„Wer in die Mannschaft kommt, sollte den Weg mitgehen!“
Marco Antwerpen ist unser Löwenpudel of the Match aus dem Spiel gegen den TSV 1860 München
„Der verlorene Sohn ist an die Bremer Brücke zurückgekehrt“ – so oder so ähnlich klang es im Spätsommer 2024, als der VfL Ba-Muaka, genannt „Chance“ Simakala verpflichtete. Nach missglückten Stationen in Kiel und Kaiserslautern endete für Chance zumindest vorerst das Abenteuer Erst- bzw. Zweitligafußball. Beim VfL geriet er in eine völlig führungslose und absolut unstrukturierte Mannschaft, zusammengestellt von einem Sportdirektor, der weder den deutschen Fußball noch die dritte Liga kannte. Viele Worte sind verloren worden über die sogenannten „Unwuchten“ im lila-weißen Kader im Herbst des vergangenen Jahres, doch diese bitteren Wochen und Monate sollen nicht im Fokus dieser Laudatio stehen, sie stellen aber nun einmal die Ausgangslage dar, unter der die Rückrunde der aktuellen Spielzeit angegangen werden musste. Selbst in dieser katastrophalen Saisonphase sorgte eben jener Chance Simakala mit 7 Treffern zumindest für ein paar klitzekleine Lebenszeichen des auf der Intensivstation liegenden Patienten namens VfL. Was folgte, war der zweite Wechsel auf der Position des Cheftrainers und der Beginn eines sportlichen Aufschwungs des Vereins und eines diametral verlaufenenden Leistungstiefs eines Hoffnungsträgers. Aber der Reihe nach:
In dieser Rubrik haben wir bislang Spieler ausgezeichnet, die einem Spiel ihren Stempel aufgedrückt haben und so zur Ehre kamen, „Löwenpudel of the Match“ zu sein. Und sicherlich war besagter Chance Simakala am Samstag der Spieler, der durch seinen frühen Führungstreffer aus unfassbar spitzem Winkel den VfL auf die Siegesstraße brachte. Ebenso wie Dave Gnaase, der sich in die Partie hineinarbeitete und mit schier endlosem Einsatz die spielstarken und oft auch dominierenden Gäste aus Giesing nervte. Ja, vielleicht hätte neben diesen beiden Spielern auch Maxwell Gyamfi für sein kompromissloses Kopfballspiel und seine Abgeklärtheit in der Defensive den LOTM verdient gehabt, doch wir haben uns in diesem Spiel für einen Akteur von der Seitenlinie entschieden: Marco Antwerpen.
Zugegebenermaßen war unsere Euphorie ob der Verpflichtung des 54 Jahre alten Fußballlehrers wie wohl bei einem Großteil der lila-weißen Fangemeinde eher gedämpft. Marco Antwerpen stand für viele VfL-Fans auf einer Stufe mit Thomas Oral oder Rüdiger Rehm, die sich in der Vergangenheit nicht gerade als Freunde der Osnabrücker Fanszene hervorgetan hatten. Unbestritten dagegen waren und sind die bisherigen Verdienste des ehemaligen Fußballprofis, der während seiner aktiven Spielerkarriere für Fortuna Köln und einen Verein aus der Nähe von Telgte auflief und bei letzterem ebenso als Trainer den Klassenerhalt im Jahr 2018 sicherte. Mit Eintracht Braunschweig stieg er in der Corona-Spielzeit 2019/2020 gar in die zweite Bundesliga auf, sein auslaufender Vertrag wurde aber nicht verlängert. Nach einem kurzen Intermezzo bei den Würzburger Kickers heuerte Antwerpen im Februar 2021 beim fast schon abgeschlagenen 1. FC Kaiserslautern an und sicherte durch eine überragende Rückrunde den Pfälzern den Klassenerhalt. In der folgenden Saison formte Antwerpen die roten Teufel zu einem Aufstiegskandidaten, wurde aber vor den dann erfolgreichen Relegationsspielen gegen Dynamo Dresden durch Dirk Schuster ersetzt. Bei Waldhof Mannheim saß Antwerpen nur gute 9 Monate auf der Trainerbank. Die „Waldhofbuwe“ hatte er zum Klassenerhalt geführt, doch die Zeit zum Neuaufbau wurde ihm in der Quadratestadt nicht mehr gegeben. Antwerpen hatte bis hierhin unter Beweis gestellt, Mannschaften vor dem sicheren Abstieg retten zu können, doch häufig hafteten ihm auch andere Adjektive an: Er galt als „schwierige“ Persönlichkeit, die häufig verbrannte Erde bei seinen bisherigen Stationen hinterlassen hatte.
Für Michael Welling war es also auch ein Wagnis, den in Unna geborenen Coach unter Vertrag zu nehmen. Doch in seinem öffentlichen Auftreten erlebte die Osnabrücker Fangemeinde bislang einen eher leisen und sachlichen, sehr fokussiert wirkenden Fußballlehrer. Schon vor Öffnung des Wintertransferfensters konnte Marco Antwerpen 4 wichtige Punkte für das Ziel Klassenerhalt einfahren. Das der VfL inzwischen das beste Team der Rückrunde ist und sagenhafte 27 Punkte aus 12 Partien unter seiner Verantwortung holte, ist wahrlich kein Zufall. In Rekordzeit stellte er erfolgreich auf ein 3-5-2-System um, baute neue Spieler aus der Wechselperiode im Januar in die Mannschaft ein, strahlte Optimismus aus und verschaffte insbesondere der Defensive Stabilität: Bis zum 17. Spieltag hatte der damals abgeschlagene Tabellenletzte VfL 35 Gegentore hinnehmen müssen, in den darauffolgenden 12 Partien kamen nur noch 11 weitere hinzu. Im Schnitt hat der VfL unter Antwerpen 2,25 Punkte pro Spiel geholt, die Zahlen wären auf eine gesamte Saison hochgerechnet die Bilanz eines Aufsteigers. Unter Antwerpen fällt die Mannschaft bei Rückschlägen nicht auseinander, sondern arbeitet sich in die Partien zurück, der VfL agiert unter ihm selbst gegen Spitzenteams auf Augenhöhe, was Hoffnung macht für die verbleibenden 8 Partien, in denen noch Kaliber wie Dynamo Dresden oder der 1. FC Saarbrücken warten. Marco Antwerpen hat einer völlig verunsicherten Mannschaft Selbstvertrauen eingehaucht, an einigen Stellschrauben gedreht und auch beim Auftritt gegen die Löwen aus München Vieles in die richtigen Bahnen gelenkt:
Erstens, dass er jenem Chance Simakala, der schon auf dem Abstellgleis zu sein schien, das Vertrauen schenkte und dieser es mit dem wichtigen Tor zum 1:0-Erfolg zurückzahlte. Auf Simakala angesprochen, wollte Antwerpen in den vergangenen Wochen nicht viele Worte verlieren, auf der Pressekonferenz nach dem Spiel gegen 1860 lobte er Chance daher auch wohlwollend dezent und mit dem Hinweis versehen, „dass jeder Spieler, der in die Mannschaft kommt, unseren Weg mitgehen müsse“.
Zweitens, dass er einem unter ihm zum U 20-Nationalspieler der Türkei gereiften Yigit Karademir trotz der Belastung von 2 Länderspielen erneut in die Startelf berief, weil er die Qualitäten des Verteidigers korrekt einschätzen kann.
Drittens, dass er eben jenen Yigit Karademir nach gut einer Stunde vom Platz nahm, nicht, weil jener einen schwachen Auftritt hingelegt hatte, sondern weil er auf die Erfahrung eines frischen Maxwell Gyamfi setzte und auch dieser Wechsel wie alle anderen saß.
Marco Antwerpen spricht in seinen Interviews stets vom „Kampf um den Klassenerhalt“ und nicht vom „Kampf gegen den Abstieg“. Für Außenstehende mögen beide Redewendungen denselben Inhalt haben, doch die Intention ist eine andere, warum der Trainer stets vom Klassenerhalt spricht: Das Wort „Klassenerhalt“ ist positiver besetzt als das Wort „Abstieg“. Eine kleine, aber feine Nuance, die herausstellt, wie viele Steine Antwerpen auch in der Kommunikation umgedreht hat.
Unter Marco Antwerpen ist aus einem hoffnungslos abgeschlagenem Abstiegskandidaten eine schlagkräftige VfL-Mannschaft geworden, die zwar nicht immer schön spielt, aber durch Cleverness, Einsatzbereitschaft und eine hohe Intensität gegen den Ball den Kampf um den Klassenerhalt angenommen hat und damit am Saisonende belohnt werden dürfte. Noch ist der Klassenerhalt aufgrund des sehr engen Drittligafeldes nicht erreicht, aber die Chancen, dass der VfL auch in der kommenden Saison wieder in Liga 3 neu angreifen kann, sind deutlich gestiegen. Dies ist nicht das alleinige Verdienst Antwerpens, aber sein Anteil an der aktuellen Entwicklung ist unbestritten hoch.
Wir gratulieren Marco Antwerpen zum „Löwenpudel of the Match“ und wünschen ihm und uns, dass wir im Saisonendspurt diesen Titel noch so oft wie nur möglich vergeben können.