, nachdem das niedersächsische Innenministerium den Osnabrücker Haushaltsentwurf genehmigt hat. Von daher wird es in der Form keine Priorisierung der einzelnen Inhalte geben, da es sich bei dem Konzept um kein Fachkonzept handelt, das eins zu eins umgesetzt wird. Wir wollen vielmehr mit diesem Entwurf einen Perspektivwechsel einleiten und zum Beispiel die Anzahl der Notunterkünfte reduzieren. Die Menschen wünschen sich zu Recht Privatsphäre, da sind einzelne abgeschlossene Appartements zielführender. Diese gibt es derzeit noch nicht in ausreichendem Maße.
Bereits jetzt kooperiert der Fachbereich Soziales eng mit dem SKM, der Wohneinheiten anbietet und beide Träger somit die Finanzierung sicherstellen. Diese sind verbunden mit ambulanten Hilfeleistungen, wo Sozialarbeiter*innen zu den Menschen gehen und sie betreuen. Die Problemlagen der Wohn- und Obdachlosen stellen sich dabei als sehr komplex dar. Manche haben Suchtprobleme, andere haben psychische Probleme, es ist ein Partner verstorben oder es kommt alles zusammen. Hier brauchen wir unterschiedliche Ansätze im Umgang mit den Betroffenen. Wir starten hier auch nicht bei null, sondern bieten bereits seit vielen Jahren erfolgreiche viele Hilfsangebote. Dies tun wir sowohl im Fachbereich Soziales als auch mit den Trägern vor Ort.

OR: Wie kann die Stadt Osnabrück den Bau von bezahlbarem Wohnraum, wie zum Beispiel Mikrowohnungen, gezielt fördern, und welche Rolle könnte aus Ihrer Sicht die WIO und die neu gegründete Landeswohnungsbaugesellschaft spielen?

RT: Wir machen als Sozialverwaltung immer wieder darauf aufmerksam, dass wir mehr bezahlbaren Wohnraum benötigen und von einer Abweichung einer Sozialquote bei Neubaumaßnahmen abraten.

OR: Welche konkreten Maßnahmen plant oder ergreift die Stadt Osnabrück derzeit, um in der Öffentlichkeitsarbeit die Akzeptanz für die Betroffenen zu fördern und Stigmatisierung entgegenzusteuern?

RT: Zum einen gehen wir in die Öffentlichkeit. Mit der Veranstaltung in der Volkshochschule am 27. Februar haben wir einen weiteren Schritt getan, das Thema Obdach- und Wohnungslosigkeit in der öffentlichen Wahrnehmung zu setzen. Hier war es sehr interessant, dass der SKM einen ehemaligen Obdachlosen zu Wort kommen ließ. Neben Veranstaltungen betreiben die Kolleg*innen von der Fachstelle Wohnraumsicherung mit allen Trägern und Institutionen, die im sozialen Bereich aktiv sind, intensive Öffentlichkeitsarbeit. Hierzu gehören auch Wohnungsbaugesellschaften, um auch darauf aufmerksam zu machen, dass im Ernstfall die Kolleg*innen des Fachbereichs als Anlaufstelle da sind.

OR: Wird Herr Logis demnächst des Öfteren bei Veranstaltungen zu sehen sein und ist eventuell eine Kampagne mit ihm als „Aushängeschild“ geplant?

RT: Wir planen als Stadt keine dezidierte Kampagne. Der SKM hat Herr Logis eingeladen und in die Diskussion eingebunden, wofür wir sehr dankbar sind. Das Thema Wohnungs- und Obdachlosigkeit wird uns noch länger beschäftigen, so dass wir uns auch vorstellen können, das Thema gemeinsam mit dem SKM durch weitere Veranstaltungen – auch im Quartier – in die Öffentlichkeit zu tragen.

OR: Wie arbeitet der städtische Sozialdienst daran, neue Hilfsangebote zu entwickeln, um Wohnungslosigkeit frühzeitig zu vermeiden?

RT: Bei der Stadt Osnabrück gibt es im Fachbereich Soziales die folgenden Angebote mit unterschiedlichen Schwerpunkten: Die Kommunale Fachstelle Wohnraumsicherung und Prävention hilft bei Problemen im Mietverhältnis. Wenn es Zahlungsschwierigkeiten gibt, Mietschulden entstanden sind oder sogar schon eine Kündigung vorliegt, kann die Kommunale Fachstelle zur Wohnraumsicherung und Prävention zwischen Mietenden und Vermietenden vermitteln, damit die Mietenden möglichst in der Wohnung bleiben können. Gemeinsam wird mit den Mietenden geschaut, wie Mietzahlungen gesichert werden können, beispielsweise durch Beantragung von Wohngeld.
Grundsätzlich können Menschen, die Schwierigkeiten haben, die Miete für ihre Wohnung zu zahlen, im Fachdienst Wohngeld und Grundsicherung Wohngeld beantragen. Hier richtet sich das Bestehen und die Höhe eines Anspruchs nach dem Einkommen, nach den Kosten für die Unterkunft sowie nach der Anzahl der Haushaltsmitglieder.

OR: Mit welchen gemeinnützigen Organisationen kooperiert die Stadt, um gemeinsame Lösungen für die Wohnungsnot zu finden?

RT: Der Fachbereich Soziales arbeitet in diesem Bereich mit vielen Organisationen zusammen. Begonnen vom Runden Tisch gegen Wohnungslosigkeit, wo neben sozialpolitischen Akteur*innen auch die entsprechenden Träger der Wohnungslosenhilfe regelmäßig an einem Tisch sitzen. Unter anderem werden regelmäßig Austauschrunden mit dem Sozialpsychologischen Dienst oder mit der Suchtberatungsstelle der Caritas oder der Diakonie thematisiert.
Wichtige Akteur*innen in diesem Themenfeld sind aber auch die Tafel, der SKM oder das Frauenhaus sowie die Frauenberatungsstelle, die von der Stadt für ihre wichtige Arbeit auch finanzielle Förderung erhalten Gleichzeitig sind zunehmend auch Jugendliche von Wohnungslosigkeit betroffen. Hier arbeiten wir eng unter anderem mit dem Fachbereich Kinder, Jugend und Familie sowie mit dem Referat Chancengleichheit zusammen.

OR: Im Ausschuss für Feuerwehr und Ordnung stand das Thema Obdachlosigkeit des Öfteren auf der Tagesordnung. Speziell am Salzmarkt beschwerten sich Anwohner über Kleinkriminalität und Obdachlose. Ich hatte den Eindruck, dass beide Gruppen in einen Topf geworfen werden. Ist das aus Ihrer Sicht zu Recht so – oder sollte man das Thema differenziert betrachten?

RT: Wenn man das Thema rein ordnungsrechtlich betrachtet, greift das meiner Meinung zu kurz. Wir wissen von der Polizei, dass von Obdachlosen weder eine Gefahr ausgeht noch die Kriminalitätsrate besorgniserregend ist. Allerdings ist das subjektive Empfinden von Menschen unterschiedlich, auch wenn es objektiv keinen Grund gibt. Das verstehen wir natürlich, denn wenn zudem städtebauliche Missstände vorherrschen, wie am Neumarkt, kommt vieles zusammen. Hier hat die Oberbürgermeisterin aktuell mit einem Zehn-Punkte-Plan reagiert. Die Streetworker der Suchtberatung der Diakonie berichten uns, dass Menschen nicht in den besagten Parkhäusern leben, sondern temporär an einem Ort übernachten und dann weiterziehen. Dabei wird auch solchen Betroffenen selbstverständlich Hilfe und Unterkunft angeboten, die auch mal abgelehnt werden kann.

OR: Wie wird die Stadt sicherstellen, dass Hilfsangebote nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit beitragen?

RT: Der Fachbereich Soziales bietet seit Jahrzehnten verschiedene Hilfsangebote an. Die meisten sind sogar gesetzlich vorgeschrieben. Ein gutes Beispiel sind die ambulanten Hilfen nach §§ 67 ff SGB XII, die sich an erwachsene Menschen richten, deren Lebensverhältnisse derart mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, dass die Betreffenden diese nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe überwinden können.

OR: Inwiefern werden sozial benachteiligte Gruppen, die besonders von Wohnungslosigkeit betroffen sind, in den städtischen Planungen und Maßnahmen berücksichtigt?

RT: Grundsätzlich versuchen wir, Menschen an den Prozessen zu beteiligen oder zumindest konzeptionelle Veränderungen immer mit den Trägern vor Ort gemeinsam zu entwickeln, wohlwissend, dass eine echte Partizipation im Sinne von Koproduktion gerade bei dieser Zielgruppe nicht einfach ist. Daher sind wir für die Wohnungslosenhilfe des SKM dankbar, die für uns sowohl thematisch als auch praktische wichtige Hinweise gibt und zum Beispiel bei der Konzepterstellung mit uns eng zusammenarbeitet hat.

OR: Im Konzept wird das Ziel der Europäischen Union erwähnt, die Obdachlosigkeit bis 2030 zu beenden. Deutschland hat ein eigenes Konzept entwickelt. Wie soll dieses Ziel umgesetzt werden, und wie realistisch ist ihrer Meinung nach diese Zielsetzung?

RT: Ob die EU und ihre Mitgliedstaaten bis 2023 die Obdachlosigkeit beenden, weiß ich nicht. Ich denke, wir können als Kommune mit unseren Angeboten wie dem EU-Projekt, das als Fachstelle zur Prävention von Wohnungslosigkeit beiträgt, dazu beitragen.

OR: Der SKM bemängelt, dass Obdachlosigkeit nach Feierabend und am Wochenende nicht stattfindet. Welche Möglichkeit haben Bürgerinnen und Bürger, aktiv zur Bewältigung der Wohnungsnot beigetragen – und würde ehrenamtliches Engagement mehr Akzeptanz in der Bevölkerung schaffen?

RT: Indem uns Bürgerinnen und Bürger freien Wohnraum melden. Zudem wäre es hilfreich, wenn Vermietende auch Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind oder es bereits waren, Schulden haben oder andere Probleme haben, eine Wohnung zu finden. eine Wohnung zur Verfügung stellen. Diese Zielgruppen fallen sehr häufig durch alle Raster.

OR: Es gab vor einiger Zeit eine Website, wo jeder leerstehende Wohnungen, Häuser und Ladenflächen melden konnte. Welche Möglichkeiten gibt es heute?

RT: Hier wäre die Kontaktstelle Wohnraum im Fachbereich Städtebau zuständig. Die Kolleginnen und Kollegen haben den Überblick über den Wohnraum, der nicht vermietet ist. Außerdem gibt es hier verschiedene Förderprogramme, die auf den städtischen Internetseiten zu finden sind: https://bauen.osnabrueck.de/de/service/kontaktstelle-wohnraum/

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