Erforschung des Zwangsarbeiterlagers Gartlage geht voran

VIP-Räume als Ideenschmiede

Endlich mal keine Zoom-Konferenz! Nicht nur die Ferne von Monitoren und Displays, sondern Erfolge, Kreativität, zahllose Ideen und konkrete Ziele prägte das Präsenztreffen des „Erinnerungsprojekts Gartlage“. Den ungewöhnlichen Veranstaltungsort hatte das Fanprojekt organisiert. Treffen konnte man sich deshalb direkt innerhalb der „VIP-Räume“ der Bremer Brücke. Es dürfte bislang eher selten passiert sein, dass sich jene „VIP-Räume“ zu einer wahren Ideenschmiede entwickelten.

Lothar Ulferts vom Bürgerverein Schinkel erläutert den Arbeitsweg der damaligen ZwangsarbeitendenLothar Ulferts vom Bürgerverein Schinkel erläutert den Arbeitsweg der damaligen Zwangsarbeitenden
Gespannte Arbeitsatmosphäre: Treffen der Initiative „Erinnerungsprojekt Gartlage“ in den VIP-Räumen der Bremer Brücke Gespannte Arbeitsatmosphäre: Treffen der Initiative „Erinnerungsprojekt Gartlage“ in den VIP-Räumen der Bremer Brücke

Moderator Dennis Germer vom Fanprojekt zeigte sich mit dem Besuch sehr zufrieden. Die gemeinsam getragene Initiative wurde Anfang des Jahres 2021 ins Leben gerufen. Die OR hatte darüber bislang ausgiebig berichtet. https://os-rundschau.de/vfl/im-blickpunkt-das-fruehere-zwangsarbeiterlager-gartlage/

Gemeinsam mit weiteren Interessierten sowie ehrenamtlich Engagierten befasst sich die Gruppe mit der Geschichte des Zwangsarbeitslagers Gartlage, über welche die OR bereits zu Beginn des Vorjahres berichtet hatte. https://os-rundschau.de/rundschau-magazin/heiko-schulze/heiko-schulze-eingepfercht-am-ort-der-vfl-triumphe/

Die Initiative geht jetzt vor allem der Frage nach, wie man die gewonnenen Erkenntnisse öffentlich vermittelt.

Das Spektrum des Bündnisses hat sich Schritt für Schritt erweitert – und dabei deutlich an Breite und Kompetenz gewonnen. Mittlerweile zählen zu denen, die sich der Erforschung des ehemaligen Zwangsarbeitslagers in der Gartlage widmen, nicht nur Aktive aus Fanprojekt, Violet Crew, VfL-Fanabteilung, VfL-Museum sowie aus dem Verein Gedenkstätten Gestapokeller und Augustaschacht. Mit Lothar Ulferts und Christoph Rickling vom Bürgerverein Schinkel kamen, neben örtlichen Historiker*innen, zwei Aktive dazu, die sich intensiv, vor allem mit der geografisch exakten Verortung der ehemaligen Baracken, Lagergrenzen und Arbeitswege der Zwangsarbeitenden eingebracht haben. Nachzeichnen lässt sich mittlerweile die Route, welche Männer und Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion bis zum Kriegsende zu den Teuto-Metallwerken am Limberg zurücklegen mussten.

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Berichte aus den Arbeitsgruppen

Mitglieder aus drei Arbeitsgruppen, die sich seit dem Vorjahr regelmäßig treffen, gaben beim Präsenztreffen aufmerksam verfolgte Zwischenberichte ihrer bisherigen Aktivitäten ab. Die erste Gruppe „Arbeit mit Zeitzeugen“, vorgestellt von Rita Zimmermann, Tina Schröter und Berni Lanfer, befasst sich mit Berichten von ehemaligen Zwangsarbeitenden sowie Osnabrücker Anwohnerinnen und Anwohnern. Sehr detailreiche Interviews sind inzwischen durchgeführt und aufgezeichnet worden. Über die jüngste virtuelle Zusammenkunft, die öffentlich mit der Zeitzeugin Antonina Vasilijewna Sidoruk aus der Ukraine stattfand, hat die Osnabrücker Rundschau bereits ausgiebig berichtet. https://os-rundschau.de/d-die-welt/ich-war-nummer-401/

Bedrückung kam in der Runde auf, nachdem Michael Gander berichten musste, dass der Heimatort Frau Sidoruks offenbar zu jenen Orten zählt, die angesichts des aktuellen Einfalls russischer Truppen in ukrainisches Staatsgebiet mit Raketen beschossen worden sind.

 

Erst sportliche Triumphe, dann menschliches Leid

Bei der zweiten Arbeitsgruppe „Spurensuche“ steht bislang die Recherche nach zeitgenössischen Fotos, Abbildungen und Aufzeichnungen rund um die Geschichte des Geländes in der Gartlage im Zentrum. Vor allem dank der Recherchen Lothar Ulferts und Christoph Ricklings, ergänzt durch Funde Berni Lanfers im Bestand des VfL-Museums, ist mittlerweile nicht nur exakt ermittelt, wo sich welche Baracken des ehemaligen Lagers befanden. 

Vor der Errichtung des Lagers: Die Gartlage als Ort fußballerischer Triumphe des VfL. Die Abbildung zeigt die Verabschiedung nach dem Spiel des VfL gegen den damaligen deutschen Meister Hannover 96, das die Osnabrücker im Frühjahr 1939 mit 3:0 gewannen.Vor der Errichtung des Lagers: Die Gartlage als Ort fußballerischer Triumphe des VfL. Die Abbildung zeigt die Verabschiedung nach dem Spiel des VfL gegen den damaligen deutschen Meister Hannover 96, das die Osnabrücker im Frühjahr 1939 mit 3:0 gewannen.

Besonders markant ist mittlerweile die Erkenntnis, dass sich ein großer Teil des Lagers tatsächlich genau da befunden hat, wo der damalige VfL bis 1939 fußballerische Triumphe bis hin zum Einzug in der Endrunde der deutschen Fußballmeisterschaft feiern durfte. „Tausendfach bejubelte fußballerische Triumphe und tausendfaches Leiden von misshandelten und ausgebeuteten Zwangsarbeitenden – makabrer kann sich der Kontrast auf dem gleichen Gelände nicht darstellen“, formulierte es ein Teilnehmer der Runde.

Blick auf das Gartlager Stadion. Im Hintergrund: zwei nicht mehr existierende Wohnhäuser sowie das Werksgelände des damaligen Osnabrücker Kupfer- und Drahtwerks (OKD), heute KME. Rechts oben klein zu erkennen: der Wanderweg „Lange Wand“Blick auf das Gartlager Stadion. Im Hintergrund: zwei nicht mehr existierende Wohnhäuser sowie das Werksgelände des damaligen Osnabrücker Kupfer- und Drahtwerks (OKD), heute KME. Rechts oben klein zu erkennen: der Wanderweg „Lange Wand“

Was folgen könnte

Die dritte Arbeitsgruppe „Öffentlichkeit und Vermittlung“, vorgestellt von Nadine Tauchner und Lisa Roggenkamp, beschäftigte sich mit der Frage, wie die Arbeitsergebnisse laufend dokumentiert und öffentlich vermittelt werden sollten. Hinzu kommen Ideen, wie angemessen am Ort des Geschehens an die Geschichte von Fußballplatz wie Lager erinnert werden kann.

In Vorbereitung ist dabei nicht nur die Erstellung einer reichhaltig bestückten Website. Weitere Arbeitsschwerpunkte betreffen Social Media, neue Ausstellungen, interessante Workshops, nicht zuletzt interne wie externe Sonderveranstaltungen. Last, but not least widmet sich diese Gruppe auch weiterhin der internen Gesprächsstruktur, um alle Mitglieder aus den Tätigkeiten der jeweils anderen Arbeitsgruppen auf dem Laufenden zu halten. Falls dem nichts entgegensteht, ist für das Wochenende zwischen dem 21. bis 22. Mai eine Recherche- und Arbeitswochenende in der Gedenkstätte Augustaschacht angedacht, das für eine Beteiligung Interessierter im Rahmen der Ortskapazitäten offen ist.

Eine Präsentation von Ergebnissen der bis dahin reichhaltig erweiterten Projektarbeit ist für die VfL-Saisoneröffnung an der Bremer Brücke angedacht. Im Herbst dieses Jahres könnte, sollte alles planmäßig laufen, der Start für weitere Workshop-Angebote erfolgen.

Der letzte, besonders kreative Teil der Zusammenkunft war weiteren Ideen zur Präsentation des historischen Projekts gewidmet. Die gemachten Vorschläge reichten hier von der Ausweisung von sichtbaren Informations- und Lehrpfaden, die per QR-Code, Audio-Guide oder Audio-Walk erschlossen werden könnten, bis hin zur Umbenennung von Ortsbezeichnungen, die mit der zu gehenden Route zum Einsatzort der Zwangsarbeitenden in der Limberger Fabrik verbunden sind. Weitere Stichworte für mögliche Umsetzungen aus der Ideen-Runde bildete ein zu errichtendes Mahnmal sowie Outdoor-Ausstellungen. Ein echtes Zukunfts-Medium moderner Vermittlung historischer Inhalte könnte hierbei sogar die sogenannte „Augmented Virtuality“ sein. Hier geht es darum, dass eine virtuelle Welt, in der sich eine Person beispielsweise in Form einer VR-Brille befindet, mir realen Informationen angereichert wird. Aber dies dürfte in der Tat eine besonders aufwändige Vermittlungsform sein, die vieles krönen könnte, aber bislang natürlich nur als Wunsch besteht.

 

Einladung zur Mitarbeit

Zukunftsvisionen? Ganz sicher! Manche sind schnell, andere eher in ferner Zukunft, wenn überhaupt, umsetzbar. Aber bereits jetzt ist das Ideengerüst ein Beleg dafür, dass sich die gesamte Runde auf einen ungemein kreativen Weg gemacht hat. Am Zeithorizont zeichnen sich schon jetzt neben den genannten Zielsetzungen weitere Forschungen, Zeitzeugeninterviews und Workshops ab. Interessierte sind dabei jederzeit zur Mitarbeit eingeladen. Falls sich hier jemand angesprochen fühlt, darf dies gern über die Mailadresse fanprojekt@osnabrueck.de  mitteilen. Die Einbeziehung in den Verteiler ist dann jederzeit möglich.

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