Samstag, 4. Mai 2024

„Das Überhangmandat“ oder „Wie groß wird der Bundestag?“

(Hintergrund) – Wie groß wird der Bundestag dieses Mal? Diese Frage wird den Hausmeistern und -meisterinnen des Deutschen Bundestags wahrscheinlich wieder Schweißperlen auf die Stirn treiben. Aber wie kommt es überhaupt zu diesen Überhangmandaten?

Zunächst einmal sind im Deutschen Bundestag Plätze für insgesamt 598 Abgeordnete vorgesehen. Die Abgeordneten werden von allen wahlberechtigten Bürgern der Bundesrepublik Deutschland nach dem Mehrheitsprinzip gewählt.

Nun darf aber jeder Bürger bei der Bundestagswahl zwei Stimmen abgeben: eine für die Direktkandidatin / den Direktkandidaten aus seinem Wahlkreis und eine für die bevorzugte Partei. Und hier beginnt das Dilemma. Ein Beispiel:

Nehmen wir an, bundesweit gibt es vier Parteien: die Streifen, die Karos, die Punkte und die Farblosen.
Bei der Auszählung der Stimmen der Parteien (das sind die Zweitstimmen) gewinnen die Streifen 25%, die Karos 35%, die Punkte30% und die Farblosen 10%. Ein paar ungültige Stimmzettel waren auch dabei (nichts angekreuzt oder mehrfach überschrieben und dadurch nicht lesbar usw.), die fallen weg.

Wenn der Bundestag  nun 100 Sitze hätte, würden nach diesem Ergebnis die Streifen 25 Sitze, die Karos 35, die Punkte 30 und die Farblosen 10 Sitze bekommen. Die Parteien haben vorher Listen erstellt, auf denen eine Reihenfolge (ein Rang) der Menschen festgelegt wurde, die für die jeweilige Partei in den Bundestag einziehen möchten und sollen. Nach diesen Listen werden nun innerparteilich die Sitze „abgearbeitet“.

Nun kommen aber die Direktmandate (Erststimmen) ins Spiel!
Obwohl die Farblosen als Partei nur 10% aller Stimmen erhalten haben, habe sie mit der Auswahl ihrer Direktkandidaten / -kandidatinnen so ein Glück gehabt, dass sie in 20 Wahlkreisen die Mehrheit aller Stimmen auf sich vereinen konnten und somit jeweils das Recht erworben haben, einen Sitz im Bundestag zu bekommen. Aber den Farblosen stehen doch nur 10 Sitze zu – was nun?

Also wird zunächst der Bundestag um 10 Sitze erweitert, damit alle Farblosen auch wirklich einen Sitz bekommen und nicht etwa auf der  Fensterbank sitzen müssen.

Jetzt ist aber nicht nur der Bundestag insgesamt größer geworden, sondern es hat sich auch des Mehrheitsverhältnis zwischen den Parteien verschoben und zwar wie folgt: Die Streifen haben jetzt bei  insgesamt 110 (100 plus 10 zusätzliche für die Farblosen) zu verteilenden Sitzen anteilig nur noch 22,73%, die Karos nur noch 31,82%, die Punkte 27,27% und die Farblosen haben auf einmal 18,18%, also 8,18% mehr als vorher. Das ist auf jeden Fall nicht richtig!

Und jetzt geht’s los: Die Sitze der Parteien (außer  die der Farblosen) werden anzahlmäßig so lange erhöht, bis das ursprüngliche Verhältnis zwischen den einzelnen Parteien wieder hergestellt ist. Das sieht dann so aus:

Die Streifen erhalten 50 Sitze, die Karos 70, die Punkte 60 und die Farblosen behalten ihre 20 direkt gewonnen Sitze. Ergibt zusammen 200 Sitze statt geplanter 100, aber das Mehrheitsverhältnis unter den Parteien ist wieder gewahrt.

Dies  ist nun ein sehr überspitztes Beispiel und soll nur vor Augen führen, wie es zu der wundersamen Vermehrung von Sitzen im Bundestag kommt.

Eines noch: Gehen Sie zur Wahl am Sonntag; es ist Ihr gutes Recht! Nur wer mitgestimmt hat, darf anschließend auch „mitmeckern“!

 

Anzeigen von links nach rechts: Die Grünen, SPD, Die Linke
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