Da gab es wohl zur Olympiade Landesfahnen im Sonderangebot, die von den Organisatoren der Querdenker-Demonstration an die Mitläufer*innen verteilt wurden. Wenn man wie an diesem Samstag deutlich sichtbar die ganze Stadt (und oft auch die eigene Familie) gegen sich hat, sucht man in seiner Not wohl weltweit nach Rückendeckung beim Schwurbeln. Oder sollten die Fahnen an echte Verletzungen der Menschenrechte wie der Versammlungs- und Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Folter, Umerziehungslager und Todesstrafe im Olympia-Gastland China erinnern?
Der Redner begrüßt ausdrücklich die anwesenden Kinder auf der Demonstration und freut sich, dass ihre Eltern sie heute wieder mit auf eine – diesmal besonders laute – Demonstration geschleppt haben. Er habe, klagt er dann, in seiner Kindheit und Jugend noch Freiheit erlebt. Wo hat er die Jahre danach verbracht? In einer Militärdiktatur wie Chile? Doch Menschen, die so etwas aus eigener Anschauung kennen, findet man nicht bei den Diktatur-Herbeischreiern im Schlossgarten, sondern bei den Demokrat*innen für Respekt, die heute überall in der Stadt präsent sind. Wenn demnächst telegram-Kanäle für Menschenrechtsgruppen in Ländern, wo es wirklich Unterdrückung gibt, nicht mehr nutzbar sind, geht das auf die Kappe der deutschen Querdenker*innen, die behaupten, in einem totalitären Staat zu leben, weil sie bei ihren Demonstrationen wie alle anderen eine Maske tragen müssen.
Was dann kommt, lässt aufhorchen: Die Altparteien, die sich erdreistet hätten, zu Protest gegen die edlen Grundrechtsverteidiger der Querdenker aufzurufen, hätten seit vielen Jahren nur ihre Finanzmittel im Auge. Da ist sie wieder, die behauptete Verschwörung der politischen Eliten oder „Systemparteien“, die sich nur bereichern wollen.
Anhänger rechter Bewegungen verstehen diese verschlüsselt kommunizierten Anspielungen auf die New World Order oder den Deep State, die modernere Bezeichnung für die alte Behauptung von der jüdischen Weltverschwörung, die bereits den Nationalsozialisten als Vorwand für den Holocaust gedient hat. Im Kanal der Bürgerrechtsbewegung Osnabrück wird der Rabbiner der Osnabrücker Gemeinde mit derartigen antisemitischen Vorurteilen persönlich angegriffen.
Andererseits wird in dem rechten Kanal behauptet, alle Demokrat*innen für Respekt gehörten zur kommunistischen Einheitsfront, unter ihnen der VfL, der runde Tisch der Religionen, Diakonie, Caritas und sogar die CDU. Falls jemand eine „Sendung mit der Maus“ mit Grundbegriffen zur Politik kennt, sollte er die bitte diesem Kanal unbedingt mal zur Verfügung stellen, denn gegen Unwissenheit kann auch Gott nicht helfen. „Wenn Gott für uns ist, wer kann gegen uns sein“, fragt eine ältere Querdenkerin. Die Antwort gibt der mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete Osnabrücker Religionswissenschaftler Professor Dr. Reinhold Mokrosch. Er stellt beim Tisch der Religionen vor dem Theater fest, dass Impfen eine moralische und auch religiöse Pflicht sei und spricht sich für einen Dialog mit Querdenkern aus, sofern diese selber Respekt zeigen würden. Um Respekt geht es an diesem Tag bei vielfältigen Veranstaltungen in der Stadt. Statt der behaupteten Diktatur ist Demokratie heute überall in der Stadt sichtbar. Anders als die gern anonym bleibenden Querdenker*innen stehen viele Politiker*innen persönlich und mit ihrem Namen heute in Osnabrück dafür ein.
Die Demkrat*innen für Respekt wie der niedersächsische Innenministier Boris Pistorius und der frühere Osnabrücker Oberbürgermeister Hans-Jürgen Fip machen vor dem Rathaus deutlich klar, dass es in diesem Land Freiheit gibt – die aber nicht die Verbreitung von Antisemitismus und Aufrufe zu rechter Gewalt beinhaltet. Pistorius weist darauf hin, dass nicht die Gegner der Weimarer Republik für ihr Scheitern verantwortlich gewesen seien, sondern die Tatsache, dass zu wenige sie verteidigt hätten. Deshalb sei er heute in Osnabrück. Wenn sie seiner Rede zugehört hätten, statt sich in Kanälen wie Bürgerbewegung, Grundrechte Osnabrück oder den rechten Globalpatriots zu informieren, hätten die Querdenker*innen nach fünf Minuten nach Hause gehen und sich dem anschließen können, was einige Gegendemonstrant*innen auf einem Plakat über dem Heger Tor verkündeten: „Wir haben Besseres zu tun“.