Ein Demo-Report
Was braucht man für eine gelungene Demonstration? 10.000 Teilnehmerinnen? 1000 Lichter? Eine Weltstadt als Backdrop? Ich glaube nicht.
Man braucht eine Gruppe Leute, die willens sind, die Orga zu leisten, die selbst für eine kleine Demo nötig bzw. vorgeschrieben ist. Die Leute machen das, weil sie Wut im Bauch haben, weil sie Ungerechtigkeit sehen, wie sie täglich passiert. Sie sehen auch Unmenschlichkeit, hier in Deutschland. Oder sie sehen, wie unsere Gesellschaft vor die Hunde geht, weil Einige Profit oder Populismus vor Menschenwürde stellen.
Also wird ein Umzug angemeldet. Im Hintergrund fangen die Mühlen der Verwaltung an zu mahlen, oft sogar flott, denn Demos sind grundgesetzlich geschützt. Transpis werden gemalt, Ordner überredet mitzumachen, auch ein Awareness-Team wird auf die Beine gestellt, ein Lautsprecherwagen organisiert. Der sollte groß sein, möglichst die Demo aus eigener Kraft schaffen, schieben ist immer so mühsam. Das Dach darf zerkratzt sein. Spontan finden sich Leute, die irgendwelche Sachen durch die Gegend schleppen, und sei es auf mitgeführten Fahrrädern.
Flugblätter und Plakate tauchen an den üblichen Stellen in der Stadt auf, die entsprechenden Social Media – Profile werden bespielt – Samstag, 13. 12. um zwei, Sedanstrasse 115. Warum ausgerechnet da? Die älteren Osnabrücker denken an ein Militärkrankenhaus, wenn sie die Adresse hören. Die jüngeren Osnabrücker denken nix dabei. Nie gehört. Die ganz neuen Osnabrücker wissen, dass es ihre Wohnadresse ist, unbequem, steril, ahnen: vielleicht für lange, sehen: nicht wirklich am Nabel der Welt.
Die Leute mit der Wut im Bauch haben eine Idee: Zeigen wir der Stadtgesellschaft doch mal, wie weit jwd die Sedanstrasse tatsächlich ist. Also melden wir die Demo nicht als Rundstrecke an, sondern wir starten am Flüchtlingslager (das verbirgt sich nämlich hinter der Adresse), laufen bis ins Stadtzentrum – Alltag für Flüchtinge: Bus kostet. Gebrauchtes Fahrrad kaufen, mit 50€ Bargeld im Monat? Hm. Also tippeln oder Ausgrenzung.
Dann geht die Demo los. Ein Flüchtling aus Guinea hält eine aufrüttelnde Ansprache, mutig. Knapp hundert Menschen schließen sich dem Zug an, haben Plakate mitgebracht zu Themen wie „Kein Mensch ist illegal“, „Gegen die Bezahlkarte“ und so weiter. Demosprüche natürlich auch. Was wäre eine Demo ohne Sprüche? Das Kopftranspi wird dem Zug vorangetragen. Und die Polizei regelt den Verkehr, professionell, neutral. Ok, es sind vielleicht ein paar viele Beamte bei Demos wie der am Samstag. Man hat das Gefühl, die aneinandergereihten Sprinter und Beamten wären länger als die Demo. Traut, wer auch immer die Polizei geschickt hat, den Demo-Teilnehmern vielleicht doch nicht ganz zu, friedlich zu bleiben? Oder den Autofahrern auf dem Ring? Das schon eher.
Schließlich kommt die Demo an der alten Münze an. Unschuldige Touristen werden vom gesperrten Verkehr zugeparkt und so unfreiwillige Teilnehmer der Abschlusskundgebung. Sie nehmen es mit Humor, werden sogar nachdenklich, als es einige Reden gibt, die nocheinmal eindringlich die Lage der Flüchtlinge schildern und Veränderung fordern, besonders an den neuen EU-Regeln mit Abschiebeknästen in „Drittländern“. Ganz am anderen Ende des Spektrums finden sich einige Passanten und ein Anwohner wieder, die teils lautstark rechte Sprüche brüllen. Hässlich, aber außer zurückbrüllen machst du da nichts.
Danach löst sich die ganze Sache auf. Einige Leute von No Lager und anderen Gruppen stehen noch ein Weilchen beieinander. Super Demo gewesen heute. – Hast Du gesehen, wieviele Leute entlang der Route geguckt haben? – An den Bushalten sicher ein paar hundert. Die haben sich alle mit dem Thema beschäftigt, durch den Weihnachts-Konsum-Nebel hindurch. – Vielleicht kriegen ein paar von denen ja auch Wut in den Bauch. – Stimmt, vielleicht.
Mehr Bilder gibt es wie immer in meinem Blog.















