84 Delegierte aus 39 Kreisverbänden wollen Stellenwert des Radverkehrs in der Hasestadt durch neue Impulse stärken
Am morgigen Samstag, dem 13. September, findet die 34. Landesversammlung des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) Niedersachsen in der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) in Osnabrück statt. Ehrengäste der Versammlung sind der Stadtrat für Bauen, Umwelt und Mobilität, Thimo Weitemeier, und Oberbürgermeisterin Katharina Pötter, die zu den Delegierten sprechen wird. Zudem wird Sophie Rotter vom Referat für Kreisentwicklung in Vertretung für Landrätin Anne Kebschull an der Versammlung teilnehmen.
In Niedersachsen hat der ADFC an die 25.000 Mitglieder. Auf der Landesversammlung in Osnabrück werden rund 84 Delegierte aus 39 Kreisverbänden erwartet, um über die zukünftige Ausrichtung des Verbands zu beraten und wichtige Entscheidungen zu treffen. Unter anderem steht die Neuwahl des Landesvorstands an, der alle zwei Jahre neu bestimmt wird.
Diese Wahl ist entscheidend für die strategische Führung des ADFC Niedersachsen in den kommenden Jahren. Im Rahmen der Versammlung werden die Delegierten ebenfalls verschiedene Anträge diskutieren und abstimmen. Die Themen reichen von verkehrspolitischen Initiativen bis hin zu organisatorischen Anpassungen innerhalb des Verbandes.
Wir sprachen mit dem amtierenden Landesvorsitzenden Rüdiger Henze und befragten ihn zur Landesversammlung und zum Tag der Niedersachsen, an dem er teilgenommen hat.
Guten Tag, Herr Henze, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für das Gespräch nehmen. Am kommenden Samstag findet die Landesversammlung des ADFC Niedersachsen in Osnabrück statt. Im Vorfeld waren sie am letzten Wochenende am Stand des ADFC Osnabrück im Rahmen des Tags der Niedersachsen, wo sie die Fragen der Besucherinnen und Besucher beantwortet haben. Wie fällt ihr persönliches Resümee aus?
Es fällt durchaus positiv aus. Es gab interessante Gespräche mit Besucher:innen, Mitgliedern des ADFC Osnabrück, aber auch interessante Gespräche mit der Polizei und den Ausstellern auf der „Landesmeile“.
Geben Sie uns einen Einblick in die 34. Landesversammlung. Worum wird es gehen?
Neben den bereits erwähnten Wahlen geht es um die typischen Dinge einer Landesversammlung. Hierzu zählen z. B. die Rechenschaftsberichte der Vorstandsmitglieder, der Beschluss zum Haushaltsplan 2026, Beratungen und Beschlüsse zu vorliegenden Anträgen. Und vieles mehr.
Wie ist die Mitgliederentwicklung im ADFC?
Die Mitgliederentwicklung ist positiv, allerdings auf einem niedrigen Niveau. Das ist auch stets ein Thema bei unseren Kreisverbänden, bei Aktionen oder Infoständen, dass man Mitglieder wirbt.
Gibt es vom ADFC eine Aktion zur Mitgliedergewinnung und wie werden diese angenommen?
Wir haben beim ADFC seit dem letzten Jahr eine Einstiegsmitgliedschaft. Man bekommt die Mitgliedschaft im ersten Jahr zu einem Sonderpreis ohne Leistungseinschränkungen. Man hat dadurch die Möglichkeit, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, was der ADFC bietet. Und auch in welchen Handlungsfeldern man selbst, vor Ort, aktiv werden kann. Damit haben wir auch an unserem Stand beim Tag der Niedersachsen geworben. Dies kam bei den Leuten gut an.
Welche Themen sehen Sie bei der Landesversammlung als besonders wichtig?
Unter anderem ist für uns der ländliche Wegebau bzw. Wirtschaftswege ein Thema. Wir haben immer noch 40 bis 45 Prozent der Landesstraßen, keine Radwege. Es besteht vielfach die Möglichkeit, als Radfahrender auf landwirtschaftliche Wege auszuweichen. Das Problem hierbei sind Haftungsfragen: Hier müssen die Kommunen Gestattungsverträge mit der Landwirtschaft vereinbaren, um auch die Haftungsfragen zu regeln. Im Landkreis Göttingen haben das Landvolk und die Politik vor einigen Jahren eine Aktion initiiert, die man mittlerweile vielfach in Niedersachsen vorfindet.
Das sind Schilder mit der Aufschrift „Rücksicht macht Wege breit“. Das sagt meiner Ansicht nach schon alles, was man machen soll. Dann geht es noch um das Thema Schulwegsicherheit. So werden wir in dieser Woche in der Südstadt von Hannover einen Spaziergang mit Landtagsabgeordneten machen. Wir werden Schulwege abgehen und den Landtagsabgeordneten die Gefahrenstellen aufzeigen. Das Thema dahinter sind Schulwegpläne, die für die Schulen freiwillig sind. Für uns ist es sinnvoll, dass Schulen selbst Schulwegpläne erstellen. Hier sehen wir auch die Landesregierung in der Pflicht, dass sie die entsprechenden Vorgaben macht, aber auch eine finanzielle Unterstützung zusagt.
Ein weiteres Thema ist der Open-Bike-Sensor (Seitenabstandsmessung beim Überholen von Radfahrenden), den wir bei unserem Stand beim Tag der Niedersachsen vorgestellt haben. Der Kreisverband Osnabrück hat hier bereits Vorarbeit, im Sinne von Datenerhebungen, geleistet. Der Landesverband hat die Idee jetzt übernommen, da wir damit aus allen Teilen Niedersachsens Daten bekommen. So habe ich den Open-Bike-Sensor vor zwei Wochen dem Innenministerium und der Polizei vorgestellt. Die Reaktion war sehr positiv. Die Polizei kann selbst auf die Daten zurückgreifen und schauen, wo es, zum Beispiel neben dem Wall, besonders gefährlich ist. Die Intention dahinter ist, zu schauen, woran es in jedem einzelnen Fall liegt.
Sind es infrastrukturelle Maßnahmen, Baustellen, falsche Geschwindigkeitsanordnungen oder ein subjektiv falsches Sicherheitsgefühl. Die Daten sind auch Argumentationshilfen für unsere Gliederungen vor Ort mit den Verwaltungen. Hier wollen wir nach der Landesversammlung einen Schritt weitergehen, indem wir „offen“ ist. Die Baupläne sind frei im Internet verfügbar. In diese Richtung werden auch zwei Anträge gehen, die wir von zwei Kreisverbänden erhalten haben.
Was konnte der Landesverband im letzten Jahr verkehrspolitisch erreichen?
Im Februar konnten wir den Erlass zum Thema Piktogramme und Piktogrammketten bekommen. Diese waren bislang offiziell auf der Fahrbahn im urbanen Raum verboten, aber inoffiziell geduldet. Jetzt haben wir den Erlass vom Wirtschafts- und Verkehrsministerium, der das auch offiziell ermöglicht. Dieser muss noch nachgearbeitet werden. Wir müssen jetzt zunächst Sorge dafür tragen, dass die Kommunen dieses Tool anwenden. Der Vorteil der Piktogramme ist, dass sie immer im Blickfeld der Autofahrenden sind.
Zum anderen haben wir in intensiver Zusammenarbeit mit der Landespolitik das Thema Schulstraßen erreicht. Dort haben wir bei der letzten Landesversammlung einen Antrag übernommen, der das Ziel hat, Elterntaxis zurückzudrängen. Obwohl Eltern argumentieren, dass sie ihre Kinder sicher zur Schule bringen wollen, werden alle anderen Kinder massiv gefährdet.
Bei der letzten Landesversammlung in Nordhorn wurde die schlimmste Bettelampel ausgezeichnet. Seinerzeit wurde der Preis nach Cuxhaven vergeben, deren Freigabezeit 2:54 Min. Hat sich die Situation vor Ort verbessert?
Ja, die Ampel wurde überarbeitet und anders geschaltet. Überall, wo wir Rückmeldungen von dem Aufruf hatten, sind Veränderungen eingetreten. Wir hatten selbst nicht mit diesem Erfolg gerechnet.
Im letzten Jahr wurde in Nordhorn die „RADvolution“ ausgerufen. Worum geht es und welche Ziele verfolgen sie damit?
Die Aktion „RADvolution“ kommt vom Bundesverband, an dem sich die Kreisverbände daran. Alles begann 2019 mit der Kampagne „Mehr Platz fürs Rad“, die sehr erfolgreich war. Die RADvolution hat im Prinzip das gleiche Ziel. Das Fahrrad soll ins Blickfeld der Menschen sein und dadurch auch ins Bewusstsein kommen. Wir, als ADFC, zertifizieren auch fahrradfreundliche Arbeitgeber.
Angesichts der vielen Herausforderungen und Ziele: Was ist die größte Hoffnung, die Sie für die Fahrradmobilität in Niedersachsen in den nächsten fünf Jahren haben?
Die Politik darf nicht nachlassen, kontinuierlich Gelder für den Radverkehr bereitzustellen. Neubau und Instandhaltung, Sicherheitsaspekte (z. B. sichere Kreuzungen) sowie Fahrradabstellanlagen sind notwendig. Wir brauchen kürzere und schnellere Genehmigungszeiträume.
Es kann und darf nicht mehr sein, dass Planung und Bau von Radverkehrsanlagen sieben bis zehn Jahre dauern. Nur so erreichen wir auch den Rückgang von Unfalltoten bzw. Verletzten. Die Verbände dürfen nicht nachlassen, immer wieder auf die Probleme gegenüber Politik und Verwaltungen hinzuweisen und auch den „Finger in die Wunde“ zu legen. Aber auch regelmäßige Schulungen für Radfahrende zur Sicherheit im Verkehr sind notwendig.
Lassen Sie uns gemeinsam das Fahrrad als Alternative zum Auto immer wieder in das Blickfeld und das Bewusstsein aller Menschen bringen. Denn es geht um die Zukunft von uns allen.
Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für das Gespräch genommen haben.