Donnerstag, 25. April 2024

Der Überraschungscoup – Pistorius wird Verteidigungsminister

Mit der Berufung des „Osnabrücker Jungen“ Boris Pistorius zum neuen Verteidigungsminister als Nachfolger für die reichlich glücklose Christine Lambrecht, um es freundlich auszudrücken, ist ein echter Überraschungscoup gelungen. Ihn hatte kaum jemand auf der Liste.

Er ist kein ausgewiesener Sicherheitspolitiker, jedenfalls nicht jenseits der „inneren Sicherheit“, verteidigungspolitisch eher ein unbeschriebenes Blatt. Als exponierter Hardliner in Fragen Waffenlieferungen für die Ukraine ist er aber bisher auch nicht aufgefallen.

So sehr man ihn für diesen großen Karrieresprung beglückwünschen kann, beneiden kann man ihn darum nicht. Es ist gegenwärtig das exponierteste und mit Abstand schwierigste Ministeramt, das es zu vergeben gibt. Erstaunlich groß die Vorschusslorbeeren, aber auch die Erwartungen, die an ihn geknüpft werden. Da ist zunächst das Ministerium selbst. Ein Riesenapparat, schon wegen seines Umfangs, seiner Größe und Komplexität eine Herausforderung an jegliches Management. Nicht zufällig gilt dies als das Ministerium mit einem Schleudersitz für den Amtsinhaber.

Dazu gesellen sich aktuell zusätzliche Herausforderungen, da der Ukrainekrieg demonstrativ offenbart hat, dass die Bundeswehr nur „bedingt einsatzfähig“ ist. Jahrzehntelang wurde sie behandelt wie eine „teure Trachtengruppe“, die auf der Suche nach ihrer Daseinsberechtigung ist, weil ein von Freunden umzingeltes Land für sie so recht keine Verwendung hatte. Dieser kostensparende Hochmut bekam mit dem 24. Februar einen schweren Schlag, denn plötzlich stand der „Ernstfall“, den zu verhindern die Bundeswehr und die gesamte Abschreckung der Nato doch eigentlich nur existieren, nahezu greifbar im Raum.

Die Herausforderungen für das Amt liegt nun nicht nur darin, einen offensichtlich maroden Zustand möglichst schnell und effektiv mit der unerwartet hohen Investitionssumme von 100 Mrd. € – was wohl einer „Anschubfinanzierung“ ähneln wird – zu überwinden. Hinzu kam als Auslöser für die „Zeitenwende“ für erhöhte Investitionsbereitschaft in die militärische Macht, dass die eingeübte Rolle Deutschlands als „Zivilmacht“ über Nacht Vergangenheit wurde.

Hier liegt neben allen administrativen Herausforderungen an die Amtsführung von Boris Pistorius die größte politische Herausforderung. Er springt direkt ins eiskalte Wasser. Gleich nach der formellen Amtseinführung trifft er nicht nur den amerikanischen Verteidigungsminister, sondern auch mit den Verteidigungsministern für die Ukraineunterstützung in Rammstein zusammen. Und hier stehen wegweisende Entscheidungen für die künftige Strategie der militärischen und damit politische Unterstützung für die Ukraine an.

Der im Innern von der CDU /CSU und Teilen der eigenen Ampelkoalitionäre, stellvertretend seien nur die üblichen Verdächtigen Frau Strack-Zimmermann und Herr Hofreiter genannt, aufgebaute Druck auf den  Bundeskanzler, Kampfpanzerlieferungen an die Ukraine zu genehmigen wird in Rammstein international erweitert durch Großbritannien, die ihre eher spärliche Lieferung von Kampfpanzern explizit als einen Akt politischen „Drucks“ auf andere deklarieren. Zwar nicht explizit genannt, aber gemeint ist natürlich Deutschland. Polen und die baltischen Staaten gesellen sich flankierend mit gleichartigen symbolischen Gesten zu einer gemeinsamen Front hinzu. Natürlich fehlt in diesem Chor auch nicht die mahnende und fordernde Stimme des ehemaligen Botschafters der Ukraine in Deutschland, als wenn von Deutschlands Panzerlieferungen unmittelbar Sieg oder Niederlage der Ukraine im Krieg gegen Russland abhängen würde.

Deutschlands Kurs der Vorsicht und des Versuchs, den forcierten Lieferungswettbewerb der Waffenlieferungen innerhalb des Bündnisses zugunsten eines abgestimmten, gemeinsamen und koordinierten Vorgehens zu ersetzen, scheint zwar schon gescheitert zu sein, aber hier liegt die erste große – und vielleicht schon wegweisende – Bewährungsprobe für den neuen im Amt.

Man darf gespannt sein, ob er nun wie auch immer den Schalter umlegt für immer weitere Waffenlieferungen, um den ukrainischen Traum von einem Sieg über Russland zu Erfüllung zu bringen und Deutschland so aus der Schusslinie des „Zögerers und Verweigerers“ zu nehmen. Oder ob es ihm gelingt, politisch andere Akzente zu setzen, als den täglich neuen Waffenlieferungswünschen einer vermeintlich auf Siegeskurs fahrenden ukrainischen Armee mit unabsehbaren Eskalationsdynamiken nachzukommen. Vielleicht wird der Verteidigungsminister auch die politische Figur, die sich anders als die Außenministerin auch für die völlig daniederliegende Diplomatie allen Widrigkeiten zum Trotz stark macht.

Man darf gespannt sein, was er liefert!

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