Dietrich Schulze-Marmeling: „Im Bett mit Schmuddelkindern“

Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge hat Vorwürfe, der Fußball beanspruche in der Corona-Pandemie eine Sonderrolle, brüsk zurückgewiesen:
„Wir sind überhaupt nicht arrogant, wir verlangen überhaupt keine Sonderrolle. Der Fußball hat nach wie vor Demut.“

Der FC Bayern hat so viel Demut, dass sich sein Vorstandsvorsitzender bitterlich darüber beklagt, dass auch für ein Flugzeug mit Bayern-Spielern das Nachtflugverbot gilt. Wenigstens wurde dieses Mal nicht der Art. 1 des Grundgesetzes aktiviert.

Die Bayern verbrachten sieben überflüssige Stunden in einer Luxusmaschine von Qatar Airways, Sponsor des Rekordmeisters. Qatar Airways gehört zu den weltweit zehn Fünf-Sterne-Fluggesellschaften. Wer dort an Bord ist, wird intensiv gepampert. Erst recht, wenn er FC Bayern heißt. Die Arbeitssklaven, die in Katar das Stadion für das Finale der Klub-WM bauten, würden sicherlich gerne ihren Platz in der Baracke gegen einen Sitz in der Bayern-Maschine tauschen – wenigstens für eine Nacht.

Dass die Profis trotz Pandemie spielen dürfen, finde ich in Ordnung. Das Hygienekonzept der DFL funktioniert weitestgehend. Die Zahl der Kicker, die sich infiziert haben, ist überschaubar. Was ich nicht in Ordnung finde: Dass andere Aktivitäten in dieser Gesellschaft nicht stattfinden können, trotz ebenfalls überzeugender Hygienekonzepte.

Dass die Profis kicken, ist also okay – und doch ein Privileg. Mehr als dieses Privileg stört mich, wie man es durchgesetzt hat. Im Bündnis mit BILD und Julian Reichelt, der den Re-Start mit einer Verharmlosung des Virus und einer Hetzkampagne gegen den Virologen Christian Drosten vorbereitete. Reichelts Blatt war auch für die – mit rassistischen Tönen unterlegte – Kampagne gegen den DFL(!)-Spieler Bakery Jatta verantwortlich. Seitdem ich erfahren habe, dass Christian Seifert ein gutes Verhältnis zu dem Brandstifter pflegt, ist der DFL-Boss bei mir unten durch. Mit Schmuddelkindern wie Reichelt macht man keine gemeinsame Sache.

Derartige Beziehungen sind Stoff für eine Ethikkommission. Was die Person Reichelt anbelangt, gilt unverändert das Urteil von Max Goldt: „Diese Zeitung ist ein Organ der Niedertracht. Es ist falsch, sie zu lesen. Jemand, der zu dieser Zeitung beiträgt, ist gesellschaftlich absolut unakzeptabel. Es wäre verfehlt, zu einem ihrer Redakteure freundlich oder auch nur höflich zu sein. Es sind schlechte Menschen, die Falsches tun.“


Wenn’s um die Durchsetzung der eigenen Interessen geht, ist der Fußball skrupellos. Und hat keine Berührungsängste gegenüber Schmuddelkindern.

Den jüngsten Beleg liefert am Mittwoch die Champions League-Paarung zwischen RB Leipzig und dem FC Liverpool, die in Budapest stattfindet. Dass die Sieben-Tage-Inzidenz in Ungarn über 300 beträgt, stört die UEFA nicht. Ungarn hat in seinen Einreisebestimmungen festgelegt, dass nicht-ungarische Staatsbürger ins Land dürfen, wenn sie an einer internationalen Sportveranstaltung teilnehmen. Ansonsten herrscht in Ungarn ein harter Lockdown.

Noch weniger stört die UEFA, wie das rechts-autokratische und zutiefst korrupte Orbán-Regime den Fußball für seine politischen Absichten instrumentalisiert. Orbán: „Solange wir Sport nicht als strategischen Sektor betrachten, wird Ungarn niemals ein Land mit erfolgreichen Menschen sein. (…) Das Wunderbare am Fußball ist, dass man, sagen wir, keine Ergebnisse auf der Basis von internationalen Wettbewerbs-Ranglisten des IWF ausrufen kann.“ Und am allerwenigsten stört die UEFA, dass Ungarns Staatsoberhaupt ein Kleptomane ist, der sich und einer neuen Generation von Oligarchen, die seine wirtschaftliche Basis sind, mit Staatsaufträgen und EU-Geldern die Taschen vollstopft. Laut Transparency International gehört Ungarn zu den korruptesten Ländern in der EU, nur leicht übertroffen von Kroatien und Rumänien. Aber mit Korruption haben FIFA und UEFA keine Probleme.

Das Orbán-Regime unterhält beste Beziehungen zur UEFA, hatte diese in den letzten Jahren stetig ausgebaut. Orbán-Freund Sandor Csany ist nicht nur der reichste Mann im Land, sondern auch Vizepräsident der UEFA. So wundert es nicht, dass die Budapester Puskás Aréna auch Austragungsort des EM Finales im Sommer und des Europa League-Finales 2023 sein wird.

Nein, nein – der Profifußball beansprucht keine Privilegien … doch, doch – er tut dies. Mit Hilfe autokratischer und korrupter Regime.

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