Freitag, 29. März 2024

„Ick bün all hier“ – Trari Trara, die brandneue Igelpost ist da! Ausgabe 3/22

Liebe Leserin, lieber Leser,
bevor Du hier weiterliest, möchte ich mich erst einmal vorstellen: Ich bin von nun an der schreibende Igel in der OR-Redaktion und verantwortlich für das Projekt „Das isso! Muss man wissen!“. Gepackt hat mich die Schreiberei, weil ich mich seit Kurzem einer quälenden Lektüre unterworfen habe. Sie nennt sich mit Zweitnamen ebenfalls „Post“, ist auch online unterwegs und besitzt als Vornamen nicht mich, sondern den eines hastig nagenden Langohrs. Ein Igel ist bekanntlich viel schneller und cleverer als dieser stets gehetzte Vierbeiner, der bei jeder Gelegenheit vor vermeintlich grünen Jägern oder roten Reitern in kopflose Panik gerät. Aber anstatt sich zu verziehen, plustert er sich dummdreist auf, und wenn jemand so aufgeblasen daherkommt, steche ich gern zu.

 

IGELPOST – 3/22

Abgelaufene Hasenbrote mit verdorbenen Parktickets

Wir Igel sind ja recht geduldige Zeitgenossen. Die Tage nach der erholsamen Sommerpause wollte ich eigentlich nutzen, um mir in aller Ruhe ein paar Pfunde unter mein stacheliges Äußeres anzufuttern. Betulich wollte ich mich durch ein warmes Fettpolster auf den heizarmen Winter vorbereiten. Und genau dabei ist es passiert! Aus Versehen musste ich nicht nur eines, sondern mittlerweile schon weitere restlos unverdauliche Hasenbrote verschlingen! Da war an Schlaf nicht mehr zu denken. Eingepackt waren die Hasenbrotpakete in sensationslüsterne Hasenpost-Kommentare.

Stadtratsmitglieder, war da zu lesen, dürfen fast für lau in Osnabrücker Parkhäusern parken. In den abgelaufenen Hasenbroten waren deshalb Parktickets versteckt, die wohl gezielt mit Kampfstoffen angereichert waren. Kurzum: Wir müssen reden!


Ohne Skandale keine Triumphe!

Hasenpost-Chef Pohlmann ist ja immer wieder mal hakenschlagend und wutschäumend unterwegs, um Riesenskandale aufzudecken. Einen hat er sich jetzt selbst um die Ohren gezeffert, und zwar nicht irgendeinen. Nein! Er ist eigentlich die Mutter aller Skandale, der so viel Zündstoff in sich birgt, dass er jede Menge Greise um sich ziehen wird.

Wie kam der Hase ins Trollen? Durch Äußerungen des OR-Chefredakteurs und Ratsmitglieds Kalla Wefel war ihm in die gespitzten Lauscher gekommen, dass Stadtratsmenschen angeblich über eine „Goldene Parkkarte“ verfügen. Wie schrecklich! Dem Oberhasen drohen vor lauter Fahrradbügeln und Fußgängerbereichen in der City ohnehin seine täglichen Panikanfalle. Wann immer er für sein vollgetanktes Auto einen Stellplatz sucht, tropfen stets Hasentränen der Verzweiflung. Jetzt hat der medienprofessionelle Detektiv eine weitere, geradezu ungeheuerliche Ungerechtigkeit entdeckt!


Was ist eigentlich passiert?

Eigentlich nichts, was nicht seit Jahren bekannt gewesen wäre. In der pohlmannschen Welt stellt sich aber allgemein bekanntes Wissen aus der Vergangenheit wie eine sensationelle Idee aus der Zukunft dar: Während der Hasenblattmacher für seine stadtweiten Recherchen pausenlos Parkautomaten mit Unmengen sauer verdienten Euros füllen muss, dürfen Ratsmitglieder, die ehrenamtlich zu Terminen für die Allgemeinheit unterwegs sind, für viel weniger Euros als Herr Pohlmann parken, der ganz allein für sich auf Achse ist.

Der arme Mann erlebt damit jenes Trauma, dass sich bereits bei Laufduellen mit uns Igeln ständig wiederholt. Das berühmte „Ick bün all hier“ vernimmt der arme Zeitgenosse jetzt nicht nur von Igeln, sondern auch von 50 Ratsmitgliedern. Welch Horrorbild in Hasenaugen: Während Pohlmann täglich seine Parkeuros abzählt, rauschen Ratsmitglieder grinsend an ihm vorbei, schwenken irgendein fieses goldenes Ticket und besetzen einfach öffentlichen Parkraum. Welch hartes Schicksal.


Im Gifthasen-Tempo durchs Feindesland

Verstehen muss man, dass ehrenamtlich tätige Ratsmitglieder für Gifthasen offenbar schon lange das Gottseibeiuns darstellen. „Feierabendkabinett“ ist unter den Pohlmann-Kommentaren noch die freundlichste Wahrnehmung, wenn er über demokratisch gewählte Menschen herzieht. Unerträglich scheint es auch für etliche Fans des Oberhasen, dass Stadtratsmitglieder überhaupt für ihre ehrenamtliche Arbeit entschädigt werden. Wozu sind die eigentlich nütze? Schreibhasen kriegen schließlich auch nix.

Pure Dekadenz: Kalla Wefels "Gold ParkCard" auf rotem Samt ... widerlichPure Dekadenz: Kalla Wefels "Gold ParkCard" auf rotem Samt ... widerlich

Na ja, um es einmal ganz sachlich in Erinnerung zu rufen: Stundenlange Rats- und Ausschuss- und Fraktionssitzungen, zeitintensives Studium dicker Ratsvorlagen, ständige Telefonate und Terminabsprachen, repräsentative Auftritte bis hin zum Bringdienst von Blumentöpfen für Hochbetagte werden in der Tat in Euro vergolten. „Normale“ Ratsmitglieder bekommen dafür monatlich 395,00 € und eine Fahrtkostenpauschale für 50 €. Das ist ungefähr ein Stundenlohn von plus/minus 5.00 €. Mitglieder des ständig tagenden Verwaltungsausschusses, die Ratsvorsitzenden, Bürgermeister:innen und die Fraktionsvorsitzenden erhalten knapp das Doppelte, aber die haben auch wenigtens doppelt so viele Aufgaben und Termine.


Lust auf Sprints durch offene Türen*

Der faustdicke Skandal, den Pohlmann jetzt aufzudecken geglaubt hatte, verursachte bei gut informierten Menschen, wir finden sie neben dem OR-Publikum auch im Lesepublikum des Stadtblatts, gelangweiltes Gähnen und ungläubiges Kopfschütteln. Unter der Überschrift „Kein Quatsch auf der städtischen Bühne“ hatte das Stadtblatt bereits in seiner Dezember-Ausgabe des Vorjahres ausgiebig über Ratsmitglied Kalla Wefel berichtet, wo sich dieser über die für 15,00 € erworbene „Gold ParkCard“ amüsierte. Nun ja, das Stadtblatt ist eben weniger für dauerwütende Hasen geschrieben, sondern viel mehr für Leute, die ihre Heimatstadt lieben und das nicht nur im Impressum bekunden. War der Hase vor einem Jahr womöglich im lesefreien Winterschlaf?

STADTBLATT Osnabrück vom Dezember 2021STADTBLATT Osnabrück vom Dezember 2021

Und so ist eingetreten, was nicht mehr zu verhindern war: Oberhase Pohlmann musste schmerzhaft lernen, dass nicht nur Igel schneller sind, sondern auch Ratsmitglieder längst auf jenen Stellplätzen stehen, die er stets hektisch sucht. Und nun hat er zu allem Überfluss über ein Thema geschrieben – und dies auch noch als sensationelle Recherche dargestellt -, über das längst andere berichtet haben. Auweia! Und das Schlimmste für das Hasenschicksal: Jetzt dürfen auch die Stadtblattmacher dem leidgeprüften Online-Hasen ein „Ick bün all hier“ zurufen.

In Osnabrücks Medienszene hat die Hasenpost etwas produziert, was einige als Luftnummer bezeichnen könnten. Klar, das kann einem Feierabend-Journalisten mit der Spürnase eines Trüffelhasen schon mal passieren, und der findet dann eben speziesgerecht allenfalls einen Giftpilz – niemand ist vollkommen, Hasen erst recht nicht. Anständige Geschöpfe halten es allerdings aus, wenn sie auf ihre Fehler hingewiesen werden und besonders anständige entschuldigen sich dann sogar für das billige Verbreiten längst bekannter Tatsachen.


Ein Admin mit dem Vorschlaghammer

In der Hasenpost ist das völlig anders. Der gehetzte Macher mag es nämlich überhaupt nicht, wenn man ihn an ungenügende Rechercheleistungen erinnert. Klicks und Werbung sind nun mal viel wichtiger! Sie bringen Geld, auch für Parkautomaten. Wutentbrannt stellt der Adminhase deshalb die wichtigsten Facebook-Einträge seiner Kritiker auch beim Thema „Parkkarte“ immer wieder auf „unsichtbar“. Gewohnt ist gewohnt, könnte man verständnisvoll hinterhersäuseln.

Vielleicht müssen wir tatsächlich verständnisvoller sein. Alles passiert wahrscheinlich aus reiner Fürsorge für all die Fans aus dem AFD- oder BOB-Spektrum, die weiterhin ihre verbalen Kotzkübel ungehindert im Hasenreich auskippen können. Schließlich müssen sich alle Hasenfans bei der Bedienung altgedienter Feinbilder der rot-grün versifften Umwelt pudelhasenwohl fühlen. Und der Löschhase freut sich diebisch, wenn die Urherber:innen gut gemeinter Ratschläge aus seiner Leserschaft die gekillte Kritik gar nicht mitbekommen und die Giftspritzen des Hasen weiterhin für eine stinknormale Informationsquelle halten. Vielleicht fällt aber dank der Igelpost einigen auf, dass „normal“ hier mit „stink“ eingeleitet wurde? Warum wohl?

Nun, als leidgeprüfter und schlafgestörter Igel kann ich nur sagen: Hätte ich all die Löschungen des Adminhasen im Laufe der Jahre mit meinen Stacheln aufgespießt, käme ein ganzer Haufen Sondernummern der Igelpost dabei heraus, womöglich sogar einige dicke Bücher. Wir arbeiten daran.


Fäkalien aus der Fanszene

Dass die Hasenpost ihre Leserschaft regelmäßig mit Empörungsartikeln füttert und den Hass gegen alles schürt, was der Hase und seine Wutklientel nicht verstehen, gehört offenbar zur Geschäftsidee. Hauptsache Klicks, egal von wem: Wie man in den AFD- und BOB-Mob hineinschreit, so schreit es nun mal immer wieder mehrfach heraus. Zündeln erzeugt Reflexe. Der Gifthase scheint genüsslich auf dieses Echo der Kübelfüller zu setzen, zumal bestimmte Absonderungen merkwürdigerweise nie seiner Löschwut zum Opfer fallen. Kostproben gibt es täglich.

Besonders klug kommt er sich vor, wenn er missliebige Kommentare bei FB nicht sofort löscht, sondern auf „verborgen“ stellt, weil sie dann nur noch von FB-Freund:innen der Verfasser:innen gelesen werden können und sich die Empörungsklientel in ihrer Dummheit ungestört fühlt und sich weiter ungehindert darin suhlen kann.

Diese mit wenig Liebe zum Detail gebastelte Goldkarte gibt es überhaupt nicht.Diese mit wenig Liebe zum Detail gebastelte Goldkarte gibt es überhaupt nicht.

Wir haben das alles für eine spätere Igel-Ausgabe mit „Vorher-Nachher“-Screenshots dokumentiert. Dass der Skandal, der nie einer war, auf telegram im rechtsradikalen Kanal „Grundrechte Osnabrück“ verlinkt wurde und sich der dort ebenfalls gern verlinkte Rechtsanwalt Frohnecke zu diesem Post mit dem Kommentar „Großartig! Die lautesten ÖPNV-Pharisäer und vorne weg der PARTEIparasit…“ auf seiner FB-Präsenz hinreißen ließ, spricht Bände: Da AfD-Fanboy Frohnecke sicherlich aus rein humanitären Gründen seinen Wohnsitz nach Liechtenstein verlegt hat, weiß er ganz bestimmt nur zu gut, was ein Parasit ist.


Hases Ausflug in die Ideen- und Weltgeschichte

Jüngstes Beispiel seiner analytischen Schärfe ist Hases staatstragend klingender Kommentar mit der Überschrift „Der 3. Oktober oder das Ende eines 33 Jahre andauernden Friedens“.

Seinen Krieg erklärt er dabei mal so nebenbei einer gesellschaftlichen Vision, welche beispielsweise sozialdemokratische Parteien weltweit vertreten: Sozialismus – weshalb etliche dieser Parteien sich ja auch „sozialistisch“ nennen. Herr Pohlmann scheint sein linkes Hasenauge wohl geschlossen zu halten. Originalton Hasenpost:

„Russland und der ganze ehemalige Ostblock hatte sich von den Fesseln der menschenverachtenden Ideologie des Sozialismus und des Kommunismus befreit.“

Wie bitte?

Hat der Oberhase zumindest einmal ansatzweise vernommen, dass in Osteuropa lupenreine stalinistische Diktaturen geherrscht haben, deren deutsche Variante sich sogar mit „Demokratische Republik“ geschmückt hat? Hat er verstanden, dass „Sozialismus“, „Demokratie“ oder „Republik“ allenfalls Etiketten waren, um eine lupenreine Diktatur und lupenreine Diktatoren kosmetisch zu verkleistern?

Warum verteufelt der pseudophilosophische Schrei(b)hase also nicht auch die Worte „demokratisch“ und „Republik“? Im gleichen Text hebt Herr Pohlmann übrigens einen Staatsmann namens Gorbatschow in die Höhe. Zu Recht übrigens. Nur: Gerade dieser hochgelobte Genosse Gorbatschow verstand unter seiner „Perestroika“ stets einen demokratischen Sozialismus – und hat eben diesen bis zu seinem Lebensende öffentlich als Vision vertreten.

Na ja. Ideengeschichtlich funken lange Hasenohren anscheinend immer nur auf kurzer Reichweite.


Ein Trost zum Schluss

Einen kleinen Trost für den gehetzten Hasen haben wir zum Schluss aber auch anzubieten: Die oben erwähnte Parkkarte wird nach Aussage der Stadtverwaltung nur von etwa der Hälfte der Ratsmitglieder genutzt. Es verbleiben also etliche freie Stellbuchten für das Hasenauto. Der Fahrer mit gespitzten Ohren müsste dazu aber mindestens halb so schnell sein wie ein Igel. Ob das gutgeht?

Zu 100 % nutzen übrigens nur die CDU-Ratsmitglieder und Kalla Wefel die goldene Parkkarte, so dass unser Redaktionsleiter nach dem Austritt aus der Partei Die PARTEI lange mit dem Gedanken spielte, sich bei so vielen Gemeinsamkeiten der ehemaligen Blockpartei CDU anzuschließen. Wider Erwarten hat er nun als ständiger Querkopf mit der goldcardfreien SED-Nachfolgepartei Die LINKE, mit „Sozialisten“ also, eine „Gruppe“ im Stadtrat gebildet – das heißt eben NICHT „Fraktion“, wie die Hasenpost wieder einmal in ihrem unfehlbar falschen Feierabendjournalismus berichtete.

Aber woher soll der Chefredakteur der Langohr-Postille all diese Details auch kennen? Denn sein Name ist Hase – und der weiß nun mal von nichts.

Euer Igel

 

 

 

 

*Der Plagiatsvorwurf wurde freiwillig zurückgenommen


Hier gibt es alle bislang erschienenen Ausgaben der Igelpost

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