Freitag, 10. Mai 2024

Der VfL Osnabrück vor dem Saisonstart in die 2. Bundesliga

Neustart ins Abenteuer Zweite Liga

Ausgerechnet im Jubiläumsjahr zum 125-jährigen Bestehen startet der VfL den nächsten Versuch, in der zweitbesten Liga Deutschlands Fuß zu fassen. Es gibt durchaus Gründe, optimistisch zu sein.

Was gerade mit den Lila-Weißen passiert, beweist wieder mal, wie schnell Planungen im Profifußball makuliert werden. Eigentlich war der ersehnte Aufstieg erst zum Ende der anstehenden Saison geplant, als krönender Abschluss und gleichzeitiger Höhepunkt im Jubeljahr. Eigentlich.

Urplötzlich ist man schon da. Wie das so schnell gehen konnte, fragen sich immer noch manche an der Bremer Brücke. Eine idealtypische Konstellation für Mythen, die der Fußball einfach braucht, um seine Faszination zu wahren, denn am Wunder der Nachspielzeit vom 27. Mai 2023 gibt es nichts zu erklären – man kann es nur bestaunen (bei Magenta-Sport auf YouTube) oder genießen, wenn davon erzählt wird – immer wieder.

Dennoch, zu schnelllebig ist das Fußball-Geschäft. Kaum war das letzte Herforder auf das unverhoffte Glück geleert, kam, was beim VfL immer kommt, wenn sich Erfolg einstellt: Die Besten gehen woanders hin. O. Traoré, Köhler und natürlich Simakala. Ohne die drei wäre der VfL irgendwo im Nirgendwo der Tabelle gelandet. Während Simakala und Traoré ablösefrei wechselten, gab es für Sven Köhler wenigstens eine ordentliche Summe. Die ist auch vonnöten, denn im Ranking der TV-Gelder findet sich der frische Aufsteiger gleich dort, wo man am Ende sportlich nicht landen will – auf einem Abstiegsplatz.

Gleichwohl gibt es keinen Grund, sich ernsthaft Sorgen zu machen. Die Fangemeinde des VfL kann zuversichtlich auf die neue Saison schauen, denn DER Garant des Erfolgs ist ja noch da. Trainer Tobias Schweinsteiger. Wie der in der Lage ist, einzelne Spieler besser zu machen, konnte man sehr deutlich anhand der Entwicklung eben jener drei Spieler beobachten, die den Unterschied gemacht haben. Nicht zufällig haben sie allesamt in der Rückrunde 2023, für die Schweinsteiger dann voll verantwortlich war, ihre besten Spiele in Lila-Weiß gemacht.

Nicht nur, weil jetzt ein Schweinsteiger das Sagen hat, sondern vielleicht auch, weil alle Verantwortlichen ein bisschen gewachsen sind, an dem, was in der turbulenten Aufstiegssaison gerade so hingebogen worden ist, läuft die aktuelle Vorbereitung ganz anders als der Murks im Sommer 2022, den man in einem Begriff zusammenfassen kann: Raute.


Erfolgreiche Testphase

Unter Schweinsteiger wurde nicht ein Testspiel vergeigt, nur Siege und Achtungserfolge gegen Konkurrenten auf Augenhöhe. Bemerkenswert ist, wie man schon in dieser Vorlaufphase erkennen kann, dass die sich neu bildende Formation die taktischen Vorgaben klar umsetzt und sich einige nicht scheuen, mutig auf eigene Faust etwas zu wagen. Auf der anderen Seite zeigte die »Generalprobe« gegen Viktoria Köln (1:0) erneut, dass es keinen neuen »Chance« gibt. Einen Spieler, der auch eine Ligaetage höher den Unterschied machen könnte, hat der VfL momentan nicht.


Die Neuen

Rückkehrer Bashkim Ajdini und Charalambos Makridis bringen solide Zweitligaerfahrungen mit. Kwasi Wriedt alias Otschi könnte und will auch mehr. Gerade für Spieler seines Typs scheint Schweinsteiger der richtige Coach zu sein. Man muss also darauf hoffen, dass es wieder klappt mit dem Bessermachen wie in der vergangenen Saison. Dann würde Christian Conteh an Stehvermögen gewinnen und kontinuierlicher die Leistungen bringen, mit der er in Dresden sporadisch Alarm gemacht hat, würde ein Lars Kehl allmählich der Größe seines Namens gerecht werden, wovon in den Tests schon einiges aufgeblitzt ist. Von Florian Bähr kann man sagen, dass er ein ungleich ernsterer Konkurrent für Kleinhansl sein wird als Haas. Dave Gnaase ist der neue Wähling, wobei von vornherein klar ist, dass er aus Saarbrücken mehr mitbringt als nur Talent. Mit Maximilian Thalhammer soll laut Sportdirektor Amir Shapourzadeh die Sechser-Position neu besetzt werden. Er ist ein kampfstarker Spieler mit Gardemaß und entsprechendem Kopfballspiel. Qualitäten in der Spieleröffnung, wie sie Köhler einbrachte, hat er bislang kaum gezeigt. Ob es für den Start gegen den KSC schon reicht, war anhand der Testspiele nicht sicher auszumachen. Auf alle Fälle ist er mit seiner reichlichen Erfahrung in der 2. Liga eine andere Nummer als Chato.


Das Quartett der Enttäuschten

Mit ihm wären wir bei den Kandidaten, auf die die sportliche Leitung gut und gerne verzichten würde, was man durchaus nachvollziehen kann. Chato hat schon in der dritten Liga allenfalls durchschnittliche Auftritte hingelegt, wenn er dann eingesetzt wurde. Berüchtigt bleiben seine Fehler in Stresssituationen und davon wird´s einen Klasse höher ´ne Menge geben. Haas fehlen in der Reihe hinter Kleinhansl und Bähr vollends die Perspektiven. Bei dem, was Putaro in einem Jahr beim VfL abgeliefert hat, fragt man sich, warum der geholt worden ist. Ein Missverständnis, das man keinem anlasten kann. Beim SC Verl war er vorher richtig gut. Von dem Quartett, das man zum Absprung nötigen will, scheint sich Wähling am entschlossensten dagegen zu stemmen. Man sieht, er hängt sich wirklich rein. Aber illusionslos betrachtet, bewegt er sich genauso talentiert wie die zwei Jahre zuvor. Wenn er dann gesund ist. Ein Stammplatz in der Reha – dafür könnte er auch bei einem anderen Club vorspielen. Allen gemeinsam scheint zu sein, dass ihre Verträge weitaus mehr hergeben als ihre sportliche Gegenleistung. Da hält einer schon mal die Füße still (prominentes Beispiel Nico Schulz). Es ist zu wünschen, dass die Geschäftsführung dem einen oder anderen das bald ausreden kann. Höchstwahrscheinlich nur mittels lukrativer Abfindungen, wenn die Einsicht reift, dass für sie am Schinkelberg tatsächlich Ende Gelände ist.


Aufbruchstimmung an der Bremer Brücke

Die nahe Zukunft im Tor des VfL gehört Lennart Grill, der von den Neuen wohl am meisten erwarten lässt. Er ist nicht von Berlin nach Osnabrück gekommen, um auf der Bank Platz zu nehmen. Bei aller Wertschätzung für Pippo Kühn, mit Grill hat der VfL einen Torwart geholt, der den Anforderungen der höheren Liga voll gewachsen ist. Ein Rückhalt, auf den es ankommen wird.

Schließlich ist die Transferphase noch lange nicht geschlossen. Dringend wird ein Innenverteidiger mit Zweitliga-Bumms gesucht, um Beermanns Ausfall aufzufangen. Ob der kurzfristig verpflichtete John Verhoek (vorher Hansa Rostock) eine echte Verstärkung für den Sturm ist, wird sich wie so einiges zeigen müssen …

Trotz dieser offenen Baustellen ist die Stimmung gut am Hannes-Haferkamp-Platz, aber die Erwartungen schießen nicht ins Kraut. Alles wird spürbar geerdeter angegangen als im Sommer 2019, in dem plötzlich ganz viel nicht mehr gut genug schien, allem voran das Stadion. Ein vollkommen neues sollte her, irgendwo am Rand der Stadt wie aus dem Baukasten hochgezogen.

Heute sind nicht nur alle froh, dass es die Brücke noch gibt, nein, es wird sogar damit geprahlt, eine so einmalige Spielstätte zu haben – zu Recht.

Da fällt nur leicht ins Gewicht, dass künftig für Osnabrücker Fans, je nach Gästebedarf – zwischen 12.000 – 13.000 Eintrittskarten pro Spieltag zur Verfügung stehen. Von der offiziellen Kapazität der Bremer Brücke, die mit 15.741 angegeben ist, werden Pufferzonen, Medienplätze, sichteingeschränkte Plätze und Gästetickets abgezogen. Insbesondere die Anzahl der Presseplätze und die für Offizielle der DFL liegen deutlich über den Kontingenten für die Dritte Liga. Für die Partie gegen den KSC wird es trotzdem noch einen freien Verkauf geben, ab Do., d. 27.07., 13 Uhr.

Eingeschränkte Kapazität hin, höhere Ticket-Preise her – an der »Bridge to your Heart« schwelgt man in heller Vorfreude. Wem so viel Gutes widerfährt wie am 27. Mai – was soll dem noch passieren? Allenfalls mit der neuen Frauen-Quote der DFL muss man noch den Umgang lernen, dann steht weiteren Höhenflügen nichts mehr im Weg, außer die Gegner auf´m Platz.


Der erste Gast

Der erste Gast wird am Samstag um 13 Uhr der KSC sein. Der war 2019 zusammen mit dem VfL aufgestiegen und muss danach einiges richtiger gemacht haben als die Lila-Weißen, sonst wären die Badener in der vergangenen Spielzeit kaum im oberen Mittelfeld gelandet. Mit den Karlsruhern kommt eine Mannschaft, die ambitioniertere Ziele anvisiert als der Aufsteiger vom Hase-Ufer. Das beweist sich schon an ihrem Königstransfer – Lars Stindl! Der Abgang von Stammkeeper Gersbeck konnte mit der Verpflichtung von Patrick Drewes vom SV Sandhausen mehr als ausgeglichen werden. Im Liga-Betrieb wird sich zeigen, wie der Verlust von einem Tim Breithaupt (zum FC Augsburg) nachwirkt. Die Testphase lief für den KSC, an den Ergebnissen gemessen, nicht so reibungslos wie beim VfL. Allerdings hatte man mit dem FC Liverpool und Darmstadt 98 (0:0) andere Kaliber vor der Brust. Zur Einweihung des neuen Wildparks (34302 Plätze, Umbaukosten 166 Mill. Euro) gab es eine – unverdient hohe – Niederlage (2:4) gegen die Stars von der Anfield Road, die der guten Leistung der Karlsruher nicht gerecht wurde. Der KSC hat gezeigt, dass in der kommenden Saison mit ihm zu rechnen ist – vor allem mit einem Lars Stindl in Topform.

Den auszubremsen, wird eine der schweren Aufgaben sein, die auf Maxwell Gyamfi (ob als vorläufig neuer Kapitän, stand zu Redaktionsschluss noch nicht fest) und Co. am Samstag warten. Trotzdem hoffen alle natürlich auf einen Auftaktsieg, und wenn es Unentschieden wird, darf man auch weiter träumen.

Fehlt noch die erwartete Aufstellung: Grill – Ajdini, Gyamfi, Wiemann, Kleinhansl – Tesche, Thalhammer (oder doch Gnaase?), Kunze – Kehl, Wriedt (Engelhardt), Niemann.

Etwas aus dem Fenster orakelt, wird es mit einem glücklichen 1:0 enden, wobei der Jubel über das erste Zweitligator des VfL seit mehr als zwei Jahren die Tribünen genauso beben lässt wie am 27. Mai, also fast.

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