Ende einer langen Frühsommerpause
Sehr großmütig hat sich unsere Kleine Osnabrücker Zeitung (KOZ) in Abstimmung mit der Igelpost eine früh gestartete Sommerpause gegönnt. Wir haben sie eingehalten, obwohl NOZ-Haudrauf Michael Clasen immer wieder seine tibetanische Gebetsmühle angeworfen hat, um Schulterklopfen rechter Fans einzufordern. Hasstiraden gegen Rote, Grüne oder geflüchtete Menschen können, ähnlich wie bei den Hasepost-Ballermännern Pohlmann und Niemeyer, mit immer gleichen Textbausteinen ziemlich langweilig werden. So what?
Zugegeben: Wenn Clasen am 24. Juni in seiner Munitionskiste kramt, um mangelnde Begeisterung im Lande für Trumps Bomben gegen Irans Atomanlagen zu geißeln und alles in die hanebüchene Frage münden lässt „Oder wurde Wadephul im lange von Rot-Grün dominierten Außenministerium so beeinflusst, dass sein politische Koordinatensystem durcheinander geraten ist?“, hätten wir über pathologische Wahrnehmungsstörungen philosophieren können.
Wenn Clasen Ende Juni einmal mehr pauschale Hasstiraden gegen Geflüchtete heraushaut, hätten wir dies nach seinem argumentativen Tiefflug „Mädchen im Freibad belästigt: Gelnhausen kein Einzelfall – was sich jetzt ändern muss“ leicht als effektheischenden Auswurf, um Vorurteilen zu frönen, aufgreifen können.
Wir haben es gelassen. Vielleicht hatten wir sogar die Hoffnung, Clasens Ausflüge ins Sommerloch hätten neue Schwerpunkte gefunden. Dass er sich tatsächlich in der Manier der Yellow-Press mit dem weltbewegenden Kinder-Entführungsfall um die Unternehmerin Christina Block oder mit dem burnout-geplagten Trigema-Chef Wolfgang Grupp befasst hat, sehen wir dem Kämpfer für Recht und Ordnung sogar nach.
Clasenkampf reloaded
Hoffnungen zerplatzen aber schnell wie Seifenblasen. Der „echte“ Clasenkampf prangte spätestens am 24. Juli am Firmament. „Weidel, Brosius-Gersdorf und der Kulturkampf um die AfD“ überschrieb der Mann fürs Grobe am 24. Juli seinen Kommentar.
Wer sich journalistisch auf seriöse Weise mit dem „Fall“ der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf befassen möchte, könnte dies mittlerweile in die Schublade „alles gesagt“ packen. Denn längst ist nahezu alles, was von ultrarechten Influencern in die Schmutzkübel übelster Demagogie gekippt worden ist, sachlich widerlegt.
Weder hat sich die SPD-Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht zugunsten grenzenloser „Abtreibung“ noch für ein Verbot der AfD ausgesprochen. Zu letzterem Punkt hat sie allein die Selbstverständlichkeit gesagt, dass, wenn sich der Verfassungsschutz-Verdacht gegen die AfD in Hinsicht Rechtsextremismus bestätigte, man über ein Parteiverbot „nachdenken“ müsse. Aber woher soll ein Michael Clasen den Unterschied zwischen Nachdenken und Draufhauen kennen oder gar verstehen? Und getreu dem Motto „Alles ist ja schon gesagt worden, aber noch nicht von mir“, fühlte sich plötzlich auch der NOZ-„Chef vom Dienst“ unbedingt genötigt, in seiner tiefen Mottenkiste zu wühlen.
Gönnen wir uns einfach mal seinen Originalton, den man komplett hier nachlesen kann, wenn man nicht gerade etwas gegessen hat.
„Kein Platz für Aktivismus im Verfassungsgericht“ überschreibt der NOZ-Streiter gegen alles Linksverdächtige sein Pamphlet, in dem es anfangs um die Proteste während eines TV-Interviews mit der AfD-Ikone Alice Weidel geht. Clasen deutet:
Das Opfernarrativ bekommt in diesen Tagen zusätzliche Nahrung durch die Nominierung von Frauke Brosius-Gersdorf durch die SPD. Ihre klare Haltung zu einem AfD-Verbot lässt berechtigte Zweifel zu, ob eine solch dezidierte Positionierung mit der erforderlichen Unabhängigkeit und Überparteilichkeit eines Verfassungsrichters vereinbar ist. Allein der Verdacht ist schon verheerend, Parteien könnten das Verfassungsgericht dazu nutzen, um missliebige Gegner kaltzustellen. Dort darf kein Aktivismus herrschen, sondern allein das Recht – und das setzt aus guten Gründen hohe Hürden für ein Parteiverbot. Da dürfte es kaum ausreichen, dass die AfD vom Verfassungsschutz in Teilen als rechtsextremistisch eingestuft wird. (…) Die SPD sollte genau überlegen, welche Signale sie mit solchen Personalien aussendet und darauf achten, dass ihre Kandidaten für so wichtige Ämter von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen werden. Sie ist ohnehin längst keine Volkspartei mehr.
Häh? Schieben wir mal beiseite, dass Clasen seiner ehemaligen Partei (tja, man mag es kaum glauben, war aber mal so!) mit ihren 350.000 Mitgliedern abspricht, Volkspartei zu sein.
Was zum Teufel soll aber das Wiederholen einer längst widerlegten Behauptung und die Empfehlung, nur Kandidat*innen ohne politisches Profil seien zu wählen? Schon vergessen: Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Stephan Harbarth und der ehemalige CDU-Ministerpräsident Peter Müller wurden ausdrücklich mit SPD-Stimmen Bundesverfassungsrichter, obwohl sie sich als frühere Parteipolitiker zu jeder Sekunde als schwarze Hardliner gebärdet hatten, und das um ein Vielfaches mehr als die als „Aktivistin“ verteufelte Frauke Brosius-Gersdorf. Hat Clasen hier jemals protestiert? Mitnichten! Er dürfte eher Begeisterungsstürme offenbart haben.
Kulturkampf von rechts
Der Begriff „Kulturkampf“ wurde einst geprägt, als Deutschlands Reichskanzler Otto von Bismarck gegen die katholische Kirche zu Felde zog. In Clasens unerschöpflicher Mottenkirste holte er diesen Begriff nun hervor. Er nutzte ihn für die Debatte um das von Protesten begleitete AfD-Interview mit Frau Weidel und holte den abgewetzten Kampfbegriff aus dem Staub. Lesen wir auch hier Clasens Originalton:
Droht dem Land ein Kulturkampf? Oder tobt dieser längst, mit immer stärkeren Ausschlägen? Es ist bezeichnend für die ARD, dass Alice Weidels Interview-Auftritt von linken Protesten torpediert wurde. Besonders irritierend: Die Linksaußen behaupten, die Störaktion sei mit der ARD und Polizei abgesprochen gewesen. Wo bleibt hier die Aufklärung?
Die ARD kündigt zwar zukünftig „Vorkehrungen“ an, doch die Störung wirft Fragen nach Fairness auf. Oder wie groß wäre die Empörungswelle, hätten AfD-Anhänger oder Neonazis ein Interview mit SPD und Grünen torpediert? Der Aufschrei wäre riesig – und auch völlig zu Recht. Das sind Methoden, die einer Demokratie unwürdig sind. Das spielt der AfD in die Hände. Sie kann ihre Erzählung von „voreingenommenen“ Medien bestärken.
Aus der Bundestagswahl ist vielmehr die AfD mit 20,8 Prozent als zweitstärkste Kraft hinter der Union hervorgegangen. In Umfragen liegen die Rechtspopulisten teilweise gleichauf mit CDU und CSU. Statt mit Verbotsverfahren zu drohen, sollten die etablierten Parteien etwas Naheliegendes tun: mehr Wähler überzeugen. Etwa durch eine Stärkung des demokratischen Diskurses und das Aufzeigen von Lösungen für die Probleme der Menschen. Blinder Aktivismus gefährdet am Ende, was einige Gegner der AfD vorgeben zu verteidigen: das Vertrauen in die Demokratie. Dem politischen Klima in Deutschland täte eine gewisse Abkühlung gut.
Um die Denke von Trump-Versteher Clasen auf den Punkt zu bringen, reicht bereits die Gleichsetzung von Protesten gegen die rechtsextremistische AfD mit solchen gegen verhasste Sozis oder verteufelte Grüne. So kann halt nur jemand texten, der die Blaubraunen für eine normale und wahrscheinlich koalitionsfähige „Alternative“ hält.
Gegner der AfD geben in Clasens Welt dagegen nur vor, „Vertrauen in die Demokratie“ zu verteidigen. Und dass Proteste gegen die AfD angeblich allein von „links“ kommen, setzt der offenbar von sich selbst beseelte Analytiker ohnehin als gegeben voraus. Wieso eigentlich? Gibt es nicht auch konservative oder liberale Antifaschist*innen, welche die Höcke-Partei aus tiefstem Herzen verabscheuen?
„Kulturkampf“ in Deutschland. Wenn es ihn denn überhaupt gibt, hat sich Clasen hier schon lange in die äußerste rechte Ecke dieses Disputs begeben. Schon am 16. Dezember des Vorjahres hatte er ja für sich festgestellt: „Es gibt in Deutschland eine Mehrheit jenseits von SPD und Grünen.“
Irgendwann sollte Herr Clasen sich zu seinen stillen Lieben laut und offen bekennen – von wegen der Redlichkeit. Es gibt viele, die könnten sich für ihn mit seinen rechten Tiefschlägen auch einen anderen Job vorstellen: hauptamtlich agitierend im sehr rechten Flügel der Union oder gar als Pressesprecher der AfD …
Hier meldet sich die Igelpost etwas verschämt zu Wort …