Besondere Ehrung für den Autor bei einer empathischen Lesung in Melle
Reinhold Beckmann fesselt in Melle-Buer: „Aenne und ihre Brüder“. Das begeisterte Publikum wurde Zeuge einer bewegenden Familiengeschichte gegen das Vergessen.
Zum dritten Mal innerhalb seiner erfolgreichen Lesereise war TV-Journalist, Autor und Musiker Reinhold Beckmann am Samstag, dem 1. November, in Melle-Buer zu Gast. Die St. Martini Kirche war für die nunmehr 130. Lesung seit November 2023 erneut bis auf den letzten Platz ausverkauft. Zuvor hatte sich der Autor in Anwesenheit der Bürgermeisterin Jutta Dettmann in das Goldene Buch der Stadt Melle eingetragen. Im Zentrum des Abends stand sein Werk „Aenne und ihre Brüder“, eine tief persönliche und bewegende Auseinandersetzung mit der Geschichte seiner Mutter und ihrer im Zweiten Weltkrieg gefallenen Geschwister.
In seiner einfühlsamen Biografie skizziert Beckmann den Lebensweg seiner Mutter Anna-Maria, genannt Aenne, und ihrer vier Brüder – Franz, Hans, Alfons und Willi – von der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg bis hin zur NS-Diktatur. Die Familiengeschichte spielt im kleinen, katholisch geprägten niedersächsischen Dorf Wellingholzhausen, wo Aenne und ihre Brüder aufwuchsen und deren Leben von harter Arbeit geprägt war.
Das Buch basiert auf den Erinnerungen seiner Mutter sowie auf einem persönlichen Schatz: Briefen der Brüder, die sie ihrem Sohn später in einer Schuhschachtel vermachte. Diese Feldpostbriefe erlauben einen intimen Einblick in den Alltag und die Kriegserlebnisse der jungen Männer, die wohl keine überzeugten Nazis waren, deren Berichte Beckmann jedoch kritisch hinterfragt. Die Geschichte der Familie Haber, deren Oberhaupt, Schuhmachermeister Matthias, selbst Kriegsveteran des Ersten Weltkriegs war, wird so zu einem stellvertretenden Schicksalsbericht vieler Familien in der NS-Zeit.
Der Ilex-Kreis und die NS-Zeit
Einen Abschnitt seiner Lesung widmete Beckmann den politischen Verhältnissen der späten Weimarer Republik und dem frühen Nationalsozialismus. In diesem Zusammenhang beleuchtete er die Geschehnisse in Osnabrück. Er las über das Schicksal des Chefredakteurs Josef Burgdorf, der sozialdemokratischen „Freie Presse“. Dieser Journalist hatte unter dem Pseudonym „Ilex“ den Nationalsozialismus kritisiert und wurde daraufhin von der SA verhaftet. Man trieb den Redakteur unter Schlägen durch die Osnabrücker Innenstadt und zwang ihn, ein Schild mit der Aufschrift „Ich bin Ilex“ zu tragen.
Auch die lokale Widerstandsfähigkeit wurde thematisiert: Trotz des aufkommenden Nationalsozialismus erhielt die NSDAP in dem katholisch geprägten Wellingholzhausen bei den Reichstagswahlen 1933 lediglich 102 Stimmen, während die Zentrumspartei 1496 Stimmen erhielt. Eine 1933 in Melle anlässlich des Geburtstages des Reichskanzlers gepflanzte „Hitler-Eiche“ überlebte nicht einmal zwei Jahre, nachdem Unbekannte ihre Krone absägten.

Die Lesung in der St. Martini Kirche, die ein wichtiges Denkmal gegen das Vergessen setzt und Parallelen zur heutigen Zeit aufzeigt, wurde atmosphärisch durch die musikalische Begleitung von Johannes Wendrich an der Gitarre abgerundet. Beckmann, der mit seiner Lesereise bereits Ende November 2023 im Theater Osnabrück – damals noch in Anwesenheit des heutigen Bundesverteidigungsministers Boris Pistorius – startete, zeigt mit seiner unermüdlichen Präsenz, wie aktuell und wichtig die Erinnerungskultur bleibt. Für alle, die die Geschichte von Aenne und ihren Brüdern bewegt hat, gibt es gute Nachrichten: Eine Fortsetzung der Autobiographie ist laut den Autoren für 2027 geplant.













