Erinnerung an die Opfer der Euthanasie in Osnabrück
Im April 1941 wurden 248 PatientInnen aus Osnabrück in die Vernichtungsanstalt Hadamar deportiert, davor im September 1940 bereits acht jüdische PatientInnen der Anstalt in Brandenburg ermordet. Sie wurden mit Bussen der „Gemeinnützigen Krankentransport GmbH“ abgeholt, einer Tarnorganisation der SS. Auch das „Standesamt Cholm“, das die Todesurkunden ausstellte, existierte überhaupt nicht.
Am Sonntag, 28. September, erinnerte ein Bündnis aus Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB), OMAS GEGEN RECHTS und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) an Menschen, die von den Nationalsozialisten aufgrund körperlicher und geistiger Einschränkungen ermordet wurden. 70.000 Menschen wurden Opfer der sogenannten „T4-Aktionen“, benannt nach der Zentralverwaltung zur Koordination von Selektion und Abtransport an der Berliner Tiergartenstraße 4.
Auch an die Taten erinnern
Die Veranstaltung fand am vor 20 Jahren errichteten Mahnmal am Gertrudenberg neben dem ehemaligen Landeskrankenhaus (das heutige Ameos-Klinikum) statt. Der DGB forderte dazu auf, nicht nur der Opfer zu gedenken, sondern auch an die Taten zu erinnern. Die Nationalsozialisten hätten ihre Herrschaft gnadenlos mit Morden gefestigt. Für manche Menschen habe ihre bloße Existenz bereits ein Todesurteil bedeutet.
Diplom-Psychologe Hartmut Böhm erinnerte an die von den Nationalsozialisten angelegten Gesundheitsakten und Register, die zur Grundlage für Deportation und Ermordung wurden. Deshalb sei die Forderung der hessischen CDU, die Polizei müsse präventiven Zugriff auf die Akten psychisch Kranker haben, weil diese potenzielle Gewaltverbrecher seien, zur Recht auf Widerspruch in der Bevölkerung, in wissenschaftlichen Kreisen und in politischen Organisationen gestoßen.
Es sei längst nachgewiesen, dass von psychischen Kranken nicht mehr Gefahr ausgehe als von der sogenannten „Normalbevölkerung“. Auch hier in Osnabrück müsse man derartigen Ansinnen zur Registrierung psychisch Kranker entgegentreten. Böhm warf einen Blick auf die Geschichte der Psychiatrie und blickte zurück auf den Ersten Weltkrieg, in dessen Verlauf ab 1914 viele Soldaten infolge grausamer Kriegserlebnisse am sogenannten „Kriegszittern“ erkrankten, das sie unfähig werden ließ, in ein normales Leben zurückzukehren.
Behandlung durch Elektroschocks
Dabei wurden mit Medikamenten epileptische Anfälle herbeigeführt, um den Kriegsschock durch einen künstlich herbeigeführten neuen Schock zu neutralisieren. Dabei sei es zu entsetzlichen Nebenwirkungen wie Knochenbrüchen, Muskel- oder Sehnenabrissen oder Zungenabbissen gekommen. Nach ersten Versuchen, die Anfälle mit Medikamenten herbeizuführen, seien diese durch kostengünstigere elektrische Schocks ersetzt worden.
Als im Rahmen des 2. Weltkrieges erneut kriegsuntauglich gewordene Soldaten in hoher Zahl in die Heimat zurückkehrten, griff man die preisgünstige Methode des Elektrokrampfes wieder auf. Einer der Ärzte, die hierzu mit Gefangenen der Konzentrationslager entsprechende medizinische Versuche anstellten, war Rudolf Wohlrab (1909 -1995). Der Mediziner leitete ab 1942 die Fleckfieberabteilung am staatlichen Institut für Hygiene im besetzten Warschau und erprobte seine Behandlungen an Juden und Polen. Später entdeckte er die Elektrokrampfbehandlung mit dem Ziel, die Kriegstüchtigkeit traumatisierter Soldaten wiederherzustellen. Seine Karriere ging nach 1945 weiter und führte ihn nach Osnabrück. Wohlrab war als Flüchtlingsarzt und Seuchenreferent tätig und leitete von 1950 bis 1952 das Medizinal-Untersuchungsamt in Osnabrück, danach das Medizinal-Untersuchungsamt in Hannover. Nach seiner Pensionierung konnte er noch zwanzig Jahre lang ein üppiges Ruhestandsgehalt genießen.
Neue Serie der Osnabrücker Rundschau zu NS-Tätern
Über Rudolf Wohlrab berichtet die Osnabrücker Rundschau demnächst ausführlich im Rahmen einer neuen Serie, in der es um die Biographien von Tätern, Denunzianten und Profiteuren der NS-Zeit geht. Vorgestellt wird darin auch ein Osnabrücker Arzt und SS-Mitglied, dessen Karriere ihn von der Heil- und Pflegeanstalt in Osnabrück zur Landes-Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg führte, wo er psychisch kranke Kinder „begutachtete“, die er zur Tötung vorschlug und anschließend sezierte. Auch er wurde nach Kriegsende nicht belangt und sogar wieder im öffentlichen Dienst als Arzt beschäftigt.
Berechtigte Angst vor Sonderregistern
Die Vertreterin der OMAS GEGEN RECHTS erinnerte anschließend an die Zwangs-Sterilisation. Ab 1936 seien fast 400.000 Menschen unter Zwang operiert worden, damit sie keine Kinder bekommen konnten. Auch das habe mit Listen und Sonderregistern begonnen. Jetzt werde wieder über Listen mit den Namen psychisch erkrankter Menschen, Menschen mit Behinderung, sowie Transmenschen gesprochen. Für Osnabrück wären nach ihren Recherchen 400 Menschen mit körperlichen und seelischen Behinderungen in den Beschützenden Werkstätten der HHO betroffen, außerdem 5.463 stationär behandelte PatientInnen des Ameos und die unzähligen Personen, die ambulant behandelt würden.
Mit solchen Registern würden Menschen mit psychischen Erkrankungen unter Generalverdacht gestellt werden, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu sein. Nach wie vor bedeute psychisch erkrankt zu sein ohnehin schon, stigmatisiert zu werden. Auch nach der Phase der Erkrankung sei es schwierig, dieses Label wieder loszuwerden. Deshalb lebten viele Menschen schon jetzt in Angst davor, wohin Sonderregister führen könnten. Besonders Menschen, die offen queer lebten, erführen in diesen Zeiten bereits vermehrt Hetze.
Betroffen seien aber alle Menschen, denn auf solche Listen könne in einer Lebenskrise, hervorgerufen etwa durch Stress oder einen Unfall, jeder Mensch geraten, auch solche, die jetzt wie CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann ein Register für „psychisch kranke Gewalttäter“ fordern würden.
Die OMAS GEGEN RECHTS würden weiter gemeinsam mit allen zur Verfügung stehenden demokratischen Mitteln immer wieder mahnen, aufklären und laut sein gegen menschenunwürdige Ideen und Aktionen.
Kritik an Politikern als psychische Krankheit?
Man muss nicht nur in die Vergangenheit sehen, um zu wissen, wie wichtig es ist, sich gegen die Listen und damit den Anfängen zu wehren. In den USA wollte im März dieses Jahres eine Gruppe republikanischer Politiker aus Minnesota besonders heftige Kritik an Präsident Donald Trump künftig als psychische Krankheit einstufen lassen, die sie mit dem frei erfundenen „Trump Derangement Syndrome (TDS)“ bezeichnete.
Trump selber, der gerne behauptet, dass alle Staaten der Welt ihre psychisch Kranken aus Einrichtungen entlassen und gezielt in die USA schicken würden, fordert die zwangsweise Unterbringung von psychisch Kranken in Einrichtungen. Das tut er regelmäßig,
wenn wieder einmal ein Massaker passiert, statt das Waffenrecht zu verschärfen und zumindest Schnellfeuerwaffen in der Hand von Privatleuten verbieten zu lassen. Er wollte schon in seiner ersten Amtszeit „geistesgestörte und gefährliche Menschen von der Straße holen, damit wir uns darüber nicht so viele Sorgen machen müssen“. Dabei geht es nicht um Unterstützung und Hilfe.
Donald Trump stellt wie CDU-Politiker Linnemann psychisch Kranke als Bedrohung der öffentlichen Sicherheit dar. Er spricht ungeniert aus, worauf die von Linnemann geforderte Registrierung zielt. Die Lösung, so Trump, bestehe darin, noch mehr Menschen gegen ihren Willen in psychiatrische Kliniken und Behandlungsprogramme einzuweisen. Trump spricht dabei von “insane asylums”. Das entspricht dem deutschen Wort „Irrenanstalt“. So hieß auch die Einrichtung auf dem Gertrudenberg einmal, bis sie 1900 in Heil- und Pflegeanstalt umbenannt wurde.
„Tötet sie einfach“
Der New Yorker „Fox News“-Moderator Brian Kilmeade ist für noch radikalere Maßnahmen. Er schlug in der Morning-Show am 10. September 2025 vor, Menschen, die aufgrund fehlender staatlicher Absicherung in die Obdachlosigkeit gerutscht und psychisch erkrankt sind, gleich umzubringen: „Unfreiwillige tödliche Injektion oder so etwas. Tötet sie einfach.“ („Involuntary lethal injection, or something. Just kill them”).
Kilmeade überschritt die Grenze des Sagbaren nicht, er übersprang sie mit Anlauf und einem Hochsprungstab in der Hand – ohne dass ihm in der Gesprächsrunde jemand widersprach. Nach öffentlichem Protest folgte eine halbherzige Entschuldigung für die „gefühllose Bemerkung“. Seinen Arbeitsplatz bei FOX-News verlor er wegen seiner radikal menschenverachtenden Äußerung nicht. Im Gegenteil. Präsident Trump hat schon mehrere Fox-News-Moderatoren mit extremen Ideen in seine Regierung berufen.
Wer Freunde oder Bekannte in den USA hat, die Trump gewählt haben, sollte sie vielleicht zur nächsten Gedenkfeier auf dem Gertrudenberg einladen.