Ein stimmungsvoller Jahresabschluss im Blue Note
Die amerikanische Jazz-Ikone Herbie Hancock sagte im letzten Jahr in einem Interview, dass das Problem bei modernen Popkonzerten und den aufgeblasenen Stadionproduktionen sei, dass das Publikum im 21. Jahrhundert selbst ein Teil der Show sein und sich selbst feiern wolle, darüber aber vergessen habe, Musik als Interaktion der Musiker untereinander und mit den Zuhörern zu verstehen und wahrzunehmen.
Dass das auch anders geht, bewies das Abschlusskonzert der diesjährigen Konzertreihe „Rockin‘ Around The Christmas Tree“ mit der Blues Company im Blue Note in Osnabrück. Ganze vier Mal spielte Todor „Tosho“ Todovoric und seine Band in diesem Jahr nach Heiligabend im Club über dem Cinema Arthouse auf und das in unterschiedlichen Besetzungen. Fast zwei Jahrzehnte ist die Blues Co. an den Weihnachtstagen dort unterwegs, für mich war es allerdings das erste Mal. Familientreffen und -feiern hatten das bisher immer verhindert.
Was zunächst auffällt ist die fast familiäre Atmosphäre im bis auf wenige Plätze ausverkauften Blue Note. Kleinere Gruppen und Familien sitzen an den Tischen des Clubs. Einige haben dort schon gegessen und unterhalten sich angeregt während einzelne Bluesfans das Geschehen von der Theke aus in Augenschein nehmen. Auch ich treffe an diesem Abend alte Bekannte, die ich länger nicht gesehen habe. Die Stimmung ist locker, gelassen, man kennt einander. Für Tosho selbst ist diese Atmosphäre ein Grund dafür, mehrere Male nacheinander hier zu spielen, wie er später betont: „Ihr seid der Grund, warum ich viermal hier spiele und nicht einmal in der OsnabrückHalle.“
Als die Band in voller Besetzung mit den BC Horns und den Soul Sistaz die Bühne betritt wird es ruhig im Club. Gespannt erwartet das Publikum die ersten Töne. Der Sound ist von Anfang exzellent und transparent. Die Blues Company atmet, gibt sich Raum füreinander in einem Programm bestehend aus eigenen Klassikern, Standards und Songs, die ihren Weg zu Weihnachten in die Setlist gefunden haben. Junior Well ’s „Messin With The Kid“ wird da augenzwinkernd zu einem kräftig herzlichen „Santa’s Messin“ und das eigene, ruhige „Silent Night“ über Menschen, die an Heiligabend nicht Weihnachten feiern oder in ihren Familien sein können, zu einem Beispiel bluesiger Besinnlichkeit mit einem wunderschönen Trompetensolo von Uwe Nolopp. Zwischendurch gibt es aber immer wieder rasante Abfahrten wie das Instrumental „La La Land“ mit dem brillanten Volker Winck am Saxophon. Die Zuhörer gehen mit, verstehen wie und dass hier musikalisch miteinander kommuniziert wird und spenden offenen Szenenapplaus. Herbie Hancock hätte hier seine Freude gehabt.
Freude auch beim kurzen Gastspiel Jimmy Reiters, dem Tosho zu dem Zweck bereitwillig seine Gitarre überlässt und später bemerkt: „Ein Grund, warum ich das in meinem Alter noch mache, ist, dass ich hier sitzen und dieser phantastischen Band zuhören darf.“ So darf der Bandleader bei „I’d Rather Go Blind“ und „Invitation“auch den ausdrucksstarken Darbietungen der beiden Soul Sistaz, Elif Batman und Seda Devran, lauschen aber auch Robert Johnson ’s „Walking Blues“, im Trio intensiv in Szene gesetzt von seinem musikalischen Partner Mike Titre, zusammen mit Florian Schaube und Andre Ogrodnik an Schlagzeug und Bass. Mikes Gesang, sein Spiel auf der Slide-Gitarre und das groovende Bass-Solo Andre Ogrodniks setzen hier Zeichen.
So gerät das letzte Konzert der diesjährigen Weihnachtsreihe mit seiner Schlusssequenz aus „Merry Xmas Baby“, „Run Rudolph Run“ und dem stimmungsvollen „My little Angel“ mit Seda Devran wieder zu einem vollen Erfolg und zu einem Beweis dafür, dass Musik mehr ist als Party, Pomp und Effekthascherei. Alle, die an diesen Abend im Blue Note waren, haben das gehört und gespürt.
Auf eine Wiederholung in 2025!