Helmut Thiele zelebriert 150. Geburtstag des Dichters
Anlässlich des 150. Geburtstags von Rainer Maria Rilke (1875-1926), einem der bedeutendsten Lyriker der Moderne, lud das Literaturbüro Westniedersachsen am Donnerstag, dem 6. November, zu einer besonderen Lesung in den Renaissancesaal des Ledenhofs ein. Der bekannte Rezitator und Schauspieler Helmut Thiele nahm die zahlreichen Gäste auf eine abwechslungsreiche Reise durch das vielschichtige Schaffen Rilkes mit.
Der bis auf den letzten Platz gefüllte Saal bot dabei den stimmungsvollen Rahmen für einen Abend, der die Gedichte, Prosawerke und Briefe des Dichters auf eindrucksvolle Weise zum Leben erweckte. Der Abend wurde durch den Leiter des Literaturbüros, Herrn Dr. Peters, eröffnet. Er hieß die Gäste herzlich willkommen und betonte die lange Geschichte und die enge Verbundenheit des Büros mit dem Künstler Helmut Thiele. Gleichzeitig ließ er eine sehr persönliche Wertschätzung für Rilkes Werk anklingen, indem er eine Anekdote über seine Mutter teilte, der er Rilke-Gedichte vorlas.

Helmut Thiele präsentierte dem Publikum einen tiefgründigen Querschnitt durch Rilkes Entwicklungsphasen. Er begann mit dem frühen, spirituellen Werk und zitierte Passagen aus den Briefen an Rilkes langjährige Vertraute Lou Andreas-Salomé („Lu“), die die Entstehung von „Das Stunden-Buch“ beleuchteten. Rilke selbst fasste seine Schaffenszeit einmal mit dem berühmten Zitat zusammen: „Rainer, Dinge machen aus Angst“ – eine Angst, die sich im Werk in Gebete verwandelte.
Der Fokus verlagerte sich anschließend auf die Lyrik des Dichters, insbesondere die sogenannten Ding-Gedichte. Inspiriert von seiner Zeit als Sekretär des Bildhauers Auguste Rodin, beschreibt Rilke in diesen Werken die Welt aus der Perspektive eines Objekts. Thiele rezitierte eindrucksvoll Rilkes berühmtestes Gedicht, „Der Panther“, dessen Schlussverse die gesamte innere Spannung des gefangenen Tieres verdichtete. Auch das populäre Gedicht „Das Karussell“ wurde vorgetragen.
Ein weiterer Höhepunkt war die Behandlung von Rilkes späten Zyklen. Der Vortrag umfasste Auszüge aus der anspruchsvollen „Ersten Duineser Elegie“ und lenkte dann die Aufmerksamkeit auf die „Sonette an Orpheus“ (1922). Letztere gelten in der Rilke-Forschung vielen als die poetisch avancierte „Summa Poetica“ des Dichters. Ergänzt wurde die Lesung durch weitere thematisch passende Gedichte wie „Der Schwan“ und „Der Knabe“. Als Thiele zu dem Text überging, der Rilkes größten Verkaufserfolg darstellt: »Die Weise von Liebe und Tod des Kornetts Christoph Rilkes«, betonte er, dass diese lyrisch-impressionistische Prosa ein ganz besonderes Zeugnis von Rilkes Sprachkunst sei.
Für eine humorvolle Auflockerung sorgte ein biografischer Einschub: Thiele las eine detaillierte Auflistung der unzähligen, kurzfristigen Lebensstationen Rilkes zwischen 1910 und 1914 vor – eine Rekonstruktion nach seinen Briefen, die dem Publikum die rastlose Existenz des Dichters vor Augen führte. Den Abschluss der Lesung bildete das Gedicht »Herbst«, passend zur gegenwärtigen Jahreszeit, was beim Publikum für große Zustimmung sorgte.
Die Lesung von Helmut Thiele, veranstaltet vom Literaturbüro Westniedersachsen, war damit nicht nur eine Hommage an Rilkes 150. Geburtstag, sondern eine feinfühlige, vielschichtige Darbietung, die dem Publikum die Klanggewalt und die thematische Tiefe des Dichters in dem bis auf den letzten Platz gefüllten Saal auf einzigartige Weise nähergebracht hat.













