Band 130 der Osnabrücker Mitteilungen präsentiert Fülle neuer Erkenntnisse
Einmal jährlich, liebend gern zum Jahreswechsel, freuen sich stadt- und regionalgeschichtlich Interessierte auf einen druckfrischen Sammelband. Das neue Gemeinschaftswerk verspricht besonders markante Facetten einer Zeitreise in unsere unmittelbare Nachbarschaft.
Stolz schwingt mit: Der Historische Verein Osnabrück legt in diesem Jahr den 130. Band der Osnabrücker Mitteilungen (2025) vor. Das Hardcover-Werk hat es in sich: 358 Seiten locken mit 13 wissenschaftlichen Beiträge und 18 Rezensionen. Präsentiert wird damit ein breit angelegtes Kompendium regionalhistorischer Forschung, das Archäologie, Mittelalterforschung und Zeitgeschichte zu einem vielstimmigen Panorama der Osnabrücker Geschichte und Erinnerungskultur verbindet.
Wen nicht alle Epochen zugleich interessieren, darf natürlich auswählen. Dennoch lohnt im Grunde jede Arbeit. Das Buch startet mit einem kritisch reflektierten Diskurs um das Fundareal Kalkriese und über all das, was sich um das Jahr 9 nach Christi herum dort abgespielt hat.
Nicht minder spannend sind Untersuchungen zur mittelalterlichen Frömmigkeits- und Kirchengeschichte bis hin zu Studien zur Osnabrücker Geschichte des 20. Jahrhunderts. So werden unterschiedliche Deutungen und methodische Zugänge zu den Kalkriese-Funden gegenübergestellt, die ambivalente Rolle Bischof Bennos im Investiturstreit sowie die Friedens- und Bündnispolitik der Osnabrücker Bischöfe im 13. Jahrhundert analysiert und das spätmittelalterliche Andachtsbild „Christus am Ölberg“ im Dom kunst- und religionsgeschichtlich eingeordnet.
Besondere Spannung verdient ein Blick in die NS-Zeit. Ein Beitrag zeichnet die Umwandlung eines nationalsozialistischen Bauwerks in Bramsche von ideologischer Nutzung zu einem Mahnmal nach 1945 nach und thematisiert damit die Wandlung von Täterort zu Erinnerungsort.
Persönliche Lebenswege, aufbereitet als biografische Fallstudien beleuchten individuelle Lebenswege und die Spannungen der jeweiligen Zeitumstände: Richard Hugle wird als engagierter Verkehrsplaner und Verwaltungsbeamter vorgestellt, dessen regionales Engagement allerdings zugleich durch Anpassungen in der NS‑Zeit geprägt ist. Die Brüder Otto und Dr. Walter Sperber stehen exemplarisch für völlig unterschiedliche Haltungen und Handlungsräume gegenüber dem Regime: Das Spektrum reicht von kirchlich geprägtem Widerstand bis zur offenen Systemintegration. Was für Lesende des OR-Bandes „Widerstand im Osnabrück der NS-Zeit“ besonders interessant ist: Ein umfangreicher Beitrag dokumentiert ebenfalls die vielfältigen Formen des Widerstands in Osnabrück — politisch, religiös und sozial — und hebt Solidarität und Mut trotz Repression hervor. Bereits in der OR vorgestellt – und im Band vertieft – wurde eine Studie über Gerhard Schlikker, welche seine persönlichen und gesellschaftlichen Motive für den Beitritt zur NSDAP in den Kontext der Weimarer Krisendynamik einordnet.
Neben den genannten Schwerpunktbeiträgen gibt es sozialgeschichtliche Skizzen zur Papenhütte und zur Risch‑Halle. Weitere Beiträge zu Justus Möser führen unter anderem zu Editionen privater Briefwechsel, die Einblicke in Alltagsleben und soziale Netzwerke geben.
Insgesamt 18 Rezensionen aktueller Veröffentlichungen beziehen sich auf aktuelle Publikationen zu Kloster‑ und Rechtsgeschichte, auf Mythen und Erzählungen, Kunst und Kultur, regionaler Wirtschaftsgeschichte, Revolutionen, NS‑Widerstand und Besatzungszeit. Alle Rezensionen würdigen die wissenschaftliche Fundierung der besprochenen Werke und ihre Bedeutung für die regionale Forschung.
Einmal mehr sprechen die Historischen Mitteilungen keineswegs allein ein Fachpublikum an, sondern alle historisch Interessierten. Das Lesepublikum erwartet fundierte, gut lesbare Beiträge zur Regionalgeschichte. „Mit dem 130. Band setzt der Historische Verein Osnabrück seine langjährige Publikationstradition fort und bietet ein wichtiges Referenzwerk für die regionale Geschichtsschreibung sowie eine Grundlage für weitere Forschung und öffentliche Vermittlung“, heißt es in der Ankündigung der Macher*innen.
Die Mitglieder des Vereins für Geschichte und Landeskunde von Osnabrück (Historischer Verein) erhalten den Band kostenfrei. Aber das Jahrbuch ist auch im regionalen Buchhandel für 45,00 Euro erhältlich.
Am 15. Januar 2026, 19 Uhr im Museumsquartier Osnabrück, findet die offizielle Vorstellung des Bandes statt. Die Veranstaltung wird von Vorträgen begleitet und schließt mit einem kleinen Empfang.
Zusammengefasstes in Kürze
Osnabrücker Mitteilungen 130/2025. Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Landeskunde von Osnabrück (Historischer Verein), Münster: Verlag für Regionalgeschichte (Imprint des Aschendorff-Verlages) 2025; 358 Seiten, 63 Abbildungen; ISSN 0474-8158 | ISBN 978-3-7395-1568-7; 45,00 Euro
Inhalt
Aufsätze
- Achim Rost und Susanne Wilbers-Rost: Zur Interpretation des Fundareals Kalkriese – Einige kritische Anmerkungen
- Andreas Bihrer: Bischof Benno von Osnabrück (1068–1088): Sünder oder Heiliger? Zur Konstruktion von Bischofsheiligen im Investiturstreit
- Sonja Drehlmann: Frieden schreiben – Macht fixieren. Die Landfriedens- und Bündnispolitik der Osnabrücker Bischöfe im 13. und 14. Jahrhundert
- Friederike-Andrea Dorner: Das Osnabrücker Ölbergbild. Ein spätmittelalterliches Gemälde aus dem Dom St. Petrus
- Rainer Drewes: „Flamme und Schwert“. Zur Geschichte eines nationalsozialistischen Bauwerks in Bramsche
- Christof Haverkamp: Richard Hugle. Osnabrücker Verkehrsdirektor und Wegbereiter des Emslandplans
- Thomas Grove: Die Brüder Otto (1886–1971) und Dr. Walter Sperber (1889–1971). Oppositionelle versus systemtragende Grundorientierungen im Nationalsozialismus
- Valentin Loos: Widerstand in Osnabrück – Osnabrück im Widerstand. Wahrnehmung und Bewertung des regionalen NS-Widerstands
- Thorsten Heese: Warum ich Nationalsozialist wurde! Gerhard Schlikker – oder: zur Geschichte eines Steigbügelhalters
- Simon Hellbaum: Es spricht manches dafür, die ausgesprochen Asozialen möglichst an 1 oder 2 Stellen des Stadtgebietes zusammenzufassen. Die Osnabrücker Obdachlosenunterkunft ‚Papenhütte‘ im 20. Jahrhundert
- Rolf Spilker: Von Gasgeräten, einer Jazz-Legende und dem karierten Sakko von Peter Frankenfeld. Die Risch-Halle in Osnabrück
- Möseriana. Martin Siemsen: … meinen Kutscher als Gefangnenwärter in Vorschlag zu bringen … Zu Altersvorsorge und Patronage bei Justus Möser
- Martin Siemsen: Meine liebe Freundin … Zwei Briefe von Georg Wilhelm August von Pape (1761–1837) an Johanna Wilhelmina Juliana von Voigts geb. Möser (1749–1814)
Besprechungen
Epochenübergreifend
- Frank Huismann / Katharina Pfaff, Klosterbesuche. Entdeckungen im Osnabrücker Land (Karsten Igel)
- Horst Grebing, Das Gertrudenberger Loch. Steinbruch – Bierkeller – Luftschutz – Denkmal (Rose Scholl)
- Stefan Pätzold / Wilfried Reininghaus (Hg.), Quellenkunde zur westfälischen Geschichte vor 1800. Zwanzig Beiträge zu Auswertungsmöglichkeiten und Erkenntnispotentialen vormoderner Überlieferung (Martin Schürrer)
- Ulrich Andermann, Recht, Richter und Gerichte in Ravensberg. Rechtsgeschichte einer Grafschaft (Martin Schürrer)
- Klaus Mueller, Bauern, Plaggen, Neue Böden. 1000 Jahre Plaggenwirtschaft in Nordwestdeutschland (Karsten Igel)
Mittelalter
- Regine Krull / Olav Heinemann (Hg.), Die Gebeine eines Helden. War Widukind schon vor seiner Taufe Christ? (Christof Spannhoff)
- Ralf-Peter Fuchs / Jens Lieven / Stefan Pätzold (Hg.), Mythos als Aufgabe. Geschichtsschreibung am Niederrhein und in Westfalen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit (Lara Jäger)
Frühe Neuzeit
- Graf Johann von Hoya, Bischof von Osnabrück, Klagebrief an König Erik XIV. Wasa: Quid hic peccaverat? (Georg Wilhelm)
- Ulrike Ludwig / Philip Hoffmann-Rehnitz (Hg.), Münster nach dem Dreißigjährigen Krieg (1648–1655) (Samuel Arends)
- Rose Scholl / Kerstin Schumann / Martin Siemsen / Ilka Thörner (Hg.), Die Leute sind Goldarbeiter: Justus Möser und das Tuchmachergewerbe in Bramsche (Isabelle Guerreau)
19. Jahrhundert
- Felix Gräfenberg (Hg.), 1848/49 in Westfalen und Lippe. Biografische Schlaglichter aus der revolutionshistorischen Peripherie (Ulrich Winzer)
20. Jahrhundert
- Helmut Lensing, „Keiner darf fehlen im Kampf gegen Faschismus und Bolschewismus!“ Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und die „Eiserne Front“ in der Grafschaft Bentheim und im Kreis Lingen (1924–1933) (Sebastian Weitkamp)
- Conrad Gietman / Simone Nieuwenbroek / Martin Schürrer / Redmer Alma / Yme Kuiper / Gunnar Teske (Hg.), Einde van de adelscultuur? Adellijke overlevingsstrategieën in Duitsland en Nederland, 1918–1955 (Benjamin van der Linde)
- Stefan Lüddemann, Friedrich Vordemberge-Gildewart (Eva Berger)
- Arta Valstar-Verhoff / Roman Zieglgänsberger (Hg.), KörperGeometrie. Ilse Leda und Friedrich Vordemberge-Gildewart (Eva Berger)
- Petra-Ulrike Wissbrock, Der andere Blick auf deutsche Verhältnisse. Kreis Resident Officers in westfälischen Kreisen 1945–1950 (Simone Herzig)
- Rüdiger Ritter (unter Mitarbeit von Britta Albers), Haren/Maczków 1945–1948. Zwei Perspektiven auf die emsländische Gemeinde Haren in der Nachkriegszeit / Haren/Maczków 1945–1948. Dwa spojrzenia na miejscowość Haren w rejonie Emsland po II wojnie światowej (Helmut Lensing)
- Stiftung Gedenkstätte Esterwegen (Hg.), 1945/2025. 80 Jahre Kriegsende und Befreiung: Die Emslandlager (Simone Herzig)
Jahresberichte
- Verein für Geschichte und Landeskunde von Osnabrück e. V.
- Jahresbericht Oktober 2024 – September 2025 (Thomas Brakmann)
- Arbeitskreis Stadt- und Regionalgeschichte (Karsten Igel)
- Justus-Möser-Gesellschaft (JMG)
- Jahresbericht Oktober 2024 – August 2025 (Martin Siemsen)
- Die Autorinnen und Autoren des 130. Bandes
- Vorstand und Beirat des Vereins für Geschichte und Landeskunde von Osnabrück















