Freitag, 26. April 2024

„Osnabrück wegweisend“: Heinrich-Gerdom-Weg


Ein Straßenname – na und?

Wir sind alle in irgendwelchen Straßen aufgewachsen. Immer wieder steuern wir Straßen an und geben Straßennamen in das Navi ein. Tagtäglich sehen wir Straßenschilder und nehmen sie zumeist nur beiläufig zur Kenntnis. Manche klingen langweilig (Hauptstraße, Schützenstraße), andere nach großer Politik (Konrad-Adenauer-Ring, Willy-Brandt-Platz). Doch hinter Straßenschildern können auch interessante lokale Geschichten, Persönlichkeiten und Schicksale stecken.

Die Osnabrücker Rundschau veröffentlicht jeden Sonntag eine Geschichte zu Osnabrücker Straßennamen. Sie stammen allesamt aus dem im Anno-Verlag erschienenen Buch „Osnabrück wegweisend“ (ISBN 978-3-939256-38-0), das Dr. Tobias Romberg 2016 herausgegeben hat. Die Texte haben junge Menschen verfasst, die damals SchülerInnen der Ursulaschule Osnabrück oder Studierende waren.

Heinrich-Gerdom-Weg
benannt nach Heinrich Gerdom
geb. 18.07.1898 in Lintorf
gest. 10.09.1977 in Osnabrück
Pädagoge

Die Heilpädagogische Hilfe gegründet
Von Amelie Tobergte

Am 18. Juli 1898 wurde Heinrich Gerdom in Lintorf bei Bad Essen als Sohn eines Landwirts geboren. 81 Jahre später wurde eine kleine Straße in Osnabrück-Sutthausen nahe der Werkstätten der Heilpädagogischen Hilfe Osnabrück (HHO) nach ihm benannt. Wieso wird ein Bauernsohn Namensgeber einer Straße?

Als Achtjähriger musste Heinrich als Halbwaise für seine Mutter und fünf jüngere Geschwister Verantwortung übernehmen. Nach dem Volksschulabschluss nahm er die Volksschullehrerausbildung auf, die er 1921 – unterbrochen durch seinen Militärdienst im Ersten Weltkrieg – abschloss. 1922 trat er seine erste Volksschullehrerstelle in Gelsenkirchen an. Neben der Schule befand sich dort auch eine Hilfsschule (Förderschule). Dort ließ sich Heinrich Gerdom bis 1926 zum Hilfsschullehrer ausbilden und wechselte schließlich an diese Schule. In dieser Zeit heiratete er auch und wurde 1925 Vater einer Tochter.

Von 1936 bis 1939 war er Volksschullehrer im Sauerland und ging 1939 als Förderschullehrer zur Pestalozzi-Schule in Osnabrück, eine Hilfsschule für lernbehinderte Kinder. Hier qualifizierte er sich 1943 zum Werklehrer und war von 1959 bis zu seiner Pensionierung 1964 Schulleiter derselben. Die praxisbezogene handwerkliche Förderung der Hilfsschüler wurde durch seinen Kriegsdienst während des Zweiten Weltkrieges von Ende 1944 bis Juni 1945 unterbrochen.

Geprägt durch die bäuerliche Herkunft vertrat Gerdom die Lehre, den Schülern durch Praxis (und nicht nur durch Theorie) die Dinge beGREIFEN zu lassen und kämpfte ebenso für die schulische Förderung der geistig behinderten Kinder, für die es zu der Zeit keine Schulplätze gab.

Heinrich Gerdom entwickelt sich zum Pionier der Behindertenhilfe im Osnabrücker Land. 1960 gründete er zusammen mit Irmgard Kestner und weiteren Mitstreitern den Verein für Heilpädagogische Hilfe Osnabrück (HHO) und übte das Ehrenamt des ersten Vereinsvorsitzenden aus. Die erste Vereinsanschrift war seine Privatadresse. Von Beginn an gehörten die beiden großen Kirchen zu den Trägern der HHO.

Im Jahre 1961 eröffnete Gerdom mit Hilfe der Stadt und des Landes im Stadtteil Wüste eine Tagesbildungsstätte der HHO für 50 Menschen mit geistiger Behinderung – die erste dieser Art in Niedersachsen. Die „nicht schulfähigen“ aber „bildungsfähigen“ Menschen sollen in die Gemeinschaft integriert werden.

Doch im Jahre 1962 entstand die „Beschützende Werkstatt“ für Jugendliche und Erwachsene mit geistiger Behinderung in der Heger-Tor-Schule (heute Stüvehaus). Um 1964 den Werkstattumzug in größere Räumlichkeiten nach Sutthausen für 90 Behinderte und psychisch Kranke zu finanzieren, nahm Gerdom eine private Hypothek auf. Nach Rücktritt vom Vereinsvorsitz im Jahr 1968 wurde er vier Jahre später Ehrenvorsitzender der HHO. Gerdom erhielt für sein Engagement in der Behindertenarbeit das Bundesverdienstkreuz. Zu Ehren des „Pioniers der Behinderten Hilfe im Osnabrücker Land“ gibt es ebenfalls in Bissendorf eine Heinrich-Gerdom-Straße in unmittelbarer Nähe zu den dortigen Werkstätten der HHO. Die Straße in Osnabrück trägt seit dem 23. Oktober 1979 seinen Namen.

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