Massenmorde, Folter – und eine kopfnickende FIFA

Fußball-WM 1978 in Argentinien

Vergaben von Fußball-Weltmeisterschaften an fragwürdige Staaten besitzen ihre eigene Tradition. Katar bildet hierbei nicht den einzigen handfesten Skandal. Die kürzlich in der OR präsentierte WM von 1934, die unter Mussolinis Regie im faschistischen Italien stattfand, bildete so etwas wie die Premierenvorstellung. Der folgende Betrag befasst sich mit der Nummer 2 der makabren Spielfolge. Gemeint ist jenes Propaganda-Schauspiel, das der argentinische Diktator Jorge Rafael Videla 1978 aufführte. Es ist ein Spektakel, das nicht nur die verbrecherischen Veranstalter, sondern auch FIFA wie DFB bis heute tief beschämen sollte.

Beginnen wir mit dem FIFA-Entscheid von 1966. Die weltumspannende Funktionärsriege vergibt gleich drei WM-Turniere: 1974 an die Bundesrepublik Deutschland, 1978 an Argentinien und 1982 an Spanien. Unfassbar erscheint die Wahl Argentiniens wie Spaniens vor ihrem historischen Hintergrund. 1966 bilden beide Länder rechtsextreme wie blutrünstige Diktaturen. Zu einer Art Glücksfall für die FIFA wird, dass Spanien, nach fast 40 Jahren faschistischer Franco-Diktatur, im WM-Jahr 1982 gerade auf dem holprigen Weg in die Demokratie ist und somit als unbescholtener Austragungsort gelten darf. Wäre der dortige Wandel nicht geschehen, hätte vier Jahre nach Argentinien eine weitere Diktatur die WM ausgerichtet. Ob zumindest das für die FIFA ein Problem gewesen wäre?

In Argentinien hätte man diese Gefahr deutlicher sehen können. Die demokratisch gewählten Regierungen Frondizis (1958–1962) und Illias (1963–1966) sind von brutalen Militärs vorzeitig aus dem Amt geputscht worden. Von 1966, dem Jahr des FIFA-Votums, gibt es bis 1973 eine gewaltfreudige Militärdiktatur. Im Jahr 1976 kommt es gegen eine gewählte Regierung erneut zu einem Militärputsch. Unter der Führung von Jorge Rafael Videla (1925-2013) wird eine Militärdiktatur errichtet, die von Beginn an mit einem offenen Staatsterror regiert.

Die Diktatoren in Buenos Aires wissen, wie Macht gefestigt werden kann. Eine weltweit beachtete WM kann vortrefflich zur Stabilisierung der eigenen Herrschaft genutzt werden. Miriam Lewi, eine der wenigen Überlebenden argentinischer KZ-Haft jener Jahre, bringt die Intention der Machthaber in der erstmals 2014 ausgestrahlten Filmdokumentation „“Sieg unter Folter“ exakt auf den Punkt:

„Die Militärs nutzten die Begeisterung der Bevölkerung, den Nationalismus, damit die Leute nicht mehr nachdachten, was im Land passiert.“

Nur allzu gern wenden sich viele Beobachtende in Politik und Medien allein dem Sportereignis zu. Vom 1. bis zum 25. Juni 1978 sollen Tore statt Morde die Schlagzeilen bestimmen.


Argentinien 1978: ein offener Horrorstaat

Als der amtierende Weltmeister aus der Bundesrepublik Deutschland Ende Mai anreist, muss sich ein seh- und lesekundiger Mensch schon blind und taub stellen, um nicht zu merken, was im Andenstaat seit dem letzten Putsch passiert ist.

Vielgelesene Medien wie der Stern berichteten in Deutschland sehr kritisch über die Menschenrechtslage im WM-Land. Etliche aus bundesdeutschen Redaktionsstuben verwiesen ständig auf Berichte von Amnesty International, nach denen tausende Regimegegner gefoltert werden oder verschwunden sind. Prominente Menschenrechtler kritisieren daheim bereits seit langem scharf, dass sich der DFB partout nicht für das Schicksal von Verschwundenen, darunter auch Dutzende Deutsche, einsetzen will.

Selbst Touristen im Andenstaat können es mit eigenen Augen sehen: Mütter haben sich dort zusammenschlossen, um auf dem Platz vor dem Regierungsgebäude (Plaza de Mayo) ungeachtet ihrer Selbstgefährdung zu demonstrieren. Alles passiert nahezu wöchentlich und damit eigentlich unübersehbar – selbst für die stumpfesten Balltreter. Ziel der „Mütter der Plaza de Mayo“ ist es, endlich Informationen über den Verbleib ihrer Kinder oder anderer Angehöriger zu erhalten.

Rund 30.000 Menschen, deren Ermordung irgendwann bestätigt wird, stehen auf der Vermissten- und späteren Todesliste der Videla-Diktatur. Bekannt ist zumindest allen, die sich informieren möchten, dass es zur makabren Praxis der Soldateska gehört, vornehmlich linke Kritikerinnen und Kritiker zu foltern, sie zu betäuben und über dem Río de la Plata oder auf dem offenen Meer aus dem Flugzeug zu werfen. Die Videla-Clique freut sich, dass durch diese Praxis kaum Ermordete gefunden werden. Fast jeder Tötungsvorwurf kann so formal entkräftet werden.

Die 1977 zusätzlich gegründete Organisation „Großmütter der Plaza de Mayo“ hat es sich außerdem zum Ziel gesetzt, Kinder der Verschwundenen in ihre Familie zurückzuführen. Der Anlass: Etlichen Frauen wurden Säuglinge und Kleinkinder geraubt, die dann bei Militärfamilien aufwachsen. Auch diese Hintergründe sind zum Zeitpunkt der WM allen halbwegs Informierten bekannt – oder könnten es zumindest sein.


Horror und Spiele: makabre Nachbarschaften

Das größte Konzentrationslager der argentinischen Junta ist ganze 700 Meter von jenem Fußballstadion in Buenos Aires entfernt, in dem das Eröffnungsspiel der WM stattfindet. Das KZ befindet sich an einer Ausfallstraße im Norden der Hauptstadt und ist mit ESMA abgekürzt, ausgeschrieben nennt es sich „Escuela de Mecánica de la Armada“. Traditionell ist der Komplex  einmal die Mechaniker-Schule der Marine gewesen. Das KZ umfasst ein 17 Hektar großes Gelände mit 34 Gebäuden. Während der Militärdiktatur sind hier 5.000 Gefangene eingepfercht, von denen nach Aussagen der oben genannten Zeitzeugin Miriam Lewin nur ganze 200 überleben.

Das ESMA-KZ. Schreie von Gefolterten sind unweit des WM-Stadions immer wieder zu hören.

Die ESMA ist das größte Folterzentrum des Landes. Häftlinge werden misshandelt, betäubt und später zumeist lebendig über dem Río de la Plata abgeworfen. Rund 340 mörderische Folterzentren werden später gezählt werden. Sie tragen nahezu zynisch verschleiernde Namen wie „Athletischer Klub“, „Olymp“ oder „Vesuv“.


DFB-Kicker mit geschlossenen Augen

Schon als die bundesdeutschen Elite-Kicker aus dem Flugzeug steigen, hat sich offenbar kaum einer der Interviewten auch nur ansatzweise mit der Situation im Gastgeberland beschäftigt. Alle freuen sich offenbar auf das Kicken – und auf das Quartier, das die Militärjunta ihren deutschen Gästen exklusiv zur Verfügung gestellt hat. Es ist ein abgeschotteter Gebäudekomplex der argentinischen Luftwaffe in Ascochinga.

Verordnet ist allen Kickern eine Art Mantra, das Bundestrainer Helmut Schön (1915-1996), der von Udo Jürgens später salbungsvoll als „Mann mit der Mütze“ besungen wird, allen vorgibt: „Man sollte versuchen, den Sport so unpolitisch wie möglich zu halten“, meint der Trainer des amtierenden Weltmeisters von 1974. Der Spruch gilt zugleich als Ansage für das Verhalten der Bundeskicker.

Was die „Helden der Nation“ dann vor laufenden Kameras von sich geben, spricht ohnehin für sich. Alles wird getoppt vom Mannschaftskapitän und späterem Bundestrainer Berti Vogts. Der wiederum hat sich schon Jahre vorher als passionierter CDU-Wahlkämpfer gezeigt, dem alles Linke zutiefst verhasst und zuwider ist. Nun kleidet er auch hier seine Weltsicht in Worte, für die er sich später sogar ein wenig schämen wird und es mit Vorgaben des DFB-Präsidenten Neuberger rechtfertigt:

„Argentinien ist ein Land, in dem Ordnung herrscht. Ich habe keinen einzigen politischen Gefangenen gesehen.“

Ob der bei Stürmern gegnerischer Mannschaften als „Terrier“ verschriene Knöcheltreter jemals nach Eingekerkerten gesucht hat? Vogts ist beileibe nicht allein. Schon vor der Abreise hat der Kölner Torjäger Dieter Müller um Ruhe geworben: „Ich habe keine Angst, dahin zu fahren. Das ist sicher gut abgesichert.“

Der Schalker Rüdiger Abramczik sagt dann vor Ort: „Wenn ich spielen sollte, habe ich mit mir selber Probleme. Und dann kann ich mich um diese Angelegenheiten nicht kümmern.“

Ronnie Worm vom MSV Duisburg meint: „Das ist eine Sache der Regierung. Da haben wir überhaupt nichts mit zu tun.“

Der Schalker Klaus Fischer ist besonders offen: „Die politischen Zustände in Argentinien interessieren mich überhaupt nicht.“

Andere haben immerhin vage gewusst, was in Argentinien geschieht. „Ich fahr da hin, um Fußball zu spielen, nichts sonst. Belasten tut mich das nicht, dass dort gefoltert wird. Ich habe andere Probleme“, bringt Manfred Kaltz vom HSV seine Lebensweisheit auf den Punkt.

Kritische Sichtweisen gehen eher unter. „Für einen Fußballer ist es nicht wichtig, sich mit der Politik zu befassen, das ist Sache der Regierung. Ein gutes Gefühl hat man natürlich nicht, wenn man vom Militär ins Hotel geleitet wird und die ham’ne Kanone im Anschlag. Aber wenn das sein muss, muss das sein“, meint immerhin Heinz Flohe vom 1. FC Köln.

Einzig Paul Breitner formuliert daheim eine gänzlich andere Sichtweise. Er, der an der WM 1978 wegen Differenzen mit dem DFB demonstrativ nicht teilnimmt, positioniert sich am deutlichsten: „Verweigert den Generälen den Handschlag!“, fordert er von seinen Fußballkollegen – erfolglos.

Und der Bundestrainer? Helmut Schön wird bei einem Interview mit dem ZDF auf dem leeren Rasen des River-Plate-Stadions plötzlich von Militärs umstellt, die das Verlassen des Stadions verlangten. Schön aber beharrt auf seiner Wahrnehmung. Er habe „… nichts gesehen, von dem man sagen könnte, es handle sich um eine ausgesprochene Diktatur.“

Die Stellungnahmen sind angesichts der überall zugänglichen Informationen zum Terrorstaat Argentinien eigentlich kein wirkliches Wunder. Große Teile der bundesdeutschen Öffentlichkeit pflegen im Kalten Krieg zu schweigen, wenn Gewaltmaßnahmen Linke treffen. Große Teile der CDU-CSU haben bereits nach dem 11. September 1973 offene Sympathie mit jenen chilenischen Putschisten um Augusto Pinochet geäußert, auf dessen Kappe Tausende von Morden an linken Anhängern des gewaltsam beseitigten Präsidenten Salvador Allende gehen. Mit dem Satz „Angesichts des Chaos, das in Chile geherrscht hat, erhält das Wort Ordnung für die Chilenen plötzlich wieder einen süßen Klang“, hatte CSU-Chef Franz Josef Strauß die Situation im Nachbarstaat dargestellt – was durchaus Rückschlüsse auf seine Beurteilung der Lage in Argentinien zulässt. Fußballfans und andere erinnern sich auch an dieses: Bei der deutschen WM 1974 ist im Stadion keineswegs die chilenische, sondern die Elf der DDR ausgepfiffen worden, die Pinochet-Truppe dagegen wird im Gegenzug mächtig angefeuert.

Auch Argentinien erwartet 1978 von einer breiten bundesdeutschen Öffentlichkeit keineswegs Kritik, sondern das exakte Gegenteil: „Buenos Dias Argentina! So heißt meine Melodie. Und sie soll uns zwei verbinden. Mit dem Band der Harmonie“, lautet eine typische Textpassage jenes Hits, mit dem Star-Sänger Udo Jürgens (1934-2014) gemeinsam mit den DFB-Kickern in die Mikros trällert und damit geschlagene vier Wochen lang die deutschen Charts anführt.


Frontmann Hermann Neuberger

Zumal ein Fisch bekanntlich vom Kopfe stinkt, ist es vor allem DFB-Präsident Hermann Neuberger (1919-1992), dessen Zuneigungsbekundungen gegenüber der argentinischen Videla-Junta unüberhörbar sind. Zwischen 1975 und 1992 ist der Saarländer Präsident des DFB. Der spätere Fernsehkommentator Erich Laaser zitiert Neuberger, auf den Videla-Putsch angesprochen, später in seiner Politik-Diplomarbeit von 1979 so:

„Ganz gleich, wie man ihn bewertet, für uns hat er nur Vorteile gebracht. Wir jedenfalls haben dadurch Partner mit Durchsetzungsvermögen bekommen, die auch über die notwendigen Mittel verfügen.“

Einen traurigen Beweis für seine Junta-Freundlichkeit hat Neuberger bereits im Vorjahr der WM erbracht – und dabei zugleich bewiesen, wie unglaublich weit sein Einfluss auf deutsche Medien entwickelt ist. Wutschnaubend musste Neuberger im ARD das „Wort zum Sonntag“ des Theologen Helmut Frenz vernehmen, der sich kritisch zur Videla-Regierung geäußert hatte.

Der DFB-Chef will das 1977 geplante Freundschaftsspiel Deutschlands gegen Argentinien auf keinen Fall gefährden. Er erreicht es, dass die vorherige Ermordung der Deutschen Elisabeth Käsemann durch die Junta vom DFB und vom Auswärtigen Amt lange Zeit absolut geheim gehalten werden kann. Das Match soll schlichtweg nicht gefährdet werden. Erst als die linke Junta-Gegnerin Käsemann längst tot ist, wird die Mannschaft davon viel später erfahren. Neuberger verweist außerdem auf das kritisierte „Wort zum Sonntag“ von Frenz und setzt sich deshalb mit Franz Mai, dem Intendanten des Saarländischen Rundfunks, in Verbindung. Erfolgreich fordert er, „dass sich solche Dinge nicht wiederholen“.

Frenz darf danach nie wieder ein „Wort zum Sonntag“ sprechen. Später wird der Geschasste, der über einschlägige Erfahrungen in Chile verfügt und sich mutig der dortigen Pinochet-Diktatur widersetzt hatte, erster Generalsekretär von Amnesty International. Gemeinsam mit dem Freiburger Menschenrechtsanwalt Konstantin Thun ist Frenz zu WM-Zeiten federführend an der vielbeachteten Amnesty-Kampagne „Fußball ja – Folter nein!“ beteiligt. Neuberger dürfte dies ebenso wutschnaubend verfolgt haben.

Unbewusst zynisch wird es, als man Neuberger in Argentinien nach seiner persönlichen Einschätzung des Diktators Videla anspricht. Was man wissen sollte: Jener hatte sich bei der WM-Eröffnung erdreistet, vom „Weltfrieden“ zu reden und hatte lebendige Tauben aufsteigen lassen, um diese Forderung symbolisch zu untermauern. Neuberger muss dies, auf den Diktator angesprochen, tief beeindruckt haben: „Ich halte ihn für eine Taube. Ich bin also mit dem Begriff Diktatur sehr vorsichtig.“ Ist es da ein Wunder, dass Neuberger später beim pompösen Schlussbankett der WM ganz nah bei Videla sitzen wird?

Zum geradezu makabren Höhepunkt des Junta-freundlichen Alltags der deutschen Kicker wird ein Besuch des bekennenden Nationalsozialisten und ehemaligen Wehrmachtsoffiziers Hans-Ulrich Rudel. Der in rechten Kreisen als „Kriegsheld“ angebetete Nazi hat sich schon 1948 nach Argentinien abgesetzt, um juristischen Verfolgungen zu entgehen. Er fühlt sich pudelwohl im Andenstaat, der ja auch schon bis zu seiner Entführung durch den israelischen Geheimdienst den Massenmörder Adolf Eichmann beherbergt hatte. Immerhin hatte die NSDAP dort bereits in den 1930er Jahren ihre größte Auslandsorganisation gehabt, die durch den Zuzug eingereister Nazi-Verbrecher womöglich sogar gewachsen ist. Zum Zeitpunkt seines Besuchs bei der Nationalmannschaft baut Rudel in Argentinien eine Hilfsorganisation für NS-Angehörige auf. Zugleich zählt er zu jenen Altfaschisten, die lateinamerikanische Generäle mehrerer Staaten gern dabei beraten, wie man linke politische Gegner dauerhaft ausschaltet.

Als Rudels Besuch des DFB-Teams bekannt wird, lässt sich selbst bei zurückhaltenden bundesdeutschen Medien kaum Kritik vermeiden. Es ist wiederum Neuberger persönlich, der wortgewaltig widerspricht: Kritik an dem Besuch käme „einer Beleidigung aller deutschen Soldaten gleich“. Offenkundig steht Neuberger unverändert zu seiner eigenen Vergangenheit als überzeugter Wehrmachtssoldat. Gedient hatte er in Afrika und Italien, zuletzt als Hauptmann beim Generalstab im besetzten Rom. Und die von Rudel erzeugte Situation? „Ich sehe sie gar nicht als peinlich an“, grummelt der DFB-Chef einem Journalisten ins Mikrofon.

Im Gedächtnis wird der DFB-Funktionär auch später bleiben, weil die Zentrale des DFB in Frankfurt am Main – das Hermann-Neuberger-Haus – sowie die Hermann-Neuberger-Sportschule in Saarbrücken bis heute nach ihm benannt sind. Seine Geburtsstadt Völklingen hat ihre Sporthalle, ihr Stadion und eine Realschule ebenfalls mit seinem Namen versehen und ihm auch dadurch ein Denkmal gesetzt.

Neuberger, dies sei eingeräumt, steht mit seinen fragwürdigen Positionen beileibe nicht allein. Argentinien ist in den 1970er Jahren ein hochgeachteter Partner der Bundesrepublik. Viele deutsche Firmen sind mit Niederlassungen in Buenos Aires vertreten. Die BRD ist überdies größter Waffenlieferant der argentinischen Diktatur. Die deutsche Botschaft tut, wie im Übrigen auch die in Chile, nahezu alles, um Harmonie und gedeihliche Kooperation walten zu lassen. Auch vom fernen SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt wird kein wirklich kritisches Wort über die argentinische Diktatur bekannt.


FIFA in zweifelhafter Kumpanei

Auch in anderen Teilen der westlichen Welt wird ein hoher Wert auf gute Beziehungen zu Argentinien gelegt. Henry Kissinger, ehemaliger US-Außenminister und 1973 mit dem CIA eigentlicher Koordinator des Putsches in Chile, weilt als fußballinteressierter Ehrengast im Umfeld Videlas.

João Havelange (1916-2016), brasilianischer FIFA-Präsident von 1974 bis 1978 und nicht gerade im Ruf stehend, ein lupenreiner Demokrat zu sein, liebt es immer wieder, im vollbesetzten Stadion der Tribünennachbar Videlas zu sein. Deutlich vom Geschehen angetan fällt Havelanges Schlusswort bei der WM-Abschlussfeier aus:

„Die FIFA dankt der argentinischen Regierung und dem argentinischen Volk für die großartige Arbeit, die sie für diese Weltmeisterschaft geleistet hat.“


Sportliches und Unsportliches

Zum Abschluss formal rein fußballerische Bemerkungen, die hier im Grunde zweitrangig sind. Planmäßig wird die Elf von Argentinien, trainiert übrigens vom heimlichen Kommunisten und Junta-Gegner Carlos Minotti, nach einem 3:1 gegen die Niederlande Weltmeister. Ins Endspiel war das blau-weiß gestreifte Team deshalb gekommen, weil es gemäß den nötigen Anforderungen eines optimalen Torverhältnisses Peru mit 6:0 geschlagen hat. Später gibt es Berichte, dass Repräsentanten der argentinischen Regierung beide Teams höchstpersönlich in deren Kabinen aufgesucht hatten. Merkwürdigerweise bekam Peru offenkundig nach dem Spiel kostenlos eine beachtliche Menge von Getreide-Tonnagen zugestellt.

Und die BRD? Ein in der österreichischen Alpenrepublik frenetisch umjubeltes Tor des Mittelstürmers Krankel führt dazu, dass die Schön-Truppe die Endrunde des WM-Turniers eher peinlich verpasst. Als „Schmach von Córdoba“ geht die 2:3-Niederlage in die Fußballgeschichte ein. Das Wort „Schmach“ stimmte. Doch man sollte es im Rückblick eher auf den damaligen Umgang von FIFA und DFB mit der Argentinischen Junta beziehen.

https://www.deutschlandfunk.de/40-jahre-nach-der-wm-1978-erinnerungskultur-in-argentinien-100.html

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