VfL Osnabrück: Was war und wie geht’s weiter?

 

Wäre es möglich gewesen?
Ein Saisonrückblick der besonderen Art

Es ist keine neue Erkenntnis, wenn man frei nach Joachim Fuchsberger feststellt: „VfL-Fan zu sein ist nichts für Feiglinge“. Der achte Abstieg aus der 2. Bundesliga seit der Saison 1983/84 ist Realität. Nun gut – dem gegenüber stehen sieben Aufstiege in eben jene Liga, in der die Lila-Weißen Fans ihre Mannschaft (mindestens) sehen wollen.

Abstieg aus der in die Aufstieg aus der in die
83/84 2. BL OL Nord 84/85 OL Nord 2. BL
92/93 2. BL OL Nord 99/00 RL Nord 2. BL
00/01 2. BL RL Nord 02/03 RL Nord 2. BL
03/04 2. BL RL Nord 06/07 RL Nord 2. BL
08/09 2. BL RL Nord 09/10 3. Liga 2. BL
10/11 2. BL 3. Liga 18/19 3. Liga 2. BL
20/21 2. BL 3. Liga 23/24 3. Liga 2. BL
23/24 2. BL 3. Liga

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass es ohne Abstiege keine Aufstiege gibt und – seien wir ehrlich – wer möchte auf lila-weiße Gänsehautmomente verzichten, die erst nach Abstiegen möglich waren und uns unter anderem diese unvergessenen Aufstiege beschert haben:

Saisonfinale 1999/2000 – 01.06.2000
Elfmeterschießen gegen Union Berlin – hätte der VfL verloren, wären lt. Lothar Gans hier die Lichter ausgegangen.

Saisonfinale 2006/07 – 04.06.2007
Der bereits aufgestiegene FC St. Pauli hievt den VfL durch ein 1:1 in Magdeburg in die 2. Liga, nachdem Thomas Reichenberger an der Bremer Brücke erst in der 86. Minute mit seinem 2:1 gegen RW Ahlen den Weg zum unbedingt erforderlichen Sieg ebnet und wir im Stadion zittern müssen, als Harald Pistorius in einer legendären Rundfunkreportage („das hält doch keine Sau aus“) für das Stadionpublikum die Nachspielzeit in Magdeburg schildert.

Saisonfinale 2009/10 – 08.05.2010
Mehr als 2.500 VfL-Fans machen sich an diesem Wochenende auf den Weg nach Bayern. Am letzten Spieltag der Saison 2009/10 muss der VfL bei Wacker Burghausen mindestens einen Punkt holen, um gesichert aufzusteigen. Kotuljac sorgt für den 1:0 Sieg.

Saison 2018/19
Der VfL spielt eine Bilderbuchsaison und steht schon fünf Spieltage vor dem Ende der Saison als Aufsteiger fest.

Saisonfinale 2022/23 – 28.05.2023
(Fast) Ohne Worte: 90+6 – totaler Wahnsinn!!

Und nun? Es geht wieder runter. Unterm Strich steht eine Bilanz, die mit 28 Punkten und 31:69 Toren noch ein paar Tore schlechter ist als jene aus der Chaos-Saison 2003/04 mit Pagelsdorf (28 Punkte / 35:55 Tore).

Musste das sein? Ist was falsch gelaufen?

Welche Erklärungen kann man finden, wenn man den Weg des VfL nur aus der Außenansicht beurteilen kann, ohne Einsicht in Interna, ohne genaue Kenntnis von Zwängen, die das Handeln oder das Nicht-Handeln im Verein dominieren oder erschweren?


Aufstiege 2018/19 und 2022/23

Die Aufstiegsmannschaft von 2018/19 blieb weitestgehend zusammen und verlor keine Leistungsträger. Es gab deutlich mehr Zeit, sich auf die Anforderungen der 2. Liga einzustellen, denn Lila-Weiß stand nach 34 von 38 Spieltagen als Aufsteiger und nach 35 Spieltagen als Meister fest.

Wer erinnert sich noch, dass der VfL als Zweitligist 2019/20 in der Hinserie mit 26 Punkten den 5. Platz (!) belegte und damit die Basis für den Klassenerhalt schuf? Lediglich Bielefeld, der HSV, VfB Stuttgart und Heidenheim lagen vor Lila-Weiß. Eine Leistung, die niemand erwarten konnte, aber für die es Erklärungen gibt.

Grundlage für diese Platzierung war die starke Abwehrleistung. Der VfL spielte siebenmal zu Null, war abwehrstärkstes Team der Liga mit nur 16 Gegentoren und bestätigte die alte Fußballweisheit, dass die Abwehr Meisterschaften gewinnt (bzw. die Klasse sichert) und der Sturm Spiele. Am Ende der Saison 2019/20 belegten die drei Mannschaften mit den wenigsten Gegentoren die Plätze eins bis drei.

Das Niveau konnte in der Rückserie nicht gehalten werden, es fehlte die Konstanz der Hinserie und möglicherweise spielte auch die Qualität des Kaders eine Rolle, die doch nicht für eine komplette Saison auf gutem Niveau reichte. Der VfL holte nur 14 Punkte und kassierte 32 Gegentore, so viele wie keine andere Mannschaft. Das bedeutete in der Rückrundentabelle den letzten Platz.

Vollkommen anders waren die Rahmenbedingungen nach dem Aufstieg 2022/23. Der Aufstieg wurde zwar Wochen vor dem Saisonende für möglich gehalten, aber endgültig unter Dach und Fach war er erst in der letzten Minute der Saison. In der vorletzten Minute befand sich der VfL virtuell noch auf dem sechsten (!) Platz.

Die Aufstiegsmannschaft verlor vier Leistungsträger (Traoré, Köhler, Simakala, Heider), zusätzlich fiel Timo Beermann monatelang durch Verletzungen aus. Diese Verluste konnten nicht kompensiert werden, zumal mit Köhler, Heider und Beermann auch meinungsstarke Führungsspieler fehlten. Im Nachhinein kann man fragen, ob es klüger gewesen wäre, Marc Heider als „Standby-Profi“ für den Zweitligakader zu gewinnen. Immerhin schoss der „alte Mann“ in den ersten 30 Spielen für den westfälischen Oberligisten SF Lotte 20 (!) Tore.


Saisonverlauf 2023/24

Sinnbildlich für den Saisonverlauf 2023/24 sollte der Auftakt gegen Karlsruhe sein: Schon in der zweiten Minute lag der VfL zurück und in der 87. Minute fiel nach ordentlicher Leistung der Gegentreffer zum 2:3.

In der Hinserie kassierte der VfL 38 Gegentore und spielte nur einmal (Hertha) zu Null; keine Mannschaft war schlechter. Dem gegenüber stehen nur 15 erzielte Tore, ebenfalls der schlechteste Wert der Liga. Sowohl in der Heim- als auch in der Auswärtstabelle ist der VfL zur Saisonmitte Tabellenletzter. Viel schlechter geht es nicht.

Nach der Freistellung von Tobias Schweinsteiger stabilisierte Uwe Koschinat die Mannschaft allmählich, doch die Hypothek der Hinrunde wog zu schwer. Eine verunsicherte Mannschaft fand nicht die nötige Konstanz, um beharrlich Punkte zu sammeln. In der zweiten Saisonhälfte kassierte der VfL 31 Gegentore und kam auf 16 eigene Torerfolge. Fünfmal blieb die Mannschaft ohne Gegentreffer (Paderborn, Rostock, Hannover, Wiesbaden, Fürth). In der Rückrundentabelle findet sich der VfL immerhin auf Platz 14 wieder, das ist mehr als respektabel.

Die Abschlusstabelle führt den VfL sowohl zuhause (17 Punkte / 4-5-8) als auch auswärts (11 Punkte / 2-5-10) auf Platz 18. In 14 Spielen erzielte der VfL kein Tor.

Muss es noch einmal gesagt werden? Die drei Mannschaften mit den wenigsten Gegentoren in der 2. Liga belegten die Plätze 1-3. Übrigens – auch in der Bundesliga stehen die fünf Mannschaften mit den wenigsten Gegentoren auf den Plätzen 1-5.


Die „6-Punkte-Spiele“ und der Kader

Geht man davon aus, dass der VfL von Anfang an gegen den Abstieg spielte, sollte es das Bestreben sein, gerade in den sog. „6-Punkte-Spielen“ gegen vermeintliche Konkurrenten um den Klassenerhalt erfolgreich zu sein. Diese kristallisierten sich zwar erst im Laufe einer Saison heraus, aber wieder einmal konnte man beim VfL feststellen, dass gerade in den Spielen gegen „Abstiegskonkurrenten“ viel zu schlecht gepunktet wurde. Am 30. Spieltag waren neben dem VfL (24 Punkte) noch mindestens sechs Mannschaften stark abstiegsgefährdet (Schalke 35 / Magdeburg 33 / Wehen 31 / Braunschweig 31 / Rostock 31 / Kaiserlautern 29); gegen diese mutmaßlichen „Abstiegskandidaten“ holte der VfL von 36 möglichen Punkten nur sechs! Ist das Zufall oder wollten die anderen mehr?

Schon nach den ersten Spielen kamen Zweifel an der Qualität des Kaders auf. Der Blick auf die Rückrundentabelle bestätigt diese Sichtweise nicht unbedingt. Vielleicht aber reichte die Qualität nur für eine Halbserie und war auf Strecke zu wenig. Unterschiedliche Auffassungen zwischen Sportdirektor Shapourzadeh und Trainer Schweinsteiger hinsichtlich der Zusammensetzung des Kaders und der Kadergröße drangen an die Öffentlichkeit.

Will eine Mannschaft wie der VfL, der in den vergangenen 24 Jahren leistungsmäßig zwischen der 2. Bundesliga und der 3. Liga anzusiedeln ist, länger in Liga 2 bestehen, ist es unerlässlich, sich in jedem Spiel konstant an der Leistungsgrenze zu bewegen. Ohne ein stabiles Abwehrverhalten läuft zudem gar nichts. Wer in sieben Spielen (96-Fürth-S04-DÜS-Kiel-BTSV-S04) 30 Gegentore kassiert und selbst keinen Treffer erzielt, kann die Klasse nicht halten.


Wäre der Klassenerhalt 2023/24 möglich gewesen?

Dennoch fragt man sich – wäre der Klassenerhalt auch 2023/24 möglich gewesen? Oder, hat der VfL auf dem Weg durch die Saison Punkte liegengelassen und wenn JA, waren es Pech oder zu wenig Glück oder Unvermögen oder sonst was?

Jeder mag seine eigenen Erklärungen haben, aber mit etwas mehr von dem was nicht ausreichend vorhanden war, hätte man sowohl in der Hinrunde [KSC (+1), Rostock (+1), Kaiserslautern (+2), Kiel (+2), BTSV (+1)] als auch in der Rückserie [KSC (+1), Paderborn (+2), Rostock (+2), Kaiserslautern (+1)] einige weitere Punkte sammeln können. 13 zusätzliche Punkte hätten Platz 12, also einen Nichtabstiegsplatz, bedeutet.

Hätte, wäre, wenn – natürlich können alle Vereine derartige Rechnungen aufmachen, doch die Wahrheit liegt … – ihr wisst schon. Und natürlich werden die Entscheidungsträger des Vereins deutlich tiefer in die Analyse eindringen können und müssen.

Als Schlüsselspiel kann man die Niederlage in Kaiserslautern ansehen. Anstatt den dritten Sieg in Folge zu feiern, kassierte der VfL nach guter Leistung erst in der Nachspielzeit den endgültigen k.o.-Treffer, nachdem er bis zur 78. Minute sogar geführt hatte. Dass ausgerechnete der 90+4-Torschütze Simalkala dem VfL den vorzeitgen Gnadenschuss  verpasste, ist an fußballerischer Tragikomik kaum zu überbieten. Nach den Erfolgen gegen 96 und den HSV hätte eine „kleine“ Siegesserie möglicherweise für einen Schub gesorgt und den Abstand zu Braunschweig, Rostock sowie Kaiserslautern spürbar verringert.


Wohin wird der Weg des VfL führen?

Man weiß es nicht. Die einen sagen so und die anderen so. Es kann in beide Richtungen gehen, zumal der Ball wider Erwarten rund ist und ein Spiel 90+6 Minuten dauern kann.

Sieht man sich an, was aus Vereinen geworden ist, die sich – zumindest einige Jahre – mit dem VfL auf Augenhöhe bewegt haben, wird man auch nicht schlauer. Schon lange in der Bundesliga spielen Mainz (17 Jahre), Union (4), Freiburg (23) oder Augsburg (12), Heidenheim hält als Aufsteiger des letzten Jahres die Klasse. Kiel ist mit St. Pauli in die „bel étage“ aufgestiegen, Paderborn (2) und Braunschweig (21) kennen die Erstligaluft ebenfalls, sind aber aktuell solide Zweitligisten – also das, was der VfL gern wäre.

Doch es geht auch in die andere Richtung, während Wuppertal, Fortuna Köln und Oberhausen seit Jahren viertklassig sind und Wattenscheid als ehemaliger Bundesligist gar in die Fünftklassigkeit abgerutscht ist, kommt Aachen nach 11 Jahren aus der Regionalliga West zurück in die 3. Liga.

Preußen Münster, 1951 Finalist im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft und 1963 Gründungsmitglied der Bundesliga, steigt nach 33 Jahren wieder in die 2. Bundesliga auf.

Hoffen wir also, dass die 2. Liga nicht bis 2057 auf den VfL warten muss.

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5. Dezember 2024spot_img
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