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Dienstag, 9. Dezember 2025

Ist Kanzler Merz ein „Grauer Herr“?

Aus meinem „Bücherstapel der Schande“ habe ich vor einigen Tagen „Momo“ herausgefischt und bestaune die hellseherischen Fähigkeiten von Autor Michael Ende.

Die Geschichte (1973 veröffentlicht) handelt vom Kind Momo, das am Rande einer großen Stadt in einem alten Amphitheater Unterschlupf gefunden hat und von Freunden und Nachbarn geliebt, versorgt und immer wieder gerne besucht wird. Und weil Momo so wunderbar zuhören kann, gehen alle anschließend gut gelaunt und guten Mutes wieder nach Hause. In Momos Anwesenheit spielen die Kinder die phantasievollsten Spiele miteinander, streiten nicht, sondern diskutieren friedlich miteinander bis eine Lösung für ein Problem gefunden ist.
Aber schleichend wird alles anders: die Besucher werden weniger, die Kinder, die kommen, haben keine Phantasie mehr, sondern sitzen bei Momo herum und fangen an zu zanken.
… Schuld sind die „Grauen Herren“, die den Leuten den Stachel des Zeitsparens eingeimpft haben – Zeit spart man, in dem man sie nicht mit unnützen Dingen, wie dem Besuch von vermeintlichen Freunden, verplempert.

Und das, was ich von Michael Ende an Beschreibungen zum Ergebnis des „Zeitsparens“ lese, bringt mich auf Herrn Merz, dessen Zitate ich allesamt auf der Internetseite „Zitatsuchmaschine der Humboldt-Universität zu Berlin“ www.zitatsuchmaschine.informatik.hu-berlin.de/ gefunden habe.

Schauen wir uns das einmal an:

Ende: „Und dann kam der erste Kunde an diesem Tag. Herr Fusi (Friseur von Beruf) bediente ihn mürrisch, er ließ alles Überflüssige weg, schwieg und war tatsächlich statt in einer halben Stunde schon nach zwanzig Minuten fertig. Und genauso hielt er es von nun an bei jedem Kunden. Seine Arbeit machte ihm auf diese Weise überhaupt keinen Spaß mehr. … Seine Mutter steckte er in ein gutes, aber billiges Altersheim und besuchte sie dort einmal im Monat. … Er wurde immer nervöser und ruheloser, denn eines war seltsam: Von all der Zeit, die er einsparte, blieb ihm tatsächlich niemals etwas übrig.“

Merz: „Wir müssen in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten.“ (14.05.2025)

Ende: „Zwar waren die Zeitsparer besser gekleidet als die Leute, die in der Nähe des alten Amphitheaters wohnten. Sie verdienten mehr Geld und konnten auch mehr ausgeben. Aber sie hatten missmutige, müde oder verbitterte Gesichter und unfreundliche Augen.“

Merz: „Wir werden deshalb alles dransetzen, Deutschlands Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen.“ (23.05.2025)

Ende: „Ob einer seine Arbeit gern oder mit Liebe zur Sache tat, war unwichtig – im Gegenteil, das hielt nur auf. Wichtig war ganz allein, dass er in möglichst kurzer Zeit möglichst viel arbeitete.“

Merz: „Ein ganz klein bisschen zu sparen im Monat, 10 Euro, 20 Euro, 50 Euro und das über eine lange Zeit, einfach festlegen, sichert ein sicheres Alterseinkommen.“ (29.08.2025)

Ende: „Deutlich zu fühlen jedoch bekamen es die Kinder, denn auch für Sie hatten nun niemand mehr Zeit. Aber Zeit ist Leben. Und das Leben wohnt im Herzen. Und je mehr die Menschen daran sparten, desto weniger hatten sie.“

Merz: „Ich bin der erste Kanzler miteigenen Kindern seit 1998. Und das prägt auch mein politisches Arbeiten.“ (22.10.2025)

Ende: „Immer häufiger kam es jetzt vor, dass Kinder allerlei Spielzeug brachten, mit dem man nicht wirklich spielen konnte, zum Beispiel ein ferngesteuerter Tank, den man herumfahren lassen konnte –, aber weiter taugte er zu nichts. Oder ein kleiner Roboter, der mit glühenden Augen dahinwackelt und den Kopf drehte –, aber zu etwas anderem war er nicht zu gebrauchen. Es waren natürlich sehr teure Spielsachen …“

Merz: „Die Kinder bekommen – wie früher mit dem Sparbuch – eine eigene Kontonummer und können auf ihrer App oder der ihrer Eltern jederzeit nachlesen, wie viel schon angespart wurde.“ (31.12.2024)

Ende: „Ich darf vielleicht bald nicht mehr kommen“, sagte Paolo … „Warum denn nicht?“ fragte Momo verwundert. „Meine Eltern haben gesagt“, erklärte Paolo, „ihr seid bloß Faulenzer und Tagediebe. Deswegen habt ihr so viel (Zeit). Und weil es von eurer Sorte viel zu viele gibt, haben andere Leute immer weniger Zeit, sagen sie.“

Merz: „Mit Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand unseres Landes nicht erhalten können.“ (14.05.2025)

Ende: (Gigi:) „Früher sind die Leute immer gern zu Momo gekommen, damit sie ihnen zuhört. Sie haben sich dabei selbst gefunden, wenn ihr versteht, was ich meine. … Früher sind die Leute auch immer gern gekommen, um mir zuzuhören. Dabei haben sie sich vergessen. … Sie haben keine Zeit mehr für so was, sagen sie. Und für Euch (die Kinder) haben sie auch keine Zeit mehr.“

Merz: „Wir müssen über die grundsätzliche Haltung in unserem Land reden: Sind wir noch bereit, uns für unseren Wohlstand und unser Alterseinkommen anzustrengen?“ (30.08.2023)

Ich frage mich, frei nach Kant: „Was ist der Mensch?“ Vielleicht doch nur ein Maultier, das mit leerem Gesichtsausdruck tagein, tagaus für Nahrung und Wasser das Drehkreuz des Brunnens im Kreis bewegt?

Das Buch „Momo“ wurde übrigens vor kurzem neu verfilmt und ist aktuell im Cinema Arthouse zu sehen als Schulvorstellung.

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