„Sein Charakterfehler war seine sittliche Haltung“
Wenn man über die führenden Persönlichkeiten der Osnabrücker Nationalsozialisten spricht, darf der Name „Rudolf Arnoldi“ natürlich nicht fehlen. Als Nationalsozialist der ersten Stunde, Ortsgruppenleiter, Personal- und Polizeidezernent sowie Stadtrat gehörte er zu den „Alten Kämpfern“ der Partei und war ein bewusster Aktivist bzw. getreuer Gefolgschaftsmann Hitlers.
Rudolf Franz Ferdinand Arnoldi wurde laut dem Niedersächsischen Landesarchiv am 26. Juli 1890 im beschaulichen Frankenthal in Rheinland-Pfalz, einem damaligen Zentrum der Metallverarbeitung, wo Turbinenkessel, Druckmaschinen und Pumpen hergestellt wurden, als Sohn von Franz Arnoldi und seiner Frau Agnes, geboren.
Arnoldi besuchte von 1897 bis 1901 die Volksschule Frankenthal sowie von 1901 bis 1904 die Realschule in Frankenthal. Danach ging er bis 1904 bis 1905 auf das Gymnasium in Mannheim. Hier erlangte er den Abschluss als Ingenieur-Aspirant. Von 1905 bis 1908 besuchte er die Realschule Plauen im Vogtland (Sachsen) und begann dann mit einer dreijährigen praktischen Ausbildung als Schlosser, Dreher, Schmied, die er 1911 abschloss.
Kriegsdienst in Marine und als Frontkämpfer
Bis zum Ersten Weltkrieg arbeitete er in seinem Beruf als Geselle. Anschließend leistete er seinen Kriegsdienst in der Marine, unter anderem vom 18. Februar 1917 bis 1. Mai 1918 als leitender Ingenieur im Unterseeboot „UC 67“ und als Frontkämpfer, wofür er zahlreiche Auszeichnungen, wie das EK. II (1915), das EK. I (1918), das U-Bootabzeichen (2018) und das Oesterreichische goldene Verdienstkreuz (2018), erhalten hat. Diese Zeit prägte sein Nationalgefühl. Vom 1. März 1919 bis 7. August 1920 diente er bei der III. Marinebrigade bzw. Schiffsstammdivision der Ostsee als Leiter der Reparaturabteilung des Kraftfahrparks bzw. als Kolonnenführer bei der Brigade zur Unterdrückung von Unruhen.
Arnoldi war in erster Ehe seit Mai 1921 verheiratet mit Johanna Franziska, geb. Ganghofer, bzw. nach der Scheidung von seiner ersten Frau, war er verheiratet mit Frau Agnes Alwine Arnoldi, geborene Schmidt; Arnoldi hatte eine Tochter sowie einen Sohn.
Goldenes Ehrenzeichen der NSDAP als Nationalsozialist der ersten Stunde
Nach dem Ersten Weltkrieg war Arnoldi als Kfz-Sachverständiger bei der Versicherung Allianz tätig und trat bereits 1922 der NSDAP bei. Auch nach dem Verbot der Partei im Jahre 1923, nach dem Hitler-Putsch, blieb er der NSDAP von der Neugründung 1925 bis zum Kriegsende treu. Dafür erhielt er 1934 das Goldene Ehrenzeichen der NSDAP, das an alle Parteimitglieder verliehen wurde, die eine NSDAP-Mitgliedsnummer bis 100.000 hatten und zu den überzeugtesten Antisemiten zählten. Arnoldi trug die Mitgliedsnummer 16.260, womit er zu den Nationalsozialisten der ersten Stunde gehörte. Vom 1. August 1923 bis zum 30. Juni 1927 war Arnoldi als Regulierungsbeamter respektive Sachverständiger für Auto-Kasko-Schäden für die Filialdirektion der „Kraft“-Versicherungs-Aktien-Gesellschaft Berlin in Münster tätig. Danach war er bis zum 30. April 1928 als Leiter in den Kfz-Werkstätten der Firma Cornelius Schultz Kraftfahrzeuge in Münster beschäftigt. Daneben war er für drei Monate (Juli 1932 bis Oktober 1932) Mitglied in der SA und gehörte ab 1934 der Deutschen Arbeitsfront (DAF), dem nach der Zerschlagung der Gewerkschaften gegründeten Einheitsverband der Arbeitnehmer und Arbeitgeber und der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) an. 1936 trat Arnoldi aus der Kirche in Osnabrück aus, da er nach seiner Ansicht eine gerechtere, religiöse Anschauung durch die politischen Zeitverhältnisse finden musste. Wann und warum Arnoldi nach Osnabrück kam, war leider vom Unterzeichner nicht zu ermitteln.
Er war Leiter von NSDAP-Versammlungen in Osnabrück am 19. September 1932 bzw. 24. Oktober 1932 und von 1932 bis vermutlich zum Kriegsende war er Leiter der Ortsgruppe Osnabrück-Neustadt bzw. stellvertretender Kreisleiter.

Personal- und Polizeidezernent: dank Willi Münzer
Von 1930 bis 1935 arbeitete Arnoldi als freiberuflicher Sachverständiger bei der Industrie- und Handelskammer Osnabrück. Anschließend wurde er zum Stadtrat in der Osnabrücker Stadtverwaltung berufen und erhielt von Kreisleiter und Ortsgruppenleiter Münzer das Amt des Personal- und Polizeidezernenten, das er bis Anfang 1942 ausführte.

Laut Oberbürgermeister Gaertner ging es darum, eine Nebenregierung zu bilden, die den Vorstellungen der NSDAP entsprach, „um gegen die nicht der Partei angehörenden Spitze der Verwaltung den Einfluss der Partei durchzusetzen.“
Arnoldi bekam auf diese Weise den Beamtenstatus verliehen. Durch die Berufung Arnoldis zum Personal- und Polizeidezernenten wurde seine Politkarriere staatlich legitimiert und ihm die Möglichkeit geboten, parteipolitisch Einfluss zu nehmen.
Arnoldi: Gehalt des jüdischen Lehrers muss „Alten Kämpfern“ zukommen!
Im Jahre 1935 stellte die Stadtverwaltung plötzlich ohne Angabe von Gründen die Zahlung des Zuschusses für die Lehrerstelle der jüdischen Gemeinde ein. Stadtrat und Polizeidezernent Arnoldi forderte aufgrund der Beschwerde eines einzelnen Bürgers, dass man das Gehalt des jüdischen Lehrers doch besser den „Alten Kämpfern“ der NSDAP zukommen lassen könne, die Einstellung der Zahlungen. Oberbürgermeister Gaertner sperrte daraufhin die Mittel.
Arnoldi galt als „überzeugter Antisemit“. So hatte er einmal eine Friseurin bezichtigt, zwei jüdischen Frauen die Haare geschnitten zu haben.
Charakterfehler: „Sittliche Haltung außerhalb des Dienstes“
Oberbürgermeister Gaertner schilderte Arnoldis Amtsentlassung wie folgt: „Sein Charakterfehler war seine sittliche Haltung außerhalb des Dienstes. Deshalb wäre er für die Verwaltung in Osnabrück auf die Dauer kaum tragbar gewesen. Er ist dann auf eigenen Wunsch unter Aufhebung seiner Unabkömmlichkeitsstellung – ich glaube im Jahre 1943 oder noch früher zur Wehrmacht einberufen.“
Später wurde Arnoldi aus Altersgründen vom Militärdienst entlassen und als Stadtrat einer anderen Kommunalverwaltung zugeteilt. Bei Kriegsende wurde Arnoldi im Mai 1945 in Emden festgenommen und interniert. Als er am 15. Februar 1948 aus der Haft in Fallingbostel entlassen wurde, verurteilte ihn das Spruchgericht Benefeld-Bomlitz im August 1948 wegen Zugehörigkeit zu einer für verbrecherisch erklärten Organisation (Politische Leiter) zu einer Geldstrafe von 4.000 DM, wahlweise zu 160 Tagen Gefängnis. Die Strafe hatte Arnoldi jedoch nicht zu tragen, weil diese durch seine Internierungszeit als verbüßt galt.
Im März 1949 wurde er im Verfahren des Entnazifizierungs-Hauptausschusses als wesentlicher Förderer in die Kategorie III eingestuft, weil er mit seinem frühen Parteieintritt (1922) ein besonders treues und überzeugtes Parteimitglied war und durch „seine aktive und propagandistische Tätigkeit als Ortsgruppenleiter bzw. stellvertretender Kreisleiter sowie seiner Stellung als Personaldezernent der Stadtverwaltung Osnabrück (…) ganz erheblich zur Begründung, Festigung und Erhaltung des Nationalsozialismus im Osnabrücker Bezirk beigetragen habe.“ Arnoldis Forderung nach einer Herabsetzung in die Kategorie IV als Mitläufer wurde zurückgewiesen und auch einer späteren Beschwerde im Frühjahr 1952 gegen die Entscheidung wurde nicht stattgegeben.
Im Dezember 1949 wurde Arnoldi sowie anderen ehemaligen führenden Osnabrücker Nationalsozialisten, darunter den Ortsgruppenleitern Willi Münzer und Erwin Kolkmeyer, ein Prozess gemacht. Sie wurden beschuldigt, während der Reichspogromnacht vom 9 auf den 10. November 1938 maßgeblich an der Zerstörung und Plünderung der Synagoge beteiligt gewesen zu sein.
Nach Aussage von Heinrich Köhne am 10. Januar 1948 beim 2. Polizeirevier der Kriminalpolizei Osnabrück war Arnoldi in dieser Nacht um ca. 23.30 Uhr in der Gaststätte Quellenburg erschienen und hatte sich erst später, nachdem er zunächst in dem Ortsgruppenbüro der NSDAP war, zu ihm gesellt. Arnoldi machte dabei die Bemerkung, dass er wahrscheinlich noch angerufen werde. Kurz vor Mitternacht etwa wurde Arnoldi tatsächlich angerufen. Nach dem Anruf kam Arnoldi wieder zu dem Tisch und sagte: „Die Synagoge brennt.“ Arnoldi sagte weiterhin, dass er sofort zur Brandstelle müsste. Arnoldi hatte seinen eigenen Wagen vor der Tür der Gaststätte stehen und benutzte diesen zu dieser Fahrt; diese Aussage wurde auch von anderen Zeugen im Wesentlichen bestätigt.
„Du Judenlump, komm heraus!“
In dem Ermittlungsverfahren des Oberstaatsanwalts in Osnabrück, 3 Js. 2485/45 vom 12. April 1948 erschien der Zeuge Peter Lohmann, Osnabrück und sagte aus: „Ich war Ohrenzeuge einer Unterhaltung zwischen Kolkmeyer, Arnoldi und den anderen Zivilisten, in der Kolkmeyer sagte, der Jude Flatauer sei von der Gestapo freigelassen worden und er müsse unbedingt diese Nacht wieder festgesetzt werden. Arnoldi begab sich dann mit den von ihm bestimmten Leuten, denen wir uns anschlossen, zur Wohnung des Flatauer. Flatauer erschien in Hemd und Hose und erklärte, dass er bereits verhaftet gewesen und wieder freigelassen sei. Arnoldi erwiderte ihm darauf: ‘Das wissen wir alles, Du Judenlump komm heraus.‘ Flatauer wurde dann in seiner mangelhaften Bekleidung zur Dienststelle der Staatspolizei ins Schloss geführt. Unterwegs wurde er mehrfach misshandelt.“

Neun Monate Gefängnis wegen des Synagogenbrandes
Arnoldi gab an, dass er von den Geschehnissen in der Nacht erst am Morgen erfahren hätte. Der zum Zeitpunkt des Synagogenbrands zuständige Kriminalkommissar Reiss behauptete jedoch, dass die Alarmierung in dieser Nacht von Arnoldi ausgegangen sei. „Es ist daher anzunehmen, dass Arnoldi von dieser Synagogengeschichte schon vorher im Bilde gewesen ist.“ Neben zahlreichen Leumundszeugnissen, die für Arnoldi abgegeben wurden, gab es entlastende Zeugenaussagen. Trotzdem ging das Schwurgericht von Arnoldis Beteiligung aus und verurteilte ihn zu neun Monaten Gefängnis. Im Revisionsverfahren wurde die Strafe auf acht Monate reduziert und 1953 ganz erlassen.
Nach seiner Entnazifizierung im März 1949 arbeitete Arnoldi im Kleinkraftfahrzeugbau in Osnabrück und lebte mit seiner Frau, der Tochter sowie der Enkelin im eigenen Haus in Holzhausen. Der Direktor des Wohlfahrtsamtes i.R. Henss sagte über Arnoldis politische Haltung während der Zeit des Nationalsozialismus, dass er ein „bewusster Aktivist und betont treuer bzw. überzeugter Gefolgschaftsmann Hitlers“ gewesen sei, dessen Bibel „Mein Kampf“ war. Und der Standesbeamte und Stadtamtmann Mölk sagte aus, dass Arnoldi versucht habe, „mit den drastischsten Mitteln (…) gewaltsam, jeden zum Nationalsozialismus zu bekehren.“
Seit dem 1. August 1955 bezog Arnoldi Rente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte.
Vergeblicher Antrag auf Kriegsgefangenentschädigung
Am 3. Mai 1956 hat das Landesverwaltungsgericht Hannover – I. Kammer Osnabrück – in Osnabrück für Recht erkannt, dass die Klage von Rudolf Arnoldi auf Kriegsgefangenenentschädigung abgewiesen sowie die Kosten des Verfahrens dem Kläger auferlegt wurden. Arnoldi war im Oktober 1944 wegen Überschreitung der Altersgrenze aus dem Wehrverhältnis entlassen, hatte sich aber am 5. Mai 1945, 3 Tage vor der Kapitulation und als die Kampfhandlungen dort bereits eingestellt waren, als Oberleutnant wieder bei der Marinekraftfahrabteilung (MKA) gemeldet und geriet mit dieser Einheit am 9. Mai 1945 in Gefangenschaft. Hierbei handelte es sich um ein Scheinmilitärverhältnis, das einen Anspruch auf Entschädigung als Kriegsgefangener nicht begründen konnte. Arnoldi wurde seinerzeit in Internierungshaft überführt, weil er bis 1942 Ortsgruppenleiter der NSDAP gewesen war.
Rudolf Arnoldi verstarb laut dem Standesamt Osnabrück am 1. Januar 1970 in Osnabrück.
Ausgewählte Quelle:
Marie Toepper: Die NSDAP-Ortsgruppenleiter in Osnabrück. NS-Funktionäre an der Basis, in: Heese, Thorsten (HG): Topografien des Terrors. 76-89.
„Die Nazis aus der ersten Reihe“ – https://www.noz.de/lokales/osnabrueck/artikel/osnabrueck- die-nazis-aus-der-ersten-reihe, vom 09.09.2008 – laut Weitkamp, Sebastian
Jüdische Schule an der Rolandstraße neben der Synagoge, NLA OS Dep 3 c Akz. 2014/078 Nr. 13, zitiert nach: Martina Sellmeyer: Abraham Trepp, in: Ilex-Kreis Osnabrück (Heiko Schulze, Martina Sellmeyer, Dieter Przygode, Hartmut Böhm): Widerstand im Osnabrück der NS-Zeit. 36 Biografien mutiger Menschen, Osnabrück 2023 S. 228
NLA OS Rep 980 Nr. 39273, Arnoldi, Rudolf – Erlernter Beruf: Stadtrat, PolizeiverwaltungNLA OS Rep 945 Akz. 3/1982 Nr. 26, Strafsache gegen 1. Willi Münzer, 2. Erwin Kolkmeyer, 3. Rudolf Arnodi, usw.
NLA OS Rep 945 Akz. 3/1982 Nr. 27, Strafsache wie vor
NLA OS Dep 3c Akz. 2007/058 Nr. 6, Rudolf Arnoldi – 1935-1945 hauptamtlicher Beigeordneter (Stadtrat)
NLA OS Rep 492 Nr. 956, Standesamt Osnabrück Nr. 147/1970
NLA OS Dep 3c Akz. 2009/066 Nr. 57, Antrag auf Kriegsgefangenenents
Vorhergehende Folgen und weitere Veröffentlichungen des ILEX-Kreises















