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Sonntag, 13. Juli 2025
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Mit Merz in die Zukunft?

Über unerklärbare Phänomene deutscher Vergesslichkeit

Wenn man der aktuellen Unionsspitze um Merz, Linnemann und Söder eines zugutehalten muss, dann ist das ihr gigantischer Erfolg, eigene Regierungszeiten in das Nirwana der Vergesslichkeit zu schieben. Und tatsächlich gelingt das Kunststück, sich zugleich als regierungsfähig darzustellen. Offenbar leben wir in einer derartig kurzlebigen Zeit. Erinnerungen des Wahlvolkes und vieler Medien scheinen erst seit Beginn der Ampel-Regierung einzusetzen.

Um dies gleich vorwegzusagen: Die folgenden Ausführungen sollen nicht zum Reinwaschen der total verlindnerten Ampel-Koalition führen. Das unselige Heizungsgesetz, irrsinnig lange Gesetzgebungsverfahren, das Hinterlassen einer maroden Infrastruktur und viel zu langes Kopfnicken gegenüber neoliberalen Bremsern bleiben schwarze Punkte im Goldenen Bilanzbuch für den wählenden Weihnachtsmann. Jetzt droht auch dem selten kommunizierenden, dafür ewig lächelnden Kanzler die Rute des schwarzen Ruprecht.

Doch in der Demokratie stellt sich halt vor allem die Frage nach guten Alternativen. Und eben dies muss den Blick auf die Unionsparteien erlauben, zumal diese in Wahlumfragen dermaßen hoch führen, dass es kritischen Zeitgenoss*innen schwindelig werden kann.


Können die das eigentlich?

Wer daheim den Auftrag an einen Handwerker vergibt, etwas kauft oder im Gasthaus bestellt, ist immer gut beraten, sich vorher eine Frage zu beantworten: Können mich die Anbieter überhaupt mit guter Leistungsbilanz zufriedenstellen? Zumal das Firmenschild „CDU-CSU“ unverändert, aufgepeppt mit einem neuen Logo, fest auf die Tür der Firma angedübelt ist. Darum muss es zwingend erlaubt sein, einmal auf die Referenzen jener schwarzen Firma aus eigener Regierungszeit zu schauen.


Reservisten ohne Spielpraxis

Zwei, die heute in der CDU den Ton angeben und sich als kompetente Meister ausgeben, sind bei der Beurteilung ihrer handwerklichen Fähigkeiten gar nicht zu beurteilen:

Parteichef Friedrich Merz hat niemals ein Regierungsamt, nicht einmal eines als sauerländischer Landrat, ausgeübt. 2008, schon fast vergessen, warf er inmitten der Bankenkrise sein Buch „Rettet den Kapitalismus“ auf den Markt und erstaunte das Publikum mit seiner Weisheit, dass der ungebremste Kapitalismus trotz der Milliardensubventionen für Zockersünden maroder Banken weiter unkontrolliert agieren müsse. Gut verstanden hat es Merz in seiner Warmlaufphase ohnehin, mit Hilfe der – ihn lukrativ bezahlenden – US-amerikanischen Investmentgesellschaft BlackRock die private Schatulle mit Millionensummen zu füllen, was unbändige Liebe zum Kapitalismus sicher fördert.

Und Merzens heißblütig blickender Vasall Carsten Linnemann war immer nur für ultrakonservative Fußnoten aus Arbeitgebersicht bekannt, sobald er als Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung über den Sozialstaat und angeblich skandalöse Ausgaben für Benachteiligte herzog.

Jetzt stehen beide am Spielfeldrand und wollen vor dem Anpfiff zum neuen Spiel den Sturm anführen. Ob solche Kreisligisten in der Bundesliga und Champions-League Tore schießen können?

Ein Trainer könnte ahnen, dass laut angekündigte Fouls sofort zur roten Karte führen. Zumal die Ankündigungen jener Fouls bereits verbal wie ein Dutzend Blutgrätschen klingen:

Aufnahmestopp für Geflüchtete, Komplettstreichung jeder Unterstützung für angeblich „Arbeitsscheue“, Abschaffung des Bürgergelds, Ende des Asylrechts, Stopp beim Ausbau erneuerbarer Energien, Wiederbelebung der menschenfeindlichen Atomenergie, Senkung von Sozialstaat wie Rentenniveau. Und stattdessen eine massive Aufrüstung, die aufgrund einer verweigerten Umgehung der Schuldengrenze unweigerlich zum brutalsten Abbau des Sozialstaats aller Zeiten führen dürfte.

All dies verbunden mit wüsten militärischen Drohgebärden und Ultimaten gegenüber dem unbestrittenen Kriegsverbrecher Putin. Es droht ein toxisches Hochschaukeln der Kriegsgefahr für die NATO-Staaten. Folgt man CDU-Hardliner Roderich Kiesewetter, der besser „Stahlgewitter“ heißen sollte, könnte durchaus der Alptraum wahr werden, dass deutschen Soldaten irgendwann wieder auf russische schießen.

All diese Punkte stehen schon vor der Einwechslung gut leserlich auf der Anzeigetafel. Liest das eigentlich noch jemand?


(V)erfahrene Mannschaftsteile

Formal spielten ja die allermeisten Unions-Kicker fast immer in der Bundesliga. Schließlich amtierte die Regierung von Angela Merkel 16 Jahre lang, von 2005 bis 2021, ehe ein kurzzeitiger Abstieg mit miserablem Punktekonto passierte.
Gut beraten sind wir, wenn wir nun auf jene Einträge schauen, die erfahrene Kickerinnen und Kicker als Spielnoten empfangen durften. Sichten wir die Player auf der Reservebank also einmal konkret.

Nicht mehr zur Einwechslung steht die frühere Bundeskanzlerin zur Verfügung. Keineswegs vergessen sollte man aber ihr „Leidbild“ einer sparsamen „schwäbischen Hausfrau“, die keine Schulden macht. Damit stampfte sie selbst zarteste Versuche ihres SPD-Koalitionspartners ein, den Verfall der deutschen Infrastruktur mit kreditfinanzierten Investitionsprogrammen zumindest aufzuhalten: eine marode Bahn, kaputte Verkehrswege, der Schließung geweihte Krankenhäuser, Stillstand bei erneuerbaren Energien oder verfallende Schulen sind allesamt mit CDU-Regierungspolitik verbunden. Dass Merkel lobenswerterweise eine Reform der unseligen Schuldenbremse aus der Ehrentribüne heraus fordert, darf man ihr sogar positiv anrechnen. Nur hört sie dabei wohl keiner aus ihrem siegestrunkenen Team, das sich, einander gegenseitig anfeuernd, warmläuft.

Blicken wir mal auf die Dienstleister aus schwarzen Reihen, deren Portfolio zur miesen Lage der Volkswirtschaft führte. Ist noch ein Wirtschaftsminister Peter Altmaier ein Begriff? Ein Mensch, der es fertigbrachte, jedes einzelne Windrad zu blockieren und der die führende Rolle Deutschlands bei der Fotovoltaik an die Wand rasen ließ? Ist Andi Scheuer schon vergessen, der mit seiner blind verfolgten „Ausländer-Maut“ eine runde Milliarde völlig unnötig im Straßengulli versenkte, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden? Kennt noch jemand „Heimatminister“ Horst Seehofer mit seinen wirren Abschiebe- und Grenzschließungsfantasien?

In Startlöchern für ein neues Ministeramt läuft sich aktuell Jens Spahn in Spiellaune, der jetzt als Energie- statt Gesundheitsexperte auf das Spielfeld will. Droht bei diesem lauten Haudrauf seine Zeit als Corona-Minister in Vergessenheit zu geraten? Zum Beispiel Masken-Deals, mit denen er reiche Freunde bediente, um sie noch reicher zu machen, was nie zum Schaden seiner CDU-Spendenschatulle war? Vergessen?

Kennen Lesende noch Julia Klöckner, Ministerin für „Ernährung und Landwirtschaft“. Vielleicht kann Grübelnden ein Hinweis auf ihr unseliges wie unvergessenes Werbevideo helfen. Ihr gemeinsamer Auftritt mit einem Manager des Konzerns Nestlé sorgte seinerzeit mit Recht für einen Shitstorm in sozialen Medien, nicht minder in Funk, Print und Fernsehen. Soll diese, reiche Lobbys anbetende Dame tatsächlich wieder Ministerin werden?

Jemanden vergessen? Ach ja! Eine ideale Quizfrage in der letzten Runde des Millionenspiels wäre die nach der letzten CDU-Bildungsministerin. Wie hieß die nochmal? Man ergoogelt Anja Karliczek. Leistungsbilanz? Die Antwort wäre sogar für Quiz-Champions nicht zu beantworten.

Kurzum: Bei den Bundestagswahlen am 23. Februar steht weit mehr als der Klassenerhalt des deutschen Sozialstaats auf dem Spiel. Noch ist alles abzuwenden. Hört das Wahlvolk die Signale?

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